
»Die Weimar-Bubble unbedingt auch mal verlassen!«
Ein Lehrprojekt, das in der vorlesungsfreien Zeit stattfindet? Ungewöhnlich. Zudem in Potsdam, nicht in Weimar? Spannend. Das wollten wir uns genauer anschauen. Soeben ist die Doppelausstellung »UNBOXING BAUHAUS« mit einer Finissage erfolgreich zu Ende gegangen und die Beteiligten können sich um viele Erfahrungen reicher schätzen. Wir haben nachgefragt, wie es zu diesem Projekt kam.
Das Ganze begann noch vor dem Sommersemester 2025, als Florian Hesselbarth, künstlerischer Mitarbeiter an der Professur für Kunst und sozialer Raum, von den Potsdamer Kurator*innen Mike Geßner und Sophia Pietryga eine Anfrage erhielt. Ob er nicht nicht mit Bauhaus-Uni-Studierenden in der brandenburgischen Hauptstadt ausstellen wolle. Der Vorschlag: eine Doppelausstellung in den beiden sehr präsenten Kunstvereinen Kunstraum und KunstHaus im Sommer. Ein ambitionierter Plan und auch für die Kurator*innen eine Premiere.
Die Antwort war klar und Hesselbarth organisierte das Lehrprojekt für das Sommersemester. Von Anfang an hatte die Idee, die Visuelle Kommunikation für die Ausstellungskommunikation mit ins Boot zu holen. Masihne Rasuli, künstlerische Mitarbeiterin der Professur Bild-Text-Konzeption zögerte keine Sekunde, als sie die Anfrage als Co-Lehrende erhielt – sie ist spezialisiert auf die Erarbeitung starker, angewandter Kommunikationsformate. Neben ihr kamen drei Studierende der Visuellen Kommunikation mit an Bord.
In den folgenden Semesterveranstaltungen entwickelte die Gruppe Ausstellungskonzepte und stellte Überlegungen zu neuen Arbeiten an, die die Potsdamer Raumsituation aufgriffen. Die Studierenden lernten auch, logistische und Marketingfragen anzugehen oder sich um Finanzierungslücken zu kümmern. Kunstpraxis pur. Die Studierenden der Visuellen Kommunikation waren bei allen Kursveranstaltungen dabei und entwarfen Konzepte für den Titel und die visuelle Identität der Ausstellung. Oft mussten sie dafür den konstruktiven, aber auch herausfordernden Dialog suchen. Gelohnt hat es sich: so entstand für »UNBOXING BAUHAUS« das sehr frische und zeitgemäße Erscheinungsbild. Neben Formaten wie Plakaten, Flyern und Animationen konzipierten sie Vorschläge für Merchandise-Artikel: Die Bauhaus-Shirts mit ironischen Aufdrucken mutierten zum Verkaufserfolg auf der summaery2025.
Fotos: Jannis Uffrecht und Masihne Rasuli
Vor Ort im Juli begann dann die eigentliche Arbeit. Eine Ausstellung an spezifische Bedingungen in einem neuen Raum anzupassen, erfordert viel Hartnäckigkeit und Energie, zumal in einem größeren Team. Der Prozess war intensiv und fordernd, aber absolut lohnenswert. Besonders die zweite Ausstellungsräumlichkeit, der Kunstraum, ermöglichte ganz andere Dimensionen für künstlerische Arbeiten als die Spaces an der Bauhaus-Universität Weimar. Hier wurden während einer zehntägigen Residency Arbeiten direkt vor Ort geschaffen, die vom Raum inspiriert wurden und dort eine starke Wirkung entfalteten.
Beispielsweise fertigte Fridtjof Knospe die Malerei »Potsdamer Dampfhammer« an, die eine komplette Wand im Kunstraum füllte. Die nötige Papierbahn von zwölf Meter Länge und viereinhalb Meter Höhe setzte er aus tausenden Buchseiten zusammen, auf denen er anschließend mit selbst hergestellter Farbe malte. Hauke Scholz nutzte in seiner Arbeit »visual merchandising« Raufasertapete als Material, mit der an mehreren Stellen im Kunstraum lebhafte Texturen erzeugte. Eine gute Erfahrung war aber auch, bereits existierende Werke zu integrieren: So zeigte Eunsae Lee mit »Nature_404« eine Arbeit, die bereits bei der Weimarer Winterwerkschau 2025 zu sehen war, für die sie aber im Kunstraum eine neue Form der Präsentation entwickeln konnte. Auch der erneut installierte Buchmessestand aus Leipzig – eine fiktive U-Bahn-Station mit Direktverbindung von Potsdam nach Weimar – stellte sich als tolles Zentrum der Ausstellung heraus und wurde von den Gästen gern als Ruhe- und Versammlungsort genutzt.
