SoSe 2021, BA - N 54°28'13'' E 9°50'36''

Eckernförde

Herzog & de Meuron, 1111 Lincoln Road, Miami Beach (Bild: Clemens Helmke 2014)
Herzog & de Meuron, 1111 Lincoln Road, Miami Beach (Bild: Clemens Helmke 2014)

 

N 54°28'13'' E 9°50'36''  

Unser Semesterprojekt beschäftigt sich mit dem Zueinander-Bringen und der Vielheit. Eine Inselidee vielfach vervielfältigt, eine Collage von Inseln, soll dem Windebyer Noor ein besonderes Gepräge geben. An diesem Ort ereignet sich die Transformation einer zurückgelassenen Fläche in die eines Stadtübergangs durch die Schaffung eines neuartigen Raums und die Bestimmung einer anderen Räumlichkeit durch Montage, Collage und dem Einbringen von Inselformationen. «Nicht jede Stelle ist schon ein angemessener Ort. Dieser zeichnet sich vor allem durch eine gewisse Aktivität aus, er ist selbst etwas Lebendiges. Er öffnet eine Gegend, nach Heidegger gesprochen, er bringt verschiedene Dinge zueinander.»(1) Heidegger definiert den physikalischen und den künstlerischen Raum: als Raum, als Volumen und als Leere. Als Raum - innerhalb dessen ein plastisches Gebilde vorgefunden wird; als Volumen - welches eine Figur umschließt; als Leere - zwischen solchen Gegenständen. Die besondere Bedeutung eines so erfassten Raumes erschließt er vom verbalen Wortsinn des Räumens her. Das Räumen erbringt das Freie, das Offene für ein Siedeln und Wohnen des Menschen. Das Räumen wird also als Frei-Räumen und als Ein-Räumen verstanden. Der Ort öffnet jeweils eine Gegend, indem er die Dinge auf das Zusammengehören in ihr versammelt. Das heißt für Heidegger das Versammeln der Dinge in ihr Zueinandergehören. Als theoretische Grundlage betrachten wir im Semester die Architektur, die Künste und das neue Denken im Diskurs mit Werken von Jean Fautrier, John Hejduk, Stefan Dornbusch, Blinki Palermo, Yves Klein und Werner Ruhnau ‚Schule der Sensibilität‘, Kurt Schwitters, O.M. Ungers, u.v.a.m. ; reflektieren: «Differenz-Denken ist ein Denken der Vielheit statt Einheit, der Eigenart statt der Wesensart, der Intensität statt der Extensionen, des Werdens statt des Seins, der Univozität statt der Aequivokation, ein Denken der sich ereignenden Divergenzen, ein affimatives Denken, dessen Instrument die Disjunktion ist anstelle der Dialektik, ein Denken des Vielfältigen …»(2) Eduardo Chillida, der in seiner Jugend Architekt werden wollte, schildert diese Nähe zur Baukunst in einem Interview mit Andrew Dempsey: «Ich möchte durch meine Arbeit immer etwas erfahren, was ich vorher nicht wußte, mich selbst in Frage stellen und alles Übrige um mich." (1) Das ständige Infragestellen hat seine Kunst immer weitergeführt, eine Kunst, in der es keine Wiederholungen gibt, Themen über längere Zeiten variiert werden, um dabei etwas zu lernen.

Zitate:

(1) Eduardo Chillida im Gespräch mit Friedhelm Mennekes, Martina Schleppinghoff, Kurt Danch, Andrew Dempsey, 1993

(2) Michael Foucault, Essay Theatrum Philosophicum, Vorwort in: Michael Foucault und Gilles Deleuze, Der Faden ist gerissen, Berlin 1977 

Literaturvorschläge: 

•Aldo Rossi: Die Architektur der Stadt: Skizzen zu einer grundlegenden Theorie des Urbanen (Bauwelt Fundamente 41)
•Aldo Rossi: Wissenschaftliche Selbstbiografie
•Colin Rowe / Robert Slutzky: Transparency
•Colin Rowe / Fred Koetter: Collage City
•Gaston Bachelard: Poetik des Raumes
•Wilhelm Worringer: Abstraktion und Einfühlung, Ein Beitrag zur Stilpsychologie 

Bemerkungen:

