Radiogespräch

„Wer nimmt wahr und wie wahr ist, was wir wahrnehmen?“

Die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Radiogespräche“ des Lehrstuhls für Experimentelles Radio (Prof. Nathalie Singer) wird fortgesetzt. Im Rahmen des Projektes „Mental Radio“ lädt am 22. Oktober der einflussreichste deutsche Hirnforscher Prof. Dr. Wolf Singer zu einem Vortrag über die weltanschaulichen Konsequenzen der neurowissenschaftlichen Forschung.

„Wer nimmt wahr und wie wahr ist, was wir wahrnehmen?“ Warum klaffen Selbsterfahrung und Intuition so auseinander mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über sie?

Wolf Singer wird in seinem Weimarer Vortrag untersuchen, inwieweit hier tatsächlich ein Widerspruch vorliegt oder, ob auch vermittelnde Sichtweisen vorstellbar sind. Dabei wird er das Problem hinterleuchten, dass wir keine Vorstellung von der Funktionsweise unseres Gehirns haben: „Wir nehmen wahr, was unsere Sinnessysteme dem Bewusstsein präsentieren und gehen davon aus, dass uns die Welt so abgebildet wird, wie sie in „Wirklichkeit” ist. Die vorgeschalteten Verarbeitungsprozesse bleiben für uns jedoch im Verborgenen“, so Singer.

Der »Denker des Denkens« (DIE ZEIT) wird in diesem Vortrag die großen Linien seiner Forschung darlegen: von der Funktionsweise des Gehirns bis zu den Einflüssen der Umwelt auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. Wie Erziehung und andere soziokulturelle Faktoren die Strukturen und Verschaltungen in unserem Gehirn entscheidend prägen – auch dies wird Gegenstand des Vortrags sein.

Wolf Singer

ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main. Für seine international rezipierten Arbeiten und sein öffentliches Engagement erhielt er zahlreiche Ehrungen. Er zählt zu den weltweit führenden Hirnforschern und erlangte unter anderem durch die so genannte „Freie-Wille-Debatte“ große Bekanntheit. Mit seiner These, dass die Willensfreiheit des Menschen eine Illusion sei, sorgte Wolf Singer für eine lebhafte Diskussion in den Medien. Sein neuestes Buch „Hirnforschung und Meditation“ ist ein Dialog mit einem buddhistischen Mönch über die Beziehung zwischen Hirnforschung und Bewusstseinstraining.

Der Vortrag von Wolf Singer ist eine Veranstaltung der Professuren Experimentelles Radio und Gestaltung medialer Umgebungen. Im gemeinsamen Projekt „Mental Radio“ soll dieses Semester eine Brücke zwischen den Ursprüngen des Radios und neuen Formen der Medienkunst geschlagen werden. Enge Verknüpfungen zwischen dem menschlichen Hirn und radiotypischen Begriffen wie Schwingung, Frequenz oder Resonanz wurden bereits zu Beginn des 20ten Jahrhunderts hergestellt. Die aktuelle Entwicklung in der Hirnforschung nutzt Hirnaktivität inzwischen zur Steuerung von Robotern als elektrische Schaltzentrale, Radar und Radio Station.

Termin: Mittwoch, 22. Oktober 2008 um 19 Uhr

Ort: Audimax der Bauhaus-Universität Weimar, Steubenstraße 6