Sommersemester 2005

Der Kollektive Mensch (M. Vöhringer)

Mittwochs, 9.15-10.45 Seminar, 2 SWS, 3 Credits Bauhausstraße 11, Raum 13

 

Jede Zeit entwarf ihren Neuen Menschen: die französischen Revolutionäre den „L’Homme Nouveau“, Friedrich Nietzsche den „Übermenschen“ und die Nationalsozialisten „Völkische Lichtgestalten“. Sie alle versprachen die Möglichkeit einer sowohl geistigen als auch physischen Vervollkommnung des Menschen, sei es mithilfe wissenschaftlicher, ökonomischer, sozialer oder technischer Novitäten. Im neuzeitlichen Russland entstand ebenfalls ein besonderer Menschentypus, der sich als „Kollektiver Mensch“ bezeichnen lässt und von den anderen Modellen dadurch unterscheidet, dass er statt Differenz vielfältige Einheit zwischen den unterschiedlichen Mitgliedern der sowjetischen Gemeinschaft herstellen sollte. Er wurde von Philosophen, Politikern, Künstlern und Biologen theoretisch konzipiert und in den 1920er Jahren durch die Macht habenden Sozialrevolutionäre, zumindest in Teilen, praktisch umgesetzt. Das Seminar wird untersuchen, welche Kulturtechniken ineinander greifen mussten, um die Optimierung von Körpern, Gehirnen und Erbanlagen als humanen Kollektivismus herbeizuführen. Die Beispiele umfassen solche Großprojekte wie die Elektrifizierung des Landes, die Umkehrung von Flüssen, die Raumfahrt und kleinere, geradezu geheime Aktivitäten am Institut für Gehirnforschung etwa oder am Institut für Bluttransfusionen in Moskau.

Ein Leistungsnachweis kann durch ein Referat in Kombination mit einer Hausarbeit erbracht werden.
Zur Vorbereitung empfohlen:
Nicola Lepp, Martin Roth, Klaus Vogel (Hrsg.): Der Neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhunderts. Katalog, Ostfildern-Ruit 1999.
Stefan Plaggenborg: Menschenbilder und kulturelle Praxis in Sowjetrussland zwischen Oktoberrevolution und Stalinismus, Köln u.a. 1996.

Figuren des Tiers: Emblem, Maschine, Monster, Medium, Meute (B. Siegert)

Vorlesung, 2 SWS, 3 Credits Mittwochs, 11.00-13.00 Marienstr. , Raum xx

 

Mensch und Tier sind “epistemische Dinge”, die voneinander nicht zu trennen sind; um zu sagen, was das eine ist, muß ein Wissen vom anderen stets schon unterstellt werden. Aber das “Tier” ist ebensowenig auf einen abstrakten Singular zu reduzieren wie das Wissen vom Tier auf die Denktradition einer philosophischen Anthropologie. Das Wissen vom Tier/vom Menschen formt sich vielmehr in den Begriffsräumen, die von den Linien der Kulturtechniken historisch eröffnet und versperrt werden. Der Mensch ist das Haustier der symbolischen und materialen Techniken, die das Anthropologische als Funktion historisch ausdifferenzierter Kulturen hervorbringen. Daher wird die Vorlesung sich den medialen und kulturtechnischen Praktiken widmen, in denen sich das Verhältnis des Menschen zu den Tieren konkret gestaltet hat. Dazu gehören 1. Tiere als Institution der Genealogie oder Gemeinschaft (Wappentier, Totemtier); 2. Das Beutetier des Jägers; 3. Das Tier als Werkzeug (Marx): als Arbeits- und Kriegstier, als Nutz- und Haustier; 4. Das Versuchstier der neuzeitlichen Wissenschaften, das Auskunft über den Menschen als Naturwesen gibt: Galvanis Frosch, Darwins Affe, Pavlovs Hund, Shannons Maus bis hin zur Drosophila der Genetiker; 5. Das emblematische Tier der Künste wie zum Beispiel der Affe als Emblem der Kunst, oder die Fliege als Sinnbild und Indiz der Vergänglichkeit – bis hin zu den irritierenden Praktiken der Mimikry, in denen das Lebewesen sich in Form einer Entdifferenzierung der metaphysischen Unterscheidungen der Arten und Gattungen des Seienden auf einer Fluchtlinie des Nicht-Identischen bewegt.

