Charlotte Bolwin

Bio:

Charlotte Bolwin (M.A.) studierte Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften in Berlin und Paris. Während des Studiums arbeitete sie am Lehrstuhl für Kultur- und Technikgeschichte des Kulturwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin; nach dem Studium absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat. Seit 5/2020 ist sie Doktorandin des DFG-Graduiertenkollegs „Medienanthropologie“ an der Bauhaus-Universität Weimar; seit 9/2023 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Digitale Kulturen bei Jun.-Prof. Dr. Sabine Wirth.


Dissertationsprojekt:


Digitale Natur/ästhetik. Bilder – Materialitäten – Konzepte (Arbeitstitel)

Die Natur steckt in der Krise. Im Kontext von Anthropozän-Diskurs und anthropogenem Klimawandel sind „natürliche“ Milieus begrifflich wie faktisch prekär geworden. Angesichts der ökologischen Krise des Planeten und zunehmender Technisierung im Zeichen des Digitalen sieht sich auch das moderne Leitkonzept der Natur – als klassischer Gegenpol zu Kultur, Technik oder Kunst – in Frage gestellt. Parallel zu dieser Entwicklung lässt sich im zeitgenössischen Kunstfeld eine intensive Auseinandersetzung mit organischen Formen und den Substanzen, mit stofflichen Entitäten und ökologischen Milieus sowie mit dem Konzept der „Natur“ beobachten. Eine besondere Zuspitzung erfährt dies in der zeitgenössischen Medienkunst: Auf der Grundlage digitaler Informationstechnologien und algorithmischer Verfahren entwerfen Künstler*innen hier seit einigen Jahren digitale Naturästhetiken, die in Form von Videos, mehrkanaligen Installationen und großformatigen Environments präsentiert werden. Die Medienästhetiken derartiger Projekte werfen einerseits kunst- und bildgeschichtliche Fragen auf – beispielsweise nach den Remediationen vergangener Medienästhetiken unter digitalmedialen Bedingungen –; darüber hinaus lassen sich aber auch konzeptuelle Verschränkungen zwischen „Natur“, Technik und Ästhetik bzw. Kunst ausmachen. Auch sind diverse Übergänge zwischen ästhetischen und epistemischen Praktiken zu verzeichnen – beispielsweise, wenn Medienkünstler*innen mit den Beständen von naturkundlichen Archiven arbeiten oder in ihren Projekten auf spekulative Weise neue Konzepte von Materialität und Organizität entwickeln. Nichtzuletzt verweist die motivische Virulenz der „Natur“ in der zeitgenössischen Medienkunst auf die ökologischen Dimensionen digitaler Medienkulturen und -ästhetiken, die sich – von seltenen Erden und Hardware-Komponenten bis zum Stromverbrauch von Cloud Computing und „Big Data“ – auf Extraktion und ressourcenintensive Prozesse stützen. Vor diesem Hintergrund setzt mein Dissertationsprojekt dazu an, die digitalen Naturästhetiken zeitgenössischer Medienkunst theoretisch zu qualifizieren und kritisch zu diskutieren. Betrachtungsgegenstand ist ein exemplarischer Korpus von digitalen Kunstprojekten, die zwischen 2018 und 2023 entstanden sind.