Charlotte Bolwin

Projekttitel

Faltungen: Digitale Ästhetik jenseits der Immaterialität. (Neo-)materialistische Perspektiven auf zeitgenössische Medienkunst (AT)

Projektbeschreibung

Ziel des Dissertationsprojektes ist es, die Relevanz materieller Körper, Infrastrukturen und Prozesse für eine digitale Gegenwartsästhetik aufzuzeigen, die sich in rezenten medienkünstlerischen Entwürfen einsehen lässt. Untersucht wird dazu ein Korpus von ästhetischen Arbeiten, die sich mit der digitalen Rekonstruktion ‘natürlicher’ Milieus – also mit mineralischen und vegetabilen sowie organischen Strukturen – befassen. Entlang dieser zeigt mein Projekt, dass die digitale ‘Naturästhetik’, die hier Konturen gewinnt, als ein komplexes Gefüge aus ökologischen und technischen Milieus zu verstehen ist, in dem nichtzuletzt die Grenzen zwischen Analogem und Digitalem beständig verschoben werden und sich verschränken. Dies zeigt sich gleichermaßen auf inhaltlich-motivischer Ebene wie hinter den Oberflächen der digitalen Phänomene in deren technischen Tiefenstruktur, die von medienästhetischen Interfaces wie Screens und Monitoren über Datenströme und Infrastrukturen bis zu den konkreten materialen Grundlagen digitaler Kunstpraxis und -erfahrung – also beispielsweise Rohstoffe und Stoffkreisläufe – reicht.
Aus einer derartigen Erweiterung der Perspektive auf digitale Kunst wird auch die Möglichkeit einer Kritik derselben möglich, wo sich Künstler:innen einerseits der politisch-ethischen Agenda von Eco Criticism und Anthropozän verschreiben, andererseits aber Kunstwerke produzieren, für deren digitalmediale Grundlage aber in Produktion und Rezeption eine Vielzahl von (sichtbaren und unsichtbaren) Ressourcen aufgewendet werden müssen. In einer neomaterialistischen Relektüre von theoretischen Positionen zu digitaler Ästhetik, die mit der Betrachtung ausgewählter gegenwartskünstlerischer Phänomene in Dialog gebracht wird, will die Studie anhand konkreter Gegenstände zeigen, dass digitale Ästhetiken stets in materielle Ökologien eingefaltet ist, dass digitale Ästhetiken also nur im Bezug zu materiellen, d.h. nichtzuletzt analogen Agentialitäten zu denken sind, und sich somit auch eine digitale ‚Naturästhetik‘ nicht unter Prämissen von Virtualität und Immaterialität denken lässt, sondern nur entlang materialer Zusammenhänge.

Vita

Charlotte Bolwin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Digitale Kulturen (Jun.-Prof. Dr. Sabine Wirth) an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar und Doktorandin des DFG-Graduiertenkollegs "Medienanthropologie". Sie studierte Kulturwissenschaft (M.A.) an der Humboldt Universität zu Berlin sowie Komparatistik, Publizistik und Mediensoziologie an der Freien Universität Berlin und an der Sorbonne Université Paris. Von 2016 bis 2018 war sie wissenschaftliche Hilfskraft am Exzellenzcluster "Bild Wissen Gestaltung“ und am Lehrstuhl für Kultur- und Technikgeschichte (Prof. Dr. Christina Vagt / Prof. Dr. Petra Löffler) der Humboldt-Universität zu Berlin.

Publikationen

Bolwin, Charlotte: Rezension zu: „Cecilia Preiß (2021): Kunst mit allen Sinnen. Multimodalität in zeitgenössischer Medienkunst", in: MEDIENwissenschaft 2022/3.

Bolwin, Charlotte; Claus, Jakob; Schuppli, Susan: „On Cold Matters and Relations of Critical Proximity", in: Publikation zum Workshop"Records of Disaster. Infrastrukturen und materielle Zeugen des Klimawandels" (Universität Oldenburg), meson press 2022 (im Erscheinen).