Die Anthropologie ist stets eine andere geworden, wenn sich die medialen Funktionen des Tieres geändert haben. Ob als Kraft-Maschine, jägerische Projektion, physiologisches oder behavioristisches Modell oder neuerdings als genetisches Archiv und “BioArt”: stets erfindet der Mensch mit den Weisen, das Tier aufzuspüren, zu nutzen, zu verschlingen, zu lieben, mit ihm zu experimentieren und zu spielen sich selbst aufs Neue (was ebensoviele Möglichkeiten einschließt, sich zu verlieren). Bis zum Zeitalter der Gentechnik aber hat immer gegolten: Die symbolische Ordnung des Menschen ist nicht das Reale des Menschen. Verliert dieser Grundsatz mit den Techniken des Klonens und Splicens seine Gültigkeit? Fällt das Reale mit dem Symbolischen zusammen, und wird der Körper zur unmöglichen Fiktion?

Zur Vorbereitung empfohlen: Giorgio Agamben: Das Offene. Der Mensch und das Tier. Frankfurt/M. 2003 (edition suhrkamp 2441); Thomas Macho: “Tier”. In: Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie, hg. v. Christoph Wulf. Weinheim/Basel 1997, S. 62-85.

Kulturtechnik (B. Siegert, M. Vöhringer)

Studienmodul, 4 SWS, 6Credits

 

Kulturtechniken sind Fertigkeiten des gelehrigen und disziplinierten Körpers im Umgang mit Medientechniken, die Menschen zu Subjekten oder Angehörigen einer bestimmten Kultur machen, aber auch in die Lage versetzen, andere Kulturen zu beherrschen – die Eroberung der Welt durch Bild, Schrift und Zahl. Dazu zählen einerseits die klassischen Kulturtechniken der Schrift-, Bild- und Zahlbeherrschung, andererseits aber auch speziellere Kulturtechniken wie Ordnungs- und Repräsentationssysteme (Diagramme, Kataloge, Karten, Archive), graphische Operationen (Zentralperspektive), Techniken der Datenspeicherung- und Verarbeitung im Bereich der Menschenwissenschaften (z. B. Anthropometrie, Fingerabdrücke, Lügendetektoren) oder Dispositive der Biomacht (z. B. in den Arbeitswissenschaften, der Psychotechnik, der Hygiene und der Rassenpolitik). Das Studienmodul Kulturtechnik setzt sich aus 2 Seminaren zusammen, von denen das eine in die wichtigsten Gegenstandsbereiche, Methoden und in die grundlegende Forschungsliteratur einführt und das andere theoretische Grundlagen und Methoden der Analyse anhand eines zentralen Themas aus dem Gegenstandsbereich der Kulturtechnik im Detail vertieft und erprobt.

Das Modul setzt sich aus dem Seminar “Kulturtechniken. Gegenstände, Methoden, Geschichte. Eine Einführung” (Prof. Siegert) und dem Seminar “Der Kollektive Mensch” (Frau Vöhringer, M.A.) zusammen. Ein Leistungsnachweis kann durch je ein Kurzreferat in beiden Modulteilen und eine schriftliche Hausarbeit in einem der beiden Teile erworben werden.

Kulturtechniken. Gegenstände, Methoden, Geschichte. Eine Einführung (B. Siegert)

Seminar, 2 SWS, 3 Credits Dienstags, 11.00-13.00 Bauhausstr. 11, Raum xx

 

Zur Thematik siehe Ankündigungstext zum Studienmodul Kulturtechnik. Das Seminar stellt anhand paradigmatischer Beispiele die wichtigsten Gegenstandsbereiche, Methoden und Grundlagentexte einer Wissenschaft der Kulturtechniken vor. Ein Leistungsnachweis kann durch ein Referat und eine schriftliche Hausarbeit erbracht werden.

