Hochschulübergreifende Forschergruppe Vernetztes und Kognitives Fahren

Jedes Jahr verunglücken allein in Deutschland etwa 70.000 Menschen im Straßenverkehr, davon gelten mehr als 10.000 als Schwerstverletzte und zusätzlich mehr als 2.000 Unfallopfer sterben an den Folgen der Unfälle. Auf Fahrzeugseite gibt es einerseits bereits zahlreiche nennenswerte technologische Entwicklungen des hoch-automatisierten, vernetzten und kognitiven Fahrens, mit denen durch Erfassung des Umfeldes und aktives Eingreifen in den Fahrverlauf mittels fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme (ADAS) Unfälle vermieden werden sollen, andererseits aber auch noch eine Fülle wissenschaftlich-technischer Herausforderungen. Eine Herausforderung stellt das erforderliche Netzwerk aus Sensoren, Datenverarbeitungseinheiten und Kommunikationsknoten dar, das verteilt über Fahrzeuge und Straßeninfrastruktur echtzeitfähig miteinander vernetzt werden muss.

Vor dem Hintergrund der Verkehrs- und Datensicherheit einerseits und umweltverträglicher IT-Prozesse (green IT) andererseits nehmen aktuelle Forschungsaktivitäten insbesondere die Frage in den Blick, in welchem Umfang Umfelderfassung, Signalverarbeitung, Steuerung automatisierter Fahrfunktionen und kooperative Routenplanung von der Vielzahl einzelner Fahrzeuge in die Cloud verlagert werden können. Ein weiteres Kernproblem ist die Prognose des zukünftigen Verhaltens von anderen Verkehrsteilnehmern und die daraus abgeleitete Risikoabschätzung, die nicht nur in die Algorithmen zur automatisierten Steuerung des Fahrzeugs sondern auch in die Prozesse für eine sichere und effiziente Verkehrsflusssteuerung implementiert werden müssen. Neben den Fragestellungen und Herausforderungen zu Technologie und Verhalten sind auch die sozialwissenschaftlichen Aspekte des Mobilitätswandels und der Akzeptanz der dafür benötigten Technologien von großer Bedeutung für die Entwicklung solcher Lösungen und für die Integration in eine nachhaltige Verkehrsplanung und Stadtentwