Carolin Höfler

Verdämmernde Räume. Verhandlungen zwischen Substanz und Täuschung

Mit zunehmender Digitalisierung der Entwurfsprozesse scheint das Verhältnis zwischen Architektur und Bildlichkeit von einem Widerspruch geprägt zu sein: Je umfassender die Prozesse der Formbildung in berechenbare, transparente Vorgänge verwandelt werden, desto stärker gewinnt das Diaphane als bildliche Qualität an Bedeutung. Es sind vor allem technisierte und digitalisierte Ausstellungsarchitekturen, die den traditionellen Dualismus von Transparenz und Opazität zu überwinden suchen: Mit fluiden Formen, flüchtigen Materialien und wandelbaren Konstruktionen, die allesamt auf logischen Kalkulationen beruhen, werden intuitiv anschauliche Bildwelten des Verschwommenen, Unscharfen und Vagen in Szene gesetzt. Experimentelle Installationen und immersive Umgebungen, in denen Räume, Körper und Oberflächen verschmelzen, durchkreuzen die Vorrangstellung der freien Sicht, die programmatisch für Ausstellungsbauten gilt. Durch Vernebelung, Verschleierung und Überstrukturierung wird ein materieller, atmosphärisch übersättigter Raum geschaffen, der sich mit Blicken kaum erschließen lässt, dafür andere Sinneswahrnehmungen wie Hören, Riechen und Tasten aktiviert.

Der Vortrag möchte einen Anstoß geben, alternative Verknüpfungen von Architektur und Bildlichkeit zu entwickeln, die sich weniger auf die Wahrnehmung der Zeichenhaftigkeit von Architektur als vielmehr auf körperhafte Bilderfahrungen im Raum beziehen. In der digitalisierten Gegenwart wird diese Art der Bildwahrnehmung interessanterweise durch die transparente Modellierung informationeller Prozesse hervorgebracht. Diskutiert wird das Diaphane als ein Aspekt der Bildlichkeit zeitgenössischer Architektur vor der Folie kritischer Raumtheorien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die einem allzu optimistischen Transparenz- und Durchdringungsdenken misstrauen. Hierbei werden Überlegungen von Otto Friedrich Bollnow, Henri Lefebvre und Michel Foucault zu Räumen der Unsichtbarkeit und des Kontrollentzugs ebenso einbezogen wie Fredric Jamesons Ausführungen zum tiefenlosen, schwindelerregenden hyperspace als Inbegriff spätkapitalistischer Räumlichkeit.