Mediengeschichte und -geschichtsschreibung (M. Krajewski)

Donnerstags, 9.15-12.30 Uhr Hausknechtstraße 7, Hörsaal Projektplenum, 4 SWS

 

Dieses Plenum bildet zusammen mit dem Filmseminar “In Deutschland. Über Deutschland” (B. Leitner) das Projektmodul “Medien- und Kulturgeschichte”, wöchentlich, 8 SWS, 12 Credits (obligatorisch für BA-MK und BA-MG, 2. Semester)

Das Studienmodul verfolgt zwei Ziele. Zum einen gilt es, anhand ausgewählter Ereignisse einen zumindest rasterartigen Überblick auf Epochen und Zäsuren der Mediengeschichte zu gewinnen. Was endet eigentlich mit einer neuen Erfindung, zum Beispiel mit der Glühlampe? Welche Entwicklungen und Folgeeffekte bringt dagegen das neue Medium hervor? Zum anderen wird sich das Studienmodul der Frage widmen, wie man treffend über Ereignisse der Mediengeschichte schreiben kann. Welche methodischen Strategien, was für Denkfiguren finden dabei Verwendung? Auch hier gilt es, anhand von erlesenen Beispielen einen kleinen Kanon zu diskutieren, der nicht nur für das weitere Studium imprägniert, sondern ebenso zur Anleitung dienen mag, eigene Texte zu verfassen.

Leistungsnachweis: durch ein Referat im Plenum, ein Referat im ergänzenden Filmseminar sowie eine Hausarbeit wahlweise in einer der beiden Veranstaltungen und, selbstverständlich, kontinuierliche Lektüre und Diskussionsbereitschaft

Seminarplan

14.04.05: Einführung

21.04.05: Die Glühbirne

Haupttext: Götz 1990, Experte: Nico Marzian
Haupttext: Pynchon 1973, Expertin: Katharina Knust
Haupttext: Schivelbusch, Experte: Konstantin Beyer
Referat: Licht im Theater, Referentin: Kristin Franke

28.04.05: Medien der Antike: Die Zahl / Das Kerbholz / Der Abakus

Haupttext: Schmandt-Besserat 1992, Experten: Katrin Beckmann, T. Vostry
Haupttext: Flusser 1987, Experten: Katrin Feistel, Rebekka Schmidt

Referat: Kerbholz, Referent: Uli Schöbel
Referat: Abakus, Referenten: Marian Bollmann, Alexandra Balteanu

05.05.05: (Christi Himmelfahrt)

12.05.05: Buchdruck

Haupttext: Giesecke 1991, Expertin: Katja Schöppe
Haupttext: Eisenstein 1997, Françoise Ekalle Epanya

Referat: Setzkasten, Referent: Alexander Helbing
Referat: Vom Flugblatt zur Tageszeitung, Damaris Lehmann

19.05.05: Analoges Schreibzeug

Haupttext: Petroski 1995, Experte: Christian Müller
Haupttext: Feldhaus 1926, Expertin: Nora Kropf

Referat: Positivistische Geschichtsschreibung, Referentin: Jennifer Bohn (Übersicht)
Referat: Füllfeder, Kugelschreiber, Referenten: Sandra Linden, Ingrid Luginbühl
Referat: Geschichte des Technischen Zeichnens, Referent: Robert Brock, Amelie Becker

Kurzessays:
Ein Bleistift ist ein Bleistift ist ein Bleistift von Nora Binder
Wenn man es von hinten aufrollt… von Carolin Clausnitzer
Ohne Titel von Ulrike Falk

26.05.05: Der Zettelkasten

Haupttext: Kittler 1989, Experte: Jean Ballaz
Haupttext: Luhmann 1993, Expertin: Nadja Kranz (Übersicht)

Referat: Zettelkasten, Referentin: Martina Kellner
Referat: Exzerpte, Referentin: Janine Paschke

02.06.05: Die Post

Als Haupttext: Siegert 1993, Experten: Friederike Magerhans
Zur Hintergrundinformation: Behringer 2003, Experten: Jenny Winckelmann, Hanchao Zhu

Referat: Der Brief, Referentin: Anne Gorke
Referat: Cursus publicus, Referentin: Ewelina Dobrzalski
Referat: Rohrpost, Referentin: Jandke Anneken

Kurzessay: Marie-Luise Lange, Johannes Deich

09.06.05: Navigationsmedien: Uhr und Kompaß

Haupttext: Lane 1963 (hier als pdf), Experte: René Weigel
Haupttext: Karl Schlögel, Kartenlesen, Augenarbeit (im Ordner)