Fotos: Masihne Rasuli
Die beiden Lehrenden Florian Hesselbarth und Masihne Rasuli ziehen Fazit: »Natürlich war der zehntägige Schaffensprozess anstrengend, denn neben dem Aufbau mussten auch noch Aufgaben wie Plakatieren, Dokumentieren und das Vorbereiten der Vernissage erfüllt werden. Die Studierenden haben dies aber durch ausgezeichnete Teamfähigkeit gemeistert und sich die ganze Zeit wunderbar gegenseitig unterstützt. Neben Erfahrungen innerhalb eines professionellen Ausstellungsumfeldes nehmen die Studierenden die Erkenntnis mit, dass durch gute Teamarbeit, Verbindlichkeit und sorgfältige Organisation auch Projekte in dieser Größenordnung erfolgreich zu bewältigen sind.«
Fotos: Masihne Rasuli
Die Resonanz gibt ihnen recht: Beide Vernissagen waren ausgesprochen gut besucht, das Feedback der Gäste durchweg positiv. Die Kurator*innen berichteten, dass auch während des normalen Ausstellungsbetriebs außergewöhnlich viele Besucher*innen »UNBOXING BAUHAUS« sehen wollten. Die lokalen Medien berichteten in zwei Artikeln lobend über den »Besuch aus Weimar«, die Märkische Allgemeine Zeitung sogar in einer ganzseitigen Reportage.
»Für uns war das vierwöchige Gastspiel in Potsdam ein großartiges Sichtbarkeitsprojekt für die Kunst- und Design-Lehre der Bauhaus-Universität Weimar. Wir konnten uns erfolgreich ein neues Publikum erschließen und unser Netzwerk erweitern«, resümieren Hesselbarth und Rasuli. Letztere bekräftigt: »Ich werde nicht müde, den Studierenden zu predigen: Verlasst die Bubble Weimar auch mal! Denn dies Bubble verlassen heißt, sich Komfort zu versagen und sich fremder Kritik und Reaktionen auszusetzen. Es heißt auch, sich Gedanken über die Kommunikation der eigenen Arbeit zu machen, die nicht vertraute Zielgruppen miteinschließt. Es heißt, respektvoll zu kommunizieren und Empathie zu zeigen, aber auch die eigene Haltung bestimmt zu vertreten. Mit diesem Balance-Akt sollte man sich bereits während des Studiums vertraut machen, denn man wird ihn im Umgang mit Publikum immer wieder bewältigen müssen. In unserem Fall hieß es, tolle Räume und Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich in Weimar so nicht bieten. Gleichzeitig haben wir uns selbst und unsere Marke hinterfragt. In Weimar haben wir ein differenziertes Bild vom Bauhaus inklusive Unterscheidung von historischem Bauhaus und Bauhaus-Universität. Anderswo existieren teilweise klischeehafte Vorstellungen von unserer Ausrichtung, bzw. ist der Mythos des historischen Bauhauses einfach präsenter. UNBOXING BAUHAUS hat gut Stellung bezogen, indem wir kommuniziert haben: Wir sind nicht die Bauhäusler, aber wir sind Bauhaus-Studierende.«
Fotos: Jannis Uffrecht
Lehrende:
Florian Hesselbarth
Masihne Rasuli
Ausstellende:
Lilly Braatz, Denise Blickhan, Harry Copas, Ferdinand Golz, Luisa Hörning, Fridtjof Knospe, Eunsae Lee, Kyuhee Lee, Enrico Leppla, Jakob Elias Meyer, Jakob Nickels, Kaya Leonie Pilsner, Sina Robering, Till Röttjer, Hauke Scholz, Claudius Seiter, Rio Usui
Visual Identity:
Ames Grund, Ossian Osborne, Lilli Sörries
Messestand by:
Bruno Domingos, Johannes Fest, Pauline Kuritz, Bennet Nielke, Sina Robering, Hauke Scholz, Denise Sawade, betreut von Florian Hesselbarth