
»Demokratie und Inklusion sind untrennbar miteinander verbunden«
Jürgen Dusel war anlässlich des Kunstfests Weimar und der Abendveranstaltung »WE CANNOT IGNORE ME/CFS« nach Weimar gekommen. Gern nahm er die Einladung der Bauhaus-Universität Weimar an, das UNESCO-Weltkulturerbe-Ensemble zu besichtigen und sich mit Universitätsangehörigen zu Inklusionsthemen und Barrierefreiheit im Hochschulkontext auszutauschen. Begleitet wurde Dusel von Liliana Kapr, seiner Assistenz, und Franziska Schönberner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit seines Büros.
Barrierefreiheit im Denkmal: Rundgang durch das Hauptgebäude
Nach der Begrüßung in kleiner Runde führte Martin Ahner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitglied der Schwerbehindertenvertretung, den Bundesbeauftragten durch das Hauptgebäude und erzählte Anekdoten aus der Geschichte des berühmten Gebäudes und gab Details zur Architektur van de Veldes zum Besten. Der Rundgang stand auch im Zeichen der Funktionalität – wieviel Barrierefreiheit erlaubt ein denkmalgeschütztes Gebäude überhaupt und welche Kompromisse sind möglich? Highlight war das Direktorenzimmer, für dessen Entstehungsgeschichte und Ausstattung sich Dusel besonders interessierte und begeistern ließ. Auch eines der Architekturateliers im zweiten Obergeschoss besichtigte die Delegation, wo Dusel die hohen geschwungenen Fenster beeindruckten.
Gesprächsrunde zu Inklusion und Barrierefreiheit an der Bauhaus-Universität Weimar
Nach dem knapp einstündigen Rundgang kam eine größere Runde zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie Inklusion und Barrierefreiheit an der Bauhaus-Universität Weimar gelebt werden und weitergebracht werden können. Am Gespräch nahmen Dr. Simon Frisch (Vizepräsident für Lehre und Lernen), Dr. Ulrike Kuch (Vizepräsidentin für gesellschaftliche Transformation), Petra Beyer (Inklusionsbeauftragte), Dr. Miriam Benteler (Diversitätsbeauftragte), Christiane Hempel (Prozessdesignerin Digitale Barrierefreiheit), Martin Ahner und Gunter Seidel von der Schwerbehindertenvertretung sowie Michaela Albrecht (Beauftragte für chronisch kranke und behinderte Studierende) teil.
Im Mittelpunkt standen Fragen der strukturellen Förderung von Inklusion, die bauliche und digitale Barrierefreiheit sowie zukünftig geplante Maßnahmen. Dusel machte noch einmal deutlich, dass Inklusion kein Randgruppenthema ist. »Etwa 13 Millionen Menschen in diesem Land haben eine Behinderung oder Beeinträchtigung. Die meisten werden nicht damit geboren, sondern erwerben diese erst im Erwachsenenalter, sehr häufig nach einer Krankheit. Es kann jede*n treffen und wir dürfen die Betroffenen nicht von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen. Die Idee von Inklusion ist unmittelbar mit dem Demokratiegedanken verbunden«, so Dusel.
Er interessierte sich insbesondere für die Inklusion fördernden Strukturen an der Universität (»Ist sie Chefsache?«) und hinterfragte, wie akzeptiert inklusive Maßnahmen in der Universitätsgemeinschaft sind. Die Teilnehmenden berichteten über konkrete Projekte und Maßnahmen in ihren Bereichen und insgesamt ergab sich durchaus ein positives Bild, wenngleich noch »Luft nach oben sei«.
Inklusion im Alltag: Beratung, digitale Barrierefreiheit und inklusive Lehrkonzepte
Miriam Benteler berichtete von zahlreichen Angeboten, die sie in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, darunter die Diversity Guides, bei denen sich Studierende im Peer-to-peer-Prinzip bei anderen Studierenden informieren können. Des Weiteren seien Webseiten, Flyer und Veranstaltungsangebote entstanden. Michaela Albrecht berichtete, dass ihre Beratung inzwischen häufig von Lehrenden angefragt wird, die wissen möchten, wie sie Lehrveranstaltungen inklusiver gestalten können. Christiane Hempel erläuterte Maßnahmen, die digitale Barrierefreiheit ermöglichten, etwa bei der Online-Lehre, und schilderte, dass sie in den anstehenden Relaunch der Universitätswebsite eng einbezogen sei – ein wichtiger Schritt. Es wurde deutlich, dass Aspekte der Inklusion so vielfältig sind wie das Leben selbst, Architektur, Sprache, Visuelle Elemente, Präsentationen, Leitsysteme – Schritt für Schritt kann die Universität die Zugänglichkeit ihrer Angebote vergrößern. So sei auch zu beobachten, dass Neurodiversität eine immer größere Rolle bei Diversitätsüberlegungen spielte. Dusel regte auch an, Recruitment-Prozesse inklusiver zu gestalten, etwa schon durch die Form der Ausschreibung oder ernsthafte Überlegungen, wie eine Person mit Behinderungen in die Arbeitswelt einbezogen werden könne. Wenn das gelänge, sei eine echte Bereicherung für die Arbeit aller möglich.
Insgesamt war Dusel positiv überrascht von der Vielzahl der an der Universität angegangenen Themen und machte deutlich, dass ein hoher Grad von Inklusion auch ein Qualitätsmerkmal für eine Institution und eine Gesellschaft insgesamt ist. »Architektur, die heute gebaut würde und die Inklusion nicht mitdenke, sei schlicht unprofessionell«, so sein Urteil. Er erinnerte daran, dass Deutschland zu den 195 Ländern gehöre, die die UN-Behindertenrechtskonvention 2009 ratifiziert hätten. »Diese ist geltendes Recht, das umgesetzt werden müsse – dies vergessen viele«, so Dusel.
Inklusion – so einer der zentralen Gedanken des Gesprächs – ist nicht allein dazu da, um behinderten Menschen das Leben zu vereinfachen, sondern für alle Menschen. Durch alltägliche Begegnungen werden Hemmungen und gedankliche Barrieren abgebaut, Freundschaften können entstehen. Nur wenn es einen Alltag gebe, in dem Barrierefreiheit und Inklusion nicht mehr als etwas Zusätzliches oder Besonderes wahrgenommen werde, sondern als etwas ganz Normales und das gemeinsame Leben »einfach so« funktioniere – nur dann könne Inklusion als wirklich gelungen gelten.
Organisiert wurde der Besuch von Dr. Katrin Richter, Stellvertretende Direktorin der Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar.

Text: Claudia Weinreich
Fotos: Matthias Eckert