Kurzreferat: Braudel 1949, Expertin: Lisa Conrad
Referat: Die Karte, Referentin: Marine Badoux
Referat: Zeitmessung, Referentin: Rebekka Reichold

Kurzessay: Orte – vorher, nachher, in Gedanken von Nora Wellhausen

16.06.05: Telematische Medien

Haupttext: Roscher 1911, Expertinnen: F. Christophe, C. Rogister
Haupttext: Ronell 2001, Experten: Julia Beckmann, Sarah Fröb

Referat: Die Eisenbahn, Referenten: Laura Guillet, Carol Lacharne
Referat: Die Telegraphie: Marie-Claire Fredrich

Protokoll: Adrian Boldt

23.06.05: Die Photographie

Haupttext: Barthes 1980, Expertin: Julia Auerswald
Haupttext: Geimer 2002, Expertin: Sarah Czerney

Referat: Talbot & die Unschärfe, Referenten: Jörn Meyn, Xandra Pankratz
Referat: Camera obscura, Referenten: Hannah Möller, Leonie Schmidtmer

Protokoll: Christoph Kilian, Laura Machutta, Katja Gawrilow

30.06.05: Schreibmaschinen

Haupttext: Kittler 1986, Expertin: Maria Dantz
Haupttext: Levy 1998, Experte: Deniz Gencosman

Referat: Die Lochkarte, Referent: Tim Knabe
Referat: Die Turing-Maschine, Referent: Jörgen Pörsel

Protokoll: Fr. Hristova, Kirsten Sanders

07.07.05: Radio / Stimmen

Haupttext: Hagen 1991, Experten: Linda Steglich, Andreas Beyer
Haupttext: Göttert 1998, Expertin: Christina Manolin

Referat: Grammophon, Referenten: Susann Schwenke, Jörg Schibalski
Referat: Der Dolbysurroundsound, Referenten: Alexander Schumann, Sebastian Binder

Protokoll: Annekathrin Knigge, Nicole Weber

14.07.05: Videorekorder, Abschlußdiskussion

Haupttext: Zielinski 1986, Experte: Benj. von Alemann
Referat: Die Fernbedienung, Referenten: Li Dejie, Lars Zimmerman

Protokoll: Martin Saalfrank, Christiane Müller, Philipp Boltz, Conrad Ostwald

Literaturliste (Auswahl)

Barthes, Roland, 1980, Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, Bd. 1642 von stw, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.

Baumann, Carl Friedrich, 1988, Licht im Theater. Von der Argand-Lampe bis zum Glühlampenscheinwerfer, Steiner Verlag, Wiesbaden.

Behringer, Wolfgang, 2003, Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, Bd. 189 von eröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.

Braudel, Fernand, 1949/1998, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.

Eisenstein, Elizabeth L., 1997, Die Druckerpresse. Kulturrevolution im frühen modernen Europa, Ästhetik und Naturwissenschaften. Medienkultur, Springer Verlag, Wien, New York.

Feldhaus, Franz Maria, 1926, Der Bleistift, Bd. 2 von Deutsche Arbeit, Reichsbund deutsche Arbeit, Berlin.

Flusser, Vilém, 1987/1992, Die Schrift. Hat Schreiben Zukunft?, Bd. 10906 von Fischer Wissenschaft, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main.

Geimer, Peter, 2002, „Was ist kein Bild? Zur ‘Störung der Verweisung’“
in: ders. (Hg.), Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Technologie und Kunst, Suhrkamp, Frankfurt, S. 331- 341.

Giesecke, Michael, 1991, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Suhrkamp,Frankfurt am Main.

Granzow, Uwe, 1986, Quadrant, Kompaß und Chronometer. Technische Implikationen des euro-asiatischen Seehandels von 1500 bis 1800, Bd. 36 von Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Steiner, Stuttgart.

Göttert, Karl-Heinz, 1998, Geschichte der Stimme, Wilhelm Fink Verlag, München.

Götz, Matthias, 1990, Nichts als Licht, Nichts als ein Bericht, in: Licht. 15.12.1990 – 17.2.1991, Museum für Gestaltung, Basel, S. 97–130. Ausstellung und Katalog des Museums für Gestaltung Basel.

