
BAUHAUS.INSIGHTS: Ein Jahr »Demokratie stärken« – Was nehmen wir mit für die Zukunft?
»Demokratie stärken« war der thematische Schwerpunkt der Bauhaus-Universität Weimar für das Jahr 2024. Über 30 Projekte stellten die Stärkung und Teilhabe an demokratischen Prozessen in den Mittelpunkt – von eigenen Lehrveranstaltungen und Forschungsvorhaben bis zu Kunstprojekten, jeweils als Kooperationen mit anderen Akteur*innen in Weimar und Thüringen. Die Bauhaus-Universität Weimar beabsichtigte damit, im Thüringer Superwahljahr 2024 das Vertrauen in Demokratie und Wissenschaft, in Kunst und Bildungsinstitutionen zu fördern.
Gerade mit Blick auf die eigene Geschichte – die Vertreibung des historischen Bauhauses durch rechte Kräfte – wollte sie verdeutlichen, wie wichtig eine offene Gesellschaft und eine starke Demokratie auch für heutige Bildungsinstitutionen sind. Angeregt und geleitet wurde das Themenjahr von Dr. Ulrike Kuch, Vizepräsidentin für gesellschaftliche Transformation an der Bauhaus-Universität Weimar und Romi Klockau, Referentin der Vizepräsidentin.
Frau Dr. Kuch, Sie hatten den thematischen Schwerpunkt »Demokratie stärken« für 2024 ja gerade der zahlreichen Wahlen wegen gesetzt, die dieses Jahr in Thüringen stattgefunden haben. Wie fällt Ihre Bilanz aus – gerade mit Blick auf die Wahlergebnisse?
Ulrike Kuch: Die Wahlergebnisse waren natürlich ernüchternd, weil sie deutlich gezeigt haben, wie tief die Demokratieskepsis in Thüringen sitzt. Das war nicht überraschend, denn die dahinterliegenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse sind so langfristig, dass klar ist, dass nicht mit einem Fingerschnipsen alle Herausforderungen bewältigt werden können. Immerhin ist die Wahlbeteiligung gestiegen, ein Indikator für das gestiegene Interesse an den Wahlen.
Unabhängig von den Wahlen aber wird die Arbeit der Kolleg*innen in den Gemeinden langfristig Wirkung zeigen. Denn die positive Energie, das wirkungsvolle Bild von Wissenschaft und Kunst, die Dialogbereitschaft, das Zuhören und Ernstnehmen der Menschen in Thüringen bleibt. Auch das gehört zur Bilanz: Es gibt einen gewissen Trotz, gerade jetzt für die Demokratie einzustehen und mit den Thüringer*innen gemeinsam unsere demokratischen Werte zu verteidigen. Und ich bin sehr dankbar, dass es in der Universität so viel Rückenwind für diese Aktivitäten gab und gibt.
Romi Klockau: Besonders wichtig bleibt es, demokratiefeindlichen Entwicklungen nicht nur mit Wahlergebnissen zu begegnen, sondern Demokratie im Alltag zu leben. Bildungseinrichtungen spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn sie können Beteiligung fördern und Räume für den offenen Dialog schaffen. An der Bauhaus-Universität Weimar wurde dies durch verschiedene Formate konkret umgesetzt: Diskussionsforen, Workshops und studentische Projekte bieten Möglichkeiten, aktuelle gesellschaftliche Fragen kritisch zu reflektieren und gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten. Partizipation ist dabei keine abstrakte Forderung, sondern gelebte Praxis. Diese Prozesse langfristig zu stärken, sehen wir weiterhin als unsere zentrale Aufgabe.
Welche der über 30 Projekte waren besonders erfolgreich und wirken vielleicht auch noch über das Themenjahr hinaus? Gab es Zusammenarbeiten mit ganz neuen Partner*innen?
RK: Die Projekte im Themenjahr waren so vielfältig in ihren Ansätzen und Zielgruppen, dass sie sich schwer vergleichen lassen. Besonders spannend war die Zusammenarbeit mit neuen Partner*innen aus Bereichen, die bisher wenige Berührungspunkte mit der Universität hatten. Diese Kooperationen brachten oft überraschende Perspektiven ein. Insgesamt hat sich gezeigt: Die nachhaltigste Wirkung entsteht dort, wo Teilhabe ernst genommen und aktiv gefördert wird.
UK: Auch aus meiner Sicht sind die Projekte erfolgreich, wenn es zu einem Austausch auf Augenhöhe mit Menschen kommt, die sonst wenig mit Universitäten zu tun haben. Wenn es gelingt zu verstehen, warum beide Seiten wechselseitig voneinander profitieren, warum Wissenschaft und Kunst für die Gesellschaft nicht nur relevant, sondern sogar produktiv sind und diese eine Verantwortung für die Gesellschaft und ihre Menschen haben, war das Projekt erfolgreich. Dann transportieren wir damit auch die Werte, für die wir stehen: Wir zeigen, wie wichtig unsere demokratische Gesellschaft ist, mit den Freiräumen für freies Denken und Experiment, mit Diversität, mit einer Diskurskultur und auch den Möglichkeiten, zu scheitern; wir schätzen die Menschen um uns herum mit Ihrem Wissen und Ihren (biographischen) Erfahrungen wert und respektieren sie. Selbstwirksamkeit zu vermitteln, ist ebenfalls ein wichtiges Element eines erfolgreichen Projektes.
Was würden Sie anderen Bildungseinrichtungen und speziell Universitäten nach diesem Jahr empfehlen? Können Universitäten wirksame Maßnahmen ergreifen, um die allgemeine Teilhabe an Demokratie zu stärken und, wenn ja, welche?
