UNclean plastics

Felix Stockhausen und Friedrich Gerlach in gelben Schutzanzügen mit Arbeitsmasken

»Die etablierten Wege des Wirtschaftens und der Produktion werden seit einigen Jahren zunehmend in Frage gestellt. Themen wie Suffizienz, Ressourcenreduktion und Kreislaufökonomie sind Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Debattiert wird auch über die Vermeidung von Kunststoffmüll, da dieser in der Natur nicht organisch abgebaut werden kann. Riesige Mengen an Plastikmüll landen auf Mülldeponien und in den Meeren. Der Abbau von Polypropylen benötigt in der Natur mehr als 400 Jahre. Das verbleibende Mikroplastik schädigt das Leben im Meer und andere Organismen. Zuletzt entwickelte sich spürbar ein öffentliches Bewusstsein für die ökologische Tragweite.

Seit Anfang des Jahres 2020 ist das globale gesellschaftliche Leben allumfassend geprägt von der Covid-19-Pandemie. Die Bekämpfung dieser medizinischen Ausnahmesituation fordert ihre Preise. In der akuten gesundheitlichen Notlage ist höchstmögliche Prävention und Sicherheit zu gewährleisten. Damit verbunden, scheint die Einwegnutzung von Hygieneartikeln wie Gesichtsmasken aus Polypropylen alternativlos. So führt deren weltweite Produktion und der Verbrauch auf Grund der derzeitigen Pandemie zu einem zusätzlichen Abfallaufkommen von mehr als 584 Millionen Tonnen pro Jahr (1). Dies steht in krassem Gegensatz zu Ideen von Recycling und Plastikmüllreduktion. Die bisherigen Bemühungen, die Verwendung von Einwegprodukten zu minimieren, haben eine geringe Priorität und sind dementsprechend schwerfällig. Angesichts voranschreitender Umweltzerstörung sind sie dennoch notwendig.

›UNclean Plastics‹ greift dieses gesellschaftlich hoch relevante Thema auf und fordert eine kritisch-gestalterische Auseinandersetzung mit dem aktuellen Umgang mit Ressourcen ein. Das Projekt konzentriert sich auf die Verbrauchs- und Kreislaufketten von Covid-19-Schutzprodukten wie FFP2-Masken. Ziel ist es, neue, auf additiven Fertigungsverfahren basierende Ansätze zu entwickeln. Diese zielen einerseits auf eine verbesserte Aufbereitung nach der Nutzung ab, sowohl die Abfallmengenreduktion als auch das Recycling werden erleichtert. Anderseits wird eine bewusste gestalterische Intervention angestrebt, um die psychologische Charakteristik der Produkte und damit das Konsumentenverhalten nachhaltig und gemeinwohlorientiert zu beeinflussen.

Diesem Ziel wird sich durch Materialforschung und das Experimentieren mit verschiedenen Extrusionsverfahren angenähert. In diesem Zuge wurde die Herstellung von konsistentem 3D-druckbarem Filament angestrebt. Verschiedene Filamente mit unterschiedlichen Verhältnissen von recyceltem Polypropylen aus gebrauchten oder bei der Produktion aussortierter Masken und reinem Polypropylen wurden getestet und für den 3D-Druck verwendet. Der Erhitzungsprozess stellt sicher, dass mögliche Covid-19 Viren abgetötet werden und ein dekontaminiertes Material weiterverwendet wird.

Ein symbolisches Ergebnis des Projekts stellt die Entwicklung einer Monomaterial-Zahnbürste dar, welche additiv aus recyceltem Polypropylen produziert werden kann. Sie wird in einem Stück, einschließlich der Borsten, auf einem herkömmlichen FDM-Drucker 3D-gedruckt. Die Verwendung des 3D-Drucks ermöglicht die Realisierung zweier entscheidender Charakteristiken: Feste Formen und flexible faserartige Strukturen. Das erfolgreiche Arbeiten mit 3D-Druck, einem recht komplizierten und schwierigem Verfahren, zeigt die Eignung des Materials für andere Fertigungsverfahren. Die Herstellung eines alltäglichen Produktes, wie einer Zahnbürste aus recycelten Gesichtsmasken wurde bewusst gewählt, um einen starken Kontrast zwischen kontaminiertem Abfall und einem Hygieneprodukt als Ergebnis des Recycling-Prozesses zu schaffen. Die Konfrontation regt eine Debatte über Sauberkeit und Ekel an und soll das Verbraucherbewusstsein für die Nutzung und den Wert von Ressourcen stärken.«

Wie ist das Projekt entstanden?

