Von unaufhaltsamen Siegeszügen und Perspektiven auf ein neues Hinhören
Die Zukunft des Radios kann sehr unterschiedliche Facetten haben und wirft man einen Blick auf jüngste sowie bevorstehende Aktivitäten rund ums Experimentelle Radio, wird offenkundig, dass diese mit einer stetig wachsenden Öffentlichkeit diskutiert wird und dass das Experimentelle Radio hierbei vorne mitmischt:
Der unaufhaltsame Siegeszug des Hörspiels Das Radio ist nicht Sibirien von Rafael Jové wird vorläufig seinen Höhepunkt in einer Live-Aufführung in der altehrwürdigen Akademie der Künste in Berlin erreichen, wenn es am 8. März live gesprochen von Bernd Moss (Schauspieler am Deutschen Theater Berlin) samt Brechtscher Hörerbeteiligung im RBB über den Äther geht. Im besten Falle wird jene Figur des Tacheles redenden Hagen Pollaschek für ähnlich bare Münze gehalten wie Orson Wells Krieg der Welten als es 1938 gesendet wurde und von New York bis nach New Jersey die Bevölkerung in Panik versetzte mit dem kleinen Unterschied, dass wir es im Falle von Das Radio ist nicht Sibirien nicht mit einer Invasion von Außerirdischen, sondern einer unmissverständlichen Abrechnung über das vielerorts dauerberieselnde Kulturradio zutun haben. Radio Zukunft Tage der Audiokunst heißt passenderweise auch der Kontext, in dem es aufgeführt wird: Vier Tage Radio-Zukunft in der Akademie der Künste sind wissenschaftliches Symposium und Künstlerwerkstatt, mit Live-Performances und Audio-Lounge und vor allen Dingen eine Bestandsaufnahme des Umbruchs, in dem sich die akustischen Erzählformen derzeit befinden.
Der vierte Symposiums-Tag (kuratiert und organisiert von der Hans-Flesch-Gesellschaft sowie der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten) wird ganz im Zeichen der Schnittmuster der Wirklichkeit stehen.
Moderiert von Andreas Feddersen, künstlerischer Mitarbeiter am Experimentellen Radio, werden Techniken der Weltwahrnehmung in Wissenschaft und Kunst im Mittelpunkt stehen.
Wie vergangenes Hören heute vorstellbar ist und wie der Versuch aussieht bzw. aussah, Grenzen auszuloten, über sie hinaus zu denken - dies alles soll mit sowohl künstlerisch produzierenden als auch wissenschaftlich analysierenden Gästen diskutiert werden.
Ähnlich medienreflexiv ging es für Nathalie Singer, Professorin am Experimentellen Radio, Anfang Februar auch bei ihren Präsentationen auf der Berliner Transmediale sowie dem sonOhr Hörfestival im Kunstmuseum Bern zu. Ihr Vortrag, ein Plädoyer für das Experiment im Radio, stieß bei den Festivalteilnehmern, größtenteils aus der freien Hörspielszene, auf großes Wohlwollen. Das sonOhr Hörfestival begreift sich als Plattform für Diskussionen und zur Präsentation von Hörspielen, Radio-Reportagen und -Features abseits des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Berner Zeitung berichtete über das Festival und den Vortrag.
Und wie wäre es um die Zukunft des Radios bestellt, wenn Produktionen, die am Experimentellen Radio entstanden sind, nicht auch außerhalb der Sender eine Daseinsberechtigung hätten? Das Stück »Großvaters Haus oder ein Winkel der Welt«, eine O-Ton-Collage über Erinnerungen an Häuser von Großeltern von Maria Antonia Schmidt und Elena Zieser wurde nicht nur zum internationalen Prix Pierre Schaeffer nominiert und vom SWR ausgestrahlt, sondern ist noch bis zum 22. März in der Ausstellung YEA Young Erfurt Artists im Kunsthaus Erfurt samt großelterlichem Mobiliar zu erleben. Das Kunsthaus Erfurt in der Michaelisstr. 34 engagiert sich seit seiner Gründung für die Förderung junger, zeitgenössischer Kunst.
So sehr sich das Radio und ganz besonders die akustische Kunst in ihrer bisher dramatischsten Umbruchsphase befinden mag - egal, welche Erzählungen konstruiert, welche Inhalte inszeniert und welche Erzählweise sich im technologischen Wandel konstituiert das Experimentelle Radio in Weimar mit seinen Produktionen, seinen Studierenden und Mitarbeitern liefert hierfür Perspektiven auf ein neues Hinhören und einen sehr lebendigen Ort der Diskussion.
Weiterführende Informationen und Programm zu Radio Zukunft Tage der Audiokunst: www.adk.de