
Professur für Bauformenlehre an der Fakultät Architektur und Urbanistik neu besetzt
Nach dem Architektur- und Stadtplanungsstudium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg sowie der Akademie der Bildenden Künste Wien war er elf Jahre in London als Partner im renommierten Büro Caruso St John Architects tätig. 2016 gründete er sein eigenes Architekturbüro in Berlin. Lehrtätigkeiten führten ihn als Gastprofessor unter anderem an die Kingston University London, die Leibniz Universität Hannover und die Technische Universität Dresden. 2024 erschien seine Publikation Jaretti & Luzi. Im Gespräch gibt Prof. Schmutz Einblick in seine Beweggründe und seine Perspektive auf die Bauformenlehre in Weimar.
Was hat Sie motiviert, die Professur für Bauformenlehre an der Bauhaus-Universität Weimar anzunehmen?
Die Bauformenlehre erscheint mir besonders interessant, weil sie Professuren verbindet und weniger festgelegt ist als andere Disziplinen. Ich sehe sie als offenes Feld, um möglichst unvoreingenommen und empathisch auf unsere gebaute und gewachsene Umwelt zu blicken. Mehr als vorgefasste formale Kriterien interessiert mich, mit den Studierenden eine spezifische Haltung aus dem jeweiligen Projekt zu entwickeln, die möglichst viel einschließt und ein Bewusstsein für die Vielgestaltigkeit unserer Welt vermittelt.
Weimar ist dafür ein besonders wertvoller Standort, zum einen weil die Größe der Fakultät Austausch und Vernetzung ermöglicht und die Professuren ein vielfältiges Spektrum für interdisziplinäres Arbeiten abdecken. Zum anderen interessiert mich van de Velde's Idee des Gesamtheitlichen - jedoch weniger als Kunstwerk, sondern mehr methodisch, als verknüpftes und integrales Denken verschiedener, heute oftmals widersprüchlicher Anforderungen unserer Zeit.
An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit im Büro und was macht diese Projekte aus?
Schon länger arbeiten wir fast ausschließlich im Bereich Bestand und Umbau. Unser Spektrum reicht derzeit von kleinen Reparaturen bis zu großen Sanierungen, von der Dachrinne bis zur Mega-City aus den 1970ern, vom nationalen Kulturdenkmal bis zum landwirtschaftlichen Gebäude. Diese Bandbreite interessiert uns. Statt einer ablesbaren Handschrift ist uns ein Umweltbewusstsein wichtig, um agil und ergebnisoffen zu agieren und so zu ermöglichen, dass ein Projekt seine eigene Dynamik entfalten kann.
Im Moment arbeiten wir unter anderem auch an Ausstellungsgestaltungen, für uns ein diskursives Format, um unsere Arbeit als Planer*innen zu reflektieren. Mitunter praktizieren wir auch forschend, wie mit unserer im letzten Jahr erschienenen Publikation zu Wohnbauten der Architekten Jaretti & Luzi, die von den 1950ern bis 1970ern politisch und räumlich engagiert in Turin tätig waren.
Welche Themen und Methoden werden in Lehrveranstaltungen besonders in den Fokus rücken?
Ich verstehe die Bauformenlehre als Werkstatt, in der Bauformen aus verschiedenen Blickwinkeln in vielfältigen Sichtweisen und Formaten reflektiert und Haltungen - gestaltend, konstruktiv, oköintegrativ und gesellschaftlich – entwickelt werden. Bauformen betrachten wir einerseits ganz nah am Bauen und gleichzeitig aus der Distanz als Teil einer komplexen Welt im Verbund, deren »Konglomerate Ordnungen« wir untersuchen wollen.
Jedes Semester widmet sich schwerpunktmäßig einem übergreifenden Thema, um als Entwurfsstudio einen facettenreichen Kosmos aufzuspannen, mit Neugier Unerschlossenes zu entdecken und zu verstehen, wie wir durch neue Zusammenhänge Mehrwert herstellen können. Mit dem gemeinsamen thematischen Fokus stehen die Arbeiten der Studierenden in Beziehung zueinander und ermöglichen Querbezüge. Das Studio wird zum Campus und schafft ein Bewusstsein für Prozesse, Kriterien und Bedingungen beim Entwerfen.
Wie gestalten Sie Ihr erstes Semester?
In Weimar und am Bauhaus lag es nahe, Henry van de Velde zu reflektieren – jedoch nicht aus kunsthistorischer Perspektive, sondern als gegenwärtige Reflexion des Gesamtkunstwerks, mit Entwerfen und Bauen als kollektiven, möglichst inklusiven Prozess zum Einbinden und Vermitteln verschiedener Interessen.
In diesem Semester arbeiten wir am Haus Hohe Pappeln in Weimar, um das Gebäude und den Garten weiterzubauen, den Bestand zu fördern und zu fordern. Die Studierenden können unweit des Campus direkt vor Ort arbeiten, um sich das Haus mit Aufmaßen, Zeichnungen und Modellen anzueignen. Mit dem gegenwärtigen Bewußtsein für Bestandstransformation untersuchen wir diese Umgebung in mehreren Entwurfsmodulen und Seminaren als »Wachsendes Haus«, um zu spekulieren, wie wir bestmögliche Bedingungen für »adaptive reuse« entwerfen können. Dies testen wir auch direkt mit baulichen Interventionen vor Ort, um das Haus tatsächlich wachsen zu lassen und in Kooperation mit der Klassik Stiftung als Design+Build Projekt real umzusetzen. Wir erweitern einen bestehenden Schuppen, um das Haupthaus um Nebenräume zu ergänzen und unterstützen den Garten mit kleinen infrastrukturellen Follies und Miniaturen.
Wir sehen den Bestand, auch und gerade im Denkmalschutz, als erneuerbare Energie, die es zu qualifizieren, zu ertüchtigen, weiterzubauen und kritisch zu hinterfragen gilt. Letztendlich bietet er uns die Möglichkeit, als Umweltgestalter Verantwortung zu übernehmen.