SoSe 2018, BA - Any-Space-Whatever | Lines Planes Bodies

Any-Space-Whatever

Giulio Romano, Fall der Giganten, Palazzo del Te, Mantua, Italien (Bild: Clemens Helmke 2017)

«Ich habe ein Bild gemalt. Darin versammle ich die Zuschauer zu einem Vortrag.
Dann sage ich: ‹Das Bild ist ein Ort.› (...) ‹Aus ihm eröffnet sich der Raum.› Ein Bild ist ein Ding, gefertigt aus Material. Und auch sehen wir im Bild eine Tiefe die es als Ding niemals einholen kann. Durch das Bild geht ein Riss. Er entsteht aus der Spannung zwischen dem banalen Stoff , woraus das Bild gemacht ist, und der Bedeutung, die aus dem gemachten sich ankündigt. Der Riss geht entlang der Grenze von Sein und Scheinen. Die Schlucht, in die der Riss blicken lässt, ist maßlos und gefährlich. Die Weite sehen wir als die Bildtiefe. Die Bildtiefe ist der maßgegebene Raum, der das Bild in sich birgt und zeigender Weise eröffnet. Die Bildmächtigkeit, (...) die Imaginationsstärke einer Epoche zeigt sich auch daran wie viel an Bildraum sie zulässt bzw. eröffnen kann.»(1) «Die vergangenen Jahrzehnte haben durch ihre rein technische und wissenschaftliche Betonung die optische Sinnenfreude getötet. Grau in graue Steinkästen traten an die Stelle farbiger und bemalter Häuser. Die durch Jahrhunderte gepflegte Tradition der Farbe versank in den Begriff ‚Vornehmheit’, der aber nichts anderes ist als Mattheit und Unfähigkeit, das neben der Form wesentlichste Kunstmittel im Bauen, nämlich die Farbe anzuwenden.(…) Wir verwerfen den Verzicht auf die Farbe ganz und gar, wo ein Haus in der Natur steht. Nicht allein die grüne Sommerlandschaft, sondern gerade die Schneelandschaft des Winters verlangt dringend nach der Farbe. An Stelle des schmutzig-grauen Hauses trete endlich wieder das blaue, rote, gelbe, grüne, schwarze, weiße Haus in ungebrochen leuchtender Tönung.»(2)

Zitate:

(1) Thomas Huber, Auszüge aus einem Beitrag: Schriftenreihe Akademie der Künste München,1992

(2) Bruno Taut, Der Regenbogen, Aufruf zum farbigen Bauen, Bauwelt 38/ 1919 (Jg. 10), S.11

 

Bemerkungen:

2. Kernmodul (Bachelor) – 12LP
Entwurf: 8 SWS, Seminar: 2 SWS,  Exkursion 
Die Teilnahme an der Exkursion und dem Seminar ist gewünscht.

Lines Planes Bodies

Sassnitz (Bild: Clemens Helmke 2018)

«‹Zur-Sprache-bringen› heißt zweierlei: einmal die Bedeutung des sinnlich Wahr-genommenen (bzw. eine mögliche Bedeutung) in der sinnlichen Wahrnehmung selbst auffassen und damit ein Allgemeines (welches die Bedeutung immer ist) am Singulären erfahrbar machen; dieses erste ‹zur-Sprache-bringen› durch Analyse der bedeutungsstiftenden Form ist ein Reflexionsprozess, in dem die Vermitteltheit der Objektivität des sinnlich Gegebenen mit der Subjektivität des Auffassenden (einer doppelten Subjektivität, nämlich der des Künstlers und der des Rezipienten) zum Moment der Bedeutungskonstitution selbst wird. Und zweitens heißt ‹zur-Sprache-bringen›, dass das Kunstwerk (das in erster Linie in unmittelbarer Anschauung zu uns spricht) verbaler Interpretation nicht nur fähig, sondern auch bedürftig ist; nicht weil seine Bedeutungsfülle dadurch ausgeschöpft werden könnte oder sollte, vielmehr sofern sein Reflexionsgehalt, das Verhältnis von Besonderheit und Allgemeinheit an ihm, ins Bewusstsein gehoben werden soll.» (1) «Wenn die Teile des Steins in Bewegung sind, muss diese Bewegung einen Rhythmus haben, der, wenn auch unhörbar, wie das Geräusch einer Uhr ist. Der Stein wäre also die Uhr seiner selbst. Sich in Bewegung zu fühlen heißt, die eigene Zeit vergehen zu fühlen. Die Erde, ein großer Stein am Himmel, fühlt die Zeit ihrer Bewegung, die Zeit des Atmens ihrer Gezeiten, und was sie fühlt, sehe ich am gestirnten  Himmel sich abzeichnen: Die Erde fühlt die selbe Zeit, die ich sehe. (…) doch nein, der Stein muss auch den Raum fühlen, wenn er die Bewegung da wahrnimmt, wo vorher Ruhe war, und die Ruhe da, wo vorher  Bewegung war.»(2)

Zitate:

(1) Georg Lukács, Über die Besonderheit als ästhetische Kategorie_ Probleme der Ästhetik, 1969

(2) Umberto Eco, Die Insel des vorigen Tages, Kapitel 37 („ Paradoxe Exerzitien über das Denken der Steine.“) Carl Hanser Verlag München Wien 1995

Bemerkungen:

2. & 5. Kernmodul (Bachelor) – 12LP
Entwurf: 8 SWS, Seminar: 2 SWS,  Exkursion 
Die Teilnahme an der Exkursion und dem Seminar ist gewünscht.