PARALLEL SCREENS (an exhibition in 120 minutes)

Poster zur Veranstaltung »Parallel Screens«

»Reflection, when it is a case of mirroring, is a move toward an external symmetry; while reflexiveness is a strategy to achieve a radical asymmetry, from within.«
Rosalind Krauss, 1976

»The digital world, in a manner of speaking, is a world that the humans have coated over with their own retina. This humanly networked world produces a permanent self-mirroring. The closer the net is woven, the more thoroughly the world shields itself against the other, the outside. The digital retina turns the world into a screen-and-control monitor. Inside this autoerotic visual space, in this digital inwardness there can be no sense of wonder. The only thing human beings still like are themselves.«
Byung-Chul Han, 2015

»Parallel Screens« ist eine Gruppenausstellung, die innerhalb eines vorgefassten Zeitrahmens moving images bzw. Bewegtbilder präsentiert. Die Werke werden für die Dauer der Ausstellung – 120 Minuten – hintereinander weg gezeigt. Das Screening erfolgt über zwei sich gegenüberliegende Bildschirme, die zwei Videokanäle und einen Audiokanal miteinander verbinden.

Bewegtbilder sind tief im Alltag verankert. Über das Internet und durch immer schnellere Datenübertragung haben wir unendlichen Zugang zu hochauflösendem Content zu einer Vielzahl von Themen. Im Jahr 2017 ging der CEO von Netflix so weit, zu behaupten, dass ›Schlaf‹ ein Konkurrent der Unterhaltungsplattform sei.

Wenn das bewegte Bild zunehmend zugänglich, vielfältig aber auch diffus ist, welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf seine Lesart und auf die visuelle Kompetenz des Menschen? Wie hat sich das Verständnis des Bewegtbildes in anderen visuellen Medien, etwa der Fotografie, dem Fernsehen und im Kino niedergeschlagen? Wie hat es die Art und Weise beeinflusst, wie wir Kunst und Populärkultur wahrnehmen und konsumieren?     

Innerhalb dieser aktuellen Ökologie des bewegten Bildes verfolgt »Parallel Screens« das Ziel, eine Ausstellungssituation zu schaffen, die für die Besucher*innen nicht vertraut ist: Da sie zwischen zwei Bildschirmen positioniert sind und kaum beide im Blick behalten können, müssen sie eigene Formen der Aufmerksamkeitszuweisung entwickeln. Gleichzeitig sind sie herausgefordert, in den einzelnen Beiträgen eine stringente Narrative herauszulesen, wie man es von Filmen oder Videos gemeinhin gewohnt ist. Die Kunstwerke hingegen sind – indem sie sich wortwörtlich gegenüberstehen – in einem nahezu autarken Kreislauf und somit im ständigen Dialog mit sich selbst. Die Betrachter*innen übernehmen die Rolle des Voyeurs oder Eindringlings in dieses autonome Spiel.

»Parallel Screens« ist eine athematische Ausstellung, die lediglich die Bedeutung von Reflexion und Reflexivität, die unvermeidlich in der Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter*in, Kunstwerk und Bildschirm sowie Bildschirm und Betrachter*in vorhanden ist, anerkennt. Sie thematisiert die Kontingenz des Mediums und die ständig wachsenden intellektuellen Möglichkeiten aller beteiligten Parteien.

Wie der Künstler Ed Atkins es formuliert hat:
I’ve often felt betrayed by the group show thematic, because my work inevitably becomes bound up with the show’s theme as a result. I mean this specifically in relation to tacit violences of intellectual or affective co-option. A work’s recruitment to the accord of a group show’s overarching theme results in its retardation.
[Ich habe mich oft von thematischen Gruppenausstellungen betrogen gefühlt, weil sich meine Arbeit dadurch zwangsläufig mit dem Thema der Ausstellung verbindet. Ich meine dies insbesondere in Bezug auf unausgesprochene Verletzungen der intellektuellen oder affektiven Aussage. Die thematische Einordnung einer Arbeit unter der Überschrift einer Gruppenausstellung führt zu ihrer Ausbremsung.]

Diese radikale Position kann in diesem Zusammenhang nützlich sein, um eine dem Medium auferlegte ästhetische oder politische Agenda zu vernachlässigen und stattdessen die Freiheit des bewegten Bildes zu stärken, das zu sein, was es sein will und sein kann, für die Künstler*innen genauso wie für die Betrachter*innen.

Bevor wir in die Zukunft beschleunigen, halten wir einen Moment inne und beobachten, wie sich das Bewegtbild in der künstlerischen Aussage der 24 ausgewählten Positionen manifestiert und wie diese Künstler*innen die schwierige Aufgabe bewältigen, den verzweifelten Betrachter zu faszinieren.

Text und Kuration: Brunno Silva

Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:
Carla Chaim, Luis Urculo, Tina Wilke, Meredith Sward, Pablo-Martín Córdoba, Jessica Findley, Mercedes Lozano, Allison Beda, Randi Renate, Liss LaFleur, Justin McHugh, Chong Yan Chuah, Simon Isaac, Johanna Keimeyer, Mari Nagem, Nick Lesley, Flavia D’Urso, Lissa Corona, Capt. James, Zoya Sardashti, Alexander Isaenko, Allison Beaudry, Jonas Brinker, Esben Holk

Zeit:
12. November 2019, 20 – 22 Uhr

Ort:
NOVA
Berkaer Straße 11
99425 Weimar