Hagen, Wolfgang, 1991, Der Radioruf. Zu Diskurs und Geschichte des Hörfunks, in: Martin Stingelin und Wolfgang Scherer (Hg.), HardWar/SoftWar. Krieg und Medien 1914 bis 1945, Bd. 3 von Literatur- und Medienanalysen, Wihelm Fink Verlag, München.

Keller, Max, 1999, Faszination Licht. Licht auf der Bühne, Prestel Verlag, München.

Kittler, Friedrich, 1986, Grammophon Film Typewriter, Brinkmann & Bose, Berlin.

—, 1989, Die Nacht der Substanz, Reihe um 9, Benteli Verlag, Bern. Vortrag im Kunstmuseum Bern, gehalten am 30. April 1989.

Lane, Frederic, The Economic Meaning of the Invention of the Compass, in: American Historical Review, Vol. LXVIII, No 3., April 1963, S. 605-617.

Levy, Pierre, 1998, Die Erfindung des Computers, in: Michel Serres (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.

Luhmann, Niklas, 1993, Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht, in: André Kieserling (Hg.), Universität als Milieu, Haux, Bielefeld, S. 53–61.

Petroski, Henry, 1995, Der Bleistift. Die Geschichte eines Gebrauchsgegenstands, Birkhäuser Verlag, Basel.

Pynchon, Thomas, 1973/1981, Die Geschichte von Byron der Birne, Bd. 13514 von rororo, Rowolth Verlag, Reinbek bei Hamburg, S. 1011–1025.

Ronell, Avital, 2001, Das Telefonbuch. Technik, Schizophrenie, elektrische Rede, Brinkmann & Bose, Berlin.

Roscher, Max, 1911, Die Kabel des Weltverkehrs hauptsächlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht, Puttkammer & Mühlbrecht, Berlin.

Schivelbusch, Wolfgang, 1983, Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert, Hanser Anthropologie, Carl Hanser Verlag, München.

Schmandt-Besserat, Denise, 1992, Before Writing. Volume I. From Counting to Cuneiform, University of Texas Press, Austin.

Siegert, Bernhard, 1993, Relais. Geschicke der Literatur als Epoche der Post 1751–1913, Brinkmann & Bose, Berlin.

Talbot, Henry Fox, 1844/1998, The pencil of nature = Der Zeichenstift der Natur, Hogfy Ed., Budapest. Nachdruck der Ausgabe London, Longman, Brown, Green & Longmans, 1844.

Zielinski, Siegfried, 1986, Zur Geschichte des Videorecorders, Wissenschaftsverlag Spiess, Berlin.

Probleme der Mediengeschichtsschreibung (L. Engell, B. Siegert, J. Vogl)

Seminar, 2 SWS, 3 Credits Donnerstags, 11.00-13.00 Bauhausstr. 11, Raum xx

 

Richtet sich an: Stipendiaten und Assoziierte des Graduiertenkollegs “Mediale Historiographien”.
Teilnahme von Studierenden der MK und EMK nach vorheriger Absprache möglich.Hausarbeit erworben.

Tiere | Menschen. Figuren und Medien der anthropologischen Differenz (B. Siegert, D. Tyradellis, M. Vöhringer)

Projektmodul, 8 SWS, 12 Credits

 