Bolwin, Charlotte: „Esquisses d’une théorie des médias onto-esthétique: Images techniques selon Vilém Flusser", Appareil Issue Vilém Flusser: La technique et les médias à la croisée des disciplines. Edition 1/2022 (im Erscheinen).

Bolwin, Charlotte; Brannys, Maria; Polze, Anna: „Ästhetisch-epistemische Grenzobjekte. Transversale Konfigurationen im Ausstellungsraum", in: ffk-Journal 7, Avinus, Hamburg 2022.

Bolwin, Charlotte: Rezension zu: „Kim Knowles (2021): Experimental Film and Photochemical Practices", in: Zeitschrift für Medienwissenschaft ZfM.

Bolwin, Charlotte: Rezension zu: „Katia Schwerzmann (2020): Theorie des graphischen Feldes", in: Zeitschrift für philosophische Literatur – ZfphL. 9.1 (4/2021), S. 67–76.

Bolwin, Charlotte: „Der Körper als Erinnerungsort. Zum Kulturerbe performativer Künste". Berliner Museums Journal 1/2020, Berlin 2020.

Vorträge, Workshops und Veranstaltungen

„Arbeit und technische Existenz bei Gilbert Simondon" – Vortragspanel mit Shirin Weigelt und Moritz Riemann, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft zum Thema „Arbeit", Universität Halle, 30.9.2022.

„natur:kultur:technik:kunst“ Gespräch und Diskussion mit Dr. Hanna Hamel, Moritz Gansen, Dr. Katharina Hoppe im Rahmen der Diskursreihe neue:theorie (zusammen mit Shirin Weigelt und Max Walther), IDEAL Art Space, Leipzig 16.6.2022.

„Kritik der Relationen“ Tagung der Promovierenden des Graduiertenkollegs Medienanthropologie, Bauhaus-Universität Weimar / Galerie Eigenheim Weimar, 12.-14.5.2022.

„Susan Schuppli: Ice Cores (2019) – Screening, Gespräch und Diskussion" (gemeinsam mit Jakob Claus), im Rahmen des Workshops "Records of Disaster. Infrastrukturen und materielle Zeugen des Klimawandels", Institut für Kunst und visuelle Kultur der Universität Oldenburg, Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Oldenburg 29.–30.4.2022.

„Drehmomente. Ginan Seidls SPIN zwischen Essay und Experiment", im Rahmen der Filmreihe Medienanthropologie, GRK Medienanthropologie, Bauhaus-Universität Weimar) 24.11.2021.

Artist Talk mit Ginan Seidl und Ben Russell (im Rahmen der Videokunstausstellung „paradoks – an den Rändern des Dokumentarischen"). Alte Spinnerei Leipzig, 24.10.2021.

„Inter-intra-infra: Eine Wissensökologie des Da/zwischen aus medienanthropologischer Perspektive" – Vortragspanel (gemeinsam mit Charlotte Brachtendorf, Maria Brannys, Gabriel Geffert, Martin Kallmeyer, Hannah Peuker, Gereon Rahnfeld, Max Walther und Shirin Weigelt), Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft zum Thema „Wissensökologien". Universität Innsbruck, 23.9.2021.

„Nach der Natur. Visuelle Ökologien in der Medienkunst des Anthropozän", im Rahmen der Vorlesung Ästhetik des Anthropozän (Prof. Dr. Maria Muhle), Akademie der Bildenden Künste München, 10.6.2021.

„Ästhetisch-epistemische Grenzobjekte. Audiovisuelle Konfigurationen im Ausstellungsraum", Vortragspanel mit Maria Brannys und Anna Polze im Rahmen des 34. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquium, Bauhaus-Universität Weimar, 23.3.2021.

Lehre

What do plants have to say?" (gemeinsam mit Max Walther)
Hochschule für bildende Künste Braunschweig, WiSe 2022/23

Analog – elektronisch – digital: Theorie und Ästhetik technischer Bilder"
Akademie der bildenden Künste München, WiSe 2021/22

Mitgliedschaften

Gesellschaft für Medienwissenschaft
Deutsche Gesellschaft für Ästhetik