»Die Thematik unseres Themas ergab sich quasi von selbst auf Grund der aktuellen Relevanz und unserem Interesse an Additiven Fertigungsverfahren. Wir wollten definitiv ein Projekt machen, in dem wir selbstständig und unabhängig von den Möglichkeiten in der Universität arbeiten können. Zu Beginn startete das Projekt mit Onlinemeetings aus Barcelona und Amsterdam, da wir zu diesem Zeitpunkt noch im Auslandssemester bzw. im Praktikum waren. Schon bevor wir zurück in Weimar waren, haben wir mit der Recherche begonnen und Kontakt zu Firmen aufgenommen, von denen wir Materialien beziehen konnten. Wieder in Weimar haben wir unsere Versuche und Experimente in unserer eigenen Werkstatt durchgeführt und waren so relativ unabhängig. Unterstützt wurden wir außerdem bei einigen Schritten von den Mitarbeitern der Architekturwerkstatt, da dort ein Extruder zur Filamentherstellung zur Verfügung steht. In unserem Projekt ›UNclean Plastics‹ haben wir sehr versuchsorientiert und praktisch gearbeitet. Ein großer Schwerpunkt lag auf den Materialexperimenten und später dem 3D-Druck«

Wie hat die Zeit der Pandemie die Arbeitsweise verändert?

»Aufgrund der Pandemie haben digitale Kollaborationstools in der Projektarbeit deutlich an Relevanz gewonnen. Während vor der Pandemie fast ausschließlich analog in den Arbeitsräumen gearbeitet wurde, war man gezwungen seine Arbeitsweise anzupassen und in der Gruppenarbeit verstärkt auf Online-Tools wie Miro und Google Docs zurückzugreifen.«

Was hat in der Pandemie gefehlt und worauf fiebern Sie am meisten hin?

»In den 18 Monaten Pandemie ist ein Großteil von dem, was das Produktdesignstudium an der Bauhaus-Universität ausmacht weggefallen. Gerade das analoge Arbeiten in den Werkstätten und Arbeitsräumen sowie der Austausch mit den anderen Studierenden hat sehr gefehlt. Die Umstellung auf das Onlinestudium ist dadurch sehr schwergefallen. Die fehlenden Möglichkeiten der Uni schränken gerade beim Prototypenbau und Experimentieren sehr ein. Viele Kommilitonen, die man vor der Pandemie fast täglich gesehen hat, sah man in dem Zeitraum der Pandemie nur noch sehr selten. Dadurch haben der sonst wichtige und hilfreiche Austausch und zusätzliche Input durch andere Studierende gefehlt.

Wir freuen uns am meisten darauf, dass bald all diese Möglichkeiten wieder bestehen und der Studienalltag wieder so wird wie man ihn sich eigentlich vorstellt.«

Was bleibt?

»Gezwungenermaßen hat man während der Pandemie einige neue hilfreiche Tools und Programme kennengelernt, die auch sicherlich noch nach der Pandemie weitergenutzt werden. Zudem ist man durch die häufigen Meetings, die online stattfanden, auch sicherer im Erstellen und Halten von Präsentationen geworden.«

Felix Stockhausen und Friedrich Gerlach

Quelle: (1) Nsikak U.Benson, David E.Bassey, Thavamani Palanisami: COVID pollution: impact of COVID-19 pandemic on global plastic waste footprint, accessed 02.06.2021 DOI:https://doi.org/10.1016/j.heliyon.2021.e06343