Seit Carl von Linné ist der Mensch das Lebewesen, das durch nichts anderes definierbar ist, als daß es sich selbst erkennt. Sich zu kennen, heißt aber: sich als Nicht-Mensch, als Tier, erkennen. Aber weder was ein Tier, noch was ein Mensch ist, noch wo die Grenze zwischen beiden verläuft, ist eine Konstante. Der Mensch hat sich selbst stets nur über Differenzen und Negationen gehabt, die in immer neuen Setzungen und Verschiebungen die Grenze zwischen Mensch und Tier beziehungsweise zwischen Mensch und Gott zu definieren suchten – und dabei die Figur des Menschen stets an Symbole, Werkzeuge und Medien überantwortet. Das Projekt will den Dualismus der unendlichen Spiegelbeziehung von Mensch und Tier aufbrechen, indem es sich auf jenes Dritte konzentriert, das die anthropologische Tier/Mensch-Differenz je und je historisch allererst aufmacht, verschiebt oder schließt: die Kulturtechniken der Hominisierung und der Animalisierung. Denn die dialektische und paradoxe Beziehung des Menschen zum Tier läßt sich nicht reduzieren auf den Bereich des “Klassifikationstieres”. Schon deshalb nicht, weil sich das philosophische Abstraktum “Tier” historisch erst spät durchgesetzt hat. Es wird vorgeformt, überformt, konterkariert und ausgelöscht durch Kulturtechniken der Jagd, des Opfers, der Domestizierung und der Zucht, durch Medien und Künste der Repräsentation, der Metamorphose und des Tierwerdens, durch die Dispositive des physiologischen, behavioristischen und genetischen Experiments.

Die zum Projekt gehörenden Veranstaltungen versuchen die unterirdischen Gänge aufzuspüren, die das Gattungstier Mensch (das Tier der Philosophen) mit den Staatstieren, Wappentieren, Fabeltieren, dämonischen Tieren, Jagdtieren, Haustieren, Nutztieren, Arbeitstieren, Kriegstieren und Versuchstieren verbindet. Das Projekt setzt sich zusammen aus der Vorlesung “Figuren des Tiers: Emblem, Maschine, Monster, Medium, Meute” (Prof. Siegert), dem Seminar “Tierische Wahrnehmung ” (Frau Vöhringer, M.A.), dem Seminar “Tier-werden. Die Philosophen und das Animalische” (Dr. Tyradellis) und dem Seminar “Tiererzählungen” (Prof. Siegert). Ein Projektschein wird durch mdl. Referate und eine schriftl. Hausarbeit erworben.

Tiergeschichten (B. Siegert)

Seminar, 2 SWS, 3 Credits Montags, 18.00-20.00 Bauhausstr. 11

 

Der Mensch ist das Haustier der Sprache, sagte Jacques Lacan einmal. Die Literatur ist vermutlich gerade deshalb der Ort, an dem in den unterschiedlichen Formen der Tiererzählung die Grenzen des Menschen und die Grenzen der Kunst sowohl markiert, reflektiert, erprobt und experimentell in Frage gestellt werden. Zum Hintergrund der Thematik siehe den Ankündigungstext zum Projektmodul “Tiere | Menschen. Figuren und Medien der anthropologischen Differenz”. Gelesen und diskutiert werden Tiererzählungen vom Mythos über die Fabel bis hin zu den Tiergeschichten Franz Kafkas. Außerdem dient das Seminar 2 – 3 Mal im Semester als Projektplenum. Seminarscheine können durch den Nachweis eines mdl. Referates und einer schriftl. Hausarbeit erworben werden.

Zur Vorbereitung empfohlen: Franz Kafka, Sämtliche Erzählungen, hg. v. Paul Raabe. Frankfurt/M. (Fischer Taschenbuch) 1970 und öfter.

Seminarplan

11. 4. Vorbesprechung

18. 4. (fällt aus)

25. 4. Affen und Pferde: Jonathan Swift: Gullivers Reisen
(4. Teil: Eine Reise in das Land der Houyhnhnms)

2. 5. Hunde I: Miguel de Cervantes: Gespräch zwischen Cipión und Berganza, den Hunden des Auferstehungshospitals.
In: Ders.: Exemplarische Novellen (Rahel Ueding).
E. T. A. Hoffmann: Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza.
In: Ders.: Fantasie- und Nachtstücke, S. 79-140 (Rahel Ueding).

9. 5. Hunde II: Hugo von Hofmannsthal: Die Dame mit dem Hündchen
Franz Kafka: Forschungen eines Hundes (Stefan Becker)
Michail Bulgakov: Hundeherz

16. 5. Göttliche Zungen: Pfingsten

23. 5 Affen I: E. T. A. Hoffmann: Nachricht von einem gebildeten jungen Mann.
In: Ders.: Fantasie- und Nachtstücke (Kathleen Neumann)

Wilhelm Hauff: Der Affe als Mensch.
In: Ders.: Die Geschichte vom Kalif Storch und andere Märchen, hg. v. Walter Flemmer. München 1964, S. 139-154. (Kathleen Neumann)
Horst Woldemar Janson: Apes and Ape Lore in the Middle Ages and the Renaissance. London 1952 (Kapitel X: Ars simia naturae).

