Der ehemalige Gefängniskomplex Bijlmerbajes – Beispiel für die Definierung eines unbequemen Erbes durch Akteure der Stadtentwicklung

Jolande Kirschbaum, Bachelor-Thesis 2019

Im Süden von Amsterdam liegt ein spätmoderner Gefängniskomplex, der nicht nur städtebaulich prägend ist, sondern vor allem als einmaliges Zeugnis der Reformen im niederländischen Strafvollzugswesen gelten kann. Der humanistische Entwurf geht auf das Ehepaar Pot-Keegstra zurück und wurde 1978 eröffnet. Seit Ende 2018 wird das gesamte Areal zum Wohnviertel transformiert. Dabei steht zur Diskussion, was von diesem interessanten, aber aufgrund seiner Architektur und ursprünglichen Funktion als unbequem wahrgenommenen, Bijlmerbajes-Erbe erhalten werden soll.

Die Arbeit geht der Frage nach wer dieses Erbe definiert. Die Aushandlung des kulturellen Erbes während des Planungsprozess wurde analysiert, indem die zentralen Akteure, ihre Positionen zum Erbe und dazugehörige Gründe untersucht, porträtiert und miteinander verglichen wurden. Schließlich wurde über die erfolgte Auswahl des Erbes, im Abgleich mit der eigenen Recherche zu den Besonderheiten des Ortes, resümiert. 

Der hohe Entwicklungsdruck und die Unerfahrenheit im Umgang mit dem unbequemen Erbe (vor allem der Nachkriegsmoderne) führten zu einem relativ flexiblen und offenen Verfahren. Diese Herangehensweise überlässt dem Projektentwickler letztendlich die Entscheidungshoheit über das Erbe. Die öffentliche Hand, zivilgesellschaftliche Gruppen und die öffentliche Meinung (hier widergespiegelt durch die Presse) nehmen hingegen kaum Einfluss auf die Definierung. So entsteht eine fragwürdige Auswahl des Gefängniserbes, die insbesondere die Reformideen des Bijlmerbajes nicht angemessen kommuniziert.

Betreuung:
Vertr.-Prof. Dr. phil. habil. Eva von Engelberg-Dočkal, Professur Theorie und Geschichte der modernen Architektur
Dott. Mag. Piero Sassi, Professur Raumplanung und Raumforschung