Richtet sich an: 2.KM B.Sc.A

Sønderborg

Eduardo Chillida, Haus für Goethe, Frankfurt (Bild: Clemens Helmke 2020)
Eduardo Chillida, Haus für Goethe, Frankfurt (Bild: Clemens Helmke 2020)

 

N 54°54'42'' E9°48'39''

Weit genug abseits der Großstadt in der Region Syddenmark, an der Peripherie des dänischen Kulturlebens, entsteht in den Fjordlandschaften Als Fjord und Flensburger Förde eine neu eingebrachte Insel-Landschaft, den Fjordverlauf verjüngend. Die eingebrachte Fjordinsel realisiert mit dem, was auf ihr mit der Natur und mit der Architektur geschieht, auf vielfältige Weise eine ideelle Hermetik. Diese Abgeschiedenheit vom Festland definiert jede Insel als hermetisch, als vorerst einmal verschlossenen ‹Bezirk›. Inselhaftigkeit, Abgetrenntheit sind in der griechischen Mythologie dem Gott Hermes zugeschrieben; er kann sich als Götterbote schneller bewegen als das Licht. ‹Hermes fliegt oder springt von einer Insel auf die andere, wahrt das Gesetz einer jeden, belässt die differenten Vielheiten in ihrem ‹Eigensinn›, ohne sie alle unter einen gemeinsamen Begriff zu zwingen. Deshalb behütet er als vierkantige Herme, ithyhallisch (altgriechisch: ithy = gerade und Phallos), die Grenze.› Solche Abgeschiedenheit macht geheimnisvoll; Inseln sind immer Orte der Sehnsucht. Die nach ihm benannte Hermeneutik aus dem griechischen übersetzt: ‹erklären, auslegen, übersetzen›,ist die Kunst der ‹Interpretation von Texten und des Verstehens›. In idealisierter Form ist Verstehen ein Sein, in dem die Welt sich selbst auslegt. Die intuitive Lesart begreift Verstehen als etwas Unmittelbares, das aller Reflexion vorausgeht und aller Erkenntnis und dem diskursiven Denken zugrunde liegt. In unserem Semesterprojekt entwerfen wir ambitionierte Architekturen, die auf das Wesentliche reduziert sind; sie werden eine gewisse Anonymität besitzen, ihre Gesichter, Ansichten weisen ein stilles archaisches Lächeln auf. Als Grundlage beschäftigen wir uns mit dem kritischen Regionalismus der benachbarten Länder Dänemark und Norddeutschland. Mit reduzierten baulichen Mitteln wollen wir Räume für zeitgenössische Architektur, Landschaftsraum und Stadtraum schaffen, die dem Genius Loci seine Referenz erweist. Wir entwerfen Raumfolgen und Objekte, die in Konzept und Wirkung (Anschauung) die hermetische Insel-Idee in die Architektur aufnehmen. In unseren theoretischen Auseinandersetzungen knüpfen wir dabei an die Entwurfsansätze der Architekten und Künstler Absalon_Meir Eshel, Max Bill, Arne Jakobsen, Henning Larsen, Hannes Meyer, Aldo Rossi, Simon Ungers, Jørn Utzon u.v.a.m. an, die den Architypus mit modernen Mitteln fortführen. «Die Hermeneutik hat die Aufgabe, das je eigene Dasein in seinem Seinscharakter diesem Dasein selbst zugänglich zu machen, mitzuteilen, der Selbstentfremdung, mit der das Dasein geschlagen ist, nachzugehen. In der Hermeneutik bildet sich für das Dasein eine Möglichkeit aus, für sich selbst verstehend zu werden und zu sein.» (1)

Zitate:

(1) Martin Heidegger: Gesamtausgabe, Frankfurt am Main 1975

Literaturvorschläge: 

•Aldo Rossi: Die Architektur der Stadt: Skizzen zu einer grundlegenden Theorie des Urbanen (Bauwelt Fundamente 41)
•Aldo Rossi: Wissenschaftliche Selbstbiografie
•Colin Rowe / Robert Slutzky: Transparency
•Colin Rowe / Fred Koetter: Collage City
•Gaston Bachelard: Poetik des Raumes
•Wilhelm Worringer: Abstraktion und Einfühlung, Ein Beitrag zur Stilpsychologie

Bemerkungen:

Richtet sich an:2.KM B.Sc.A.