UK: Wir sind als Universität Gründungsmitglied der Initiative Weltoffenes Thüringen und ich darf dort die »Gruppe Wissenschaft« koordinieren. Im ersten Treffen nach der Landtagswahl am 1. September ist der Satz gefallen, den ich eben beim Stichwort Trotz im Sinn hatte: Es ginge darum, Ernüchterung in Aktivität umzuwandeln.
Diese »Aktivität« nimmt gerade Fahrt auf; die beteiligten Wissenschaftler*innen und Wissenschaftseinrichtungen – eine ganz neue Koalition, die sich aufgrund ihres Interesses an einem weltoffenen Thüringen zusammengefunden hat – wollen sowohl gemeinsam als auch individuell für die Stärkung der Demokratie und die Akzeptanz der Wissenschaftsfreiheit in Thüringen aktiv werden.
Jede Wissenschaftseinrichtung ist dabei natürlich frei zu entscheiden, was für sie der richtige Weg ist, wo sie dabei sein will und welche Schwerpunkte sie setzt. Die Bauhaus-Universität Weimar ist eine politisch sehr bewusste Hochschule mit einem einzigartigen Profil zwischen Wissenschaft und Kunst und großartigen Kolleg*innen. In Weimar hatten wir die Chance, einige unserer Aktivitäten in Wissenschaft und Kunst gut für diesen Ansatz nutzen zu können. Andere Hochschulen werden Formate, Mittel und Wege finden, die zu Ihnen passen.
RK: Neben der Freiheit, eigene Schwerpunkte zu setzen, sollten Universitäten Formate schaffen, die demokratische Teilhabe erfahrbar machen. Wichtig ist es, Menschen aktiv in Entscheidungsprozesse einzubinden und Verantwortungsübernahme zu ermöglichen. Partizipation darf dabei nicht nur ein Thema in der Lehre sein, sondern muss auch im Hochschulalltag sichtbar werden.
Sie haben auch bereits bekräftigt, dass die Bauhaus-Universität Weimar nach dem Themenjahr Projekte zur Stärkung der Demokratie weiter unterstützen wird. Was heißt das konkret für 2025? Ist eine weitere Ausschreibung geplant?
RK: Ja, auch in Weimar wollen wir weiter am Ball bleiben und werden unser Netzwerk pflegen, die Kolleg*innen ermuntern, langfristig in Kooperationen mit Partner*innen in Thüringen zusammenzuarbeiten und dies auch präsidiumsseitig finanziell fördern.
Toll wäre, wenn wir aufbauend auf dem thematischen Schwerpunkt »Demokratie stärken« zu dauerhaften Kooperationen kommen könnten, wie es sie schon an einigen Stellen gibt. Als ersten Schritt werden wir daher in den nächsten Wochen in einer dynamischen, interaktiven Grafik erlebbar machen, welche Projekte welche Kooperationspartner*innen hatten, wo sie stattgefunden haben, aus welcher Fakultät sie kamen und einiges andere mehr. Die Grafik zeigt sehr anschaulich, wo es Schwerpunkte gab und wo noch »weiße Stellen« sind und sie wird auch eine erhöhte Sichtbarkeit für das gesamte Projekt schaffen.
UK: Außerdem werden wir auch an der Stärkung der Demokratie innerhalb der Universität konstant weiterarbeiten, wie es sich die Universität mit der Verankerung der Partizipation in ihrer Grundordnung zur Aufgabe gemacht hat. Wir werden z.B. durch die Etablierung von Partizipationsformaten, durch die Bereitstellung von »Werkzeugkästen« zur Arbeit mit Partizipation in den einzelnen Bereichen der Universität und auch durch Wertschätzung der Gremienarbeit, wie sie das Präsidium in den letzten Monaten schon vorangetrieben hat, hier weiter aktiv bleiben.
Welchen thematischen Schwerpunkt hat die Bauhaus-Universität Weimar für 2025 vorgesehen und wird er die Erkenntnisse aus dem Themenjahr 2024 »Demokratie stärken« aufnehmen?
UK: Wir werden beginnend mit 2025 drei Jahresthemen etablieren, die drei Leitthemen der Universität aufnehmen, wie sie im Struktur- und Entwicklungsplan 2026-2030 (STEP) festgehalten sind, der im Frühjahr 2024 von der Universitätsgemeinschaft erarbeitet wurde. Der Dreiklang Mensch – Umwelten – Technik wird aufgegriffen und über den Terminus »Beyond Now« mit der Fragen nach Geschichte, Gegenwart und Zukunft verknüpft. Wir starten im April 2025 mit »Beyond Now — Umwelten«. In der methodischen Herangehensweise an die Jahresthemen (z.B. was die Bildung eines Netzwerks innerhalb der Universität angeht) steckt ganz viel »Demokratie stärken«. Inhaltlich sehe ich vor allem die Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartner*innen und die themengebundene Wissenschaftskommunikation als große Gemeinsamkeit.
Im Übrigen gehört für mich das Engagement für die Gesellschaft und insbesondere für die Demokratie nicht erst seit dem letzten Jahr zur DNA der Bauhaus-Universität Weimar. Es ist Teil unseres Profils, das haben auch die zahlreichen Beteiligungen aus der gesamten Universität gezeigt und wir sind damit sowohl national als auch international in sehr guter Gesellschaft, wie ich zuletzt bei einer Konferenz erfahren durfte. Das wird bleiben, über die Jahresthemen und thematischen Schwerpunkte hinaus.
Frau Dr. Kuch, Frau Klockau, wir danken Ihnen für diese interessanten Ein- und Ausblicke und wünschen Ihnen viel Erfolg für das kommende Themenjahr.
Die BAUHAUS.INSIGHTS-Fragen zum Themenjahr »Demokratie stärken« stellte der freischaffende Redakteur Franz Löbling.