30. 5. Affen II: Affen in der bildenden Kunst inkl. King Kong

6. 6. Affen III: Gustave Flaubert: Quidquid volueris. In: Jugendwerke (Kathleen Fischer)
E. A. Poe: Die Morde in der Rue Morgue (Annett Jahn)

13. 6. Affen IV: Franz Kafka: Ein Bericht für eine Akademie (Anja Hoppe)

20. 6. Wölfe: Neil Jordan: Zeit der Wölfe (GB 1984)
Deleuze/Guattari: Tier-Werden (Felix Sattler)
Alexandre Dumas: Le Meneur de Loups (Anja Sattelmacher)

27. 6. Tier-Werden: Franz Kafka: Die Verwandlung (Theres Rohde)
Franz Kafka: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande

4. 7. Tier-Kunst: Franz Kafka: Josephine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse (Martin Heimbürge)

11. 7. Wolf und Katze: Robert Musil: Drei Frauen (Jan Löw)

Tierische Wahrnehmung (M. Vöhringer)

Dienstags, 13.30-15.00 Seminar, 2 SWS, 3 Credits Bauhausstraße 11, Raum 13

 

Wie wäre es, ein Seeigel oder eine Fliege zu sein? Der Biologe und Philosoph Jakob von Uexküll hat sich dies 1909 vorgestellt und dabei den Begriff der Umwelt entwickelt. Seine „Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen“ zeigen einerseits die Dinge, Farben und Menschen wie sie beispielsweise ein Pantoffeltierchen, eine Zecke oder ein Hund sehen und untersuchen anderseits ihre anatomischen Prädispositionen.
Diese Klammer greift das Seminar auf und verfolgt die Geschichte der Darstellung und Erforschung der tierischen Wahrnehmung sowie der mit ihr sich konstituierenden menschlichen Wahrnehmungsvermögen in Wissenschaft und Bildender Kunst. Vom Hören, Sehen, Tasten, Riechen, Schmecken über das Fühlen und Fürchten bis hin zum Erkennen, Lernen, Erinnern und Halluzinieren reichen die Fähigkeiten, die Tier und Mensch gleichermaßen unterstellt und seit dem 19. Jahrhundert experimentell erklärt werden. Tierische Hypnose, Tierische Kommunikation, Art übergreifende Kommunikation zwischen Mensch und Tier, musizierende, malende, Theater spielende, schreibende und paranormal sich verhaltende Tiere sind die weniger leicht erklärbaren Themen des Seminars. Nicht nur, was Tiere sehen können, sondern was Menschen nicht wahrnehmen wird dabei zum Vorschein treten – seit Uexküll eine Frage, die sich mit jedem Umweltereignis von neuem stellt.

Ein Leistungsnachweis kann durch ein Referat in Kombination mit einer Hausarbeit erbracht werden.

Tier-werden. Die Philosophen und das Animalische (D. Tyradellis)

Seminar, 2 SWS, 3 Credits 14-tägig, teilw. Blockveranstaltungen 1. Sitzung: Donnerstag, 14. 4. 2005, 13.00-15.00 Bauhausstr. 11, Raum xx

Der philosophische Zoo ist äußerst artenreich: Sein Spektrum reicht von Ameise und Spinne über Schaf und Wolf bis hin zu Affe und blonder Bestie. Ausgehend von Gilles Deleuze’ Begeisterung für die Zecke und seinen Überlegungen zum Tier-werden (gemeinsam mit Félix Guattari in: Tausend Plateaus, Berlin 1992) geht das Seminar der Bedeutung des Animalischen in der Geschichte des philosophische Denken nach – als Vergleichsgröße, Beispiel, Vorbild, Drohung oder Metapher. Im Mittelpunkt wird die gemeinsame Lektüre und Diskussion der einschlägigen philosophischen Texte stehen. Seminarscheine können durch Nachweis eines mdl. Referates und einer schriftl. Hausarbeit erworben werden. Das Seminar wird teilweise als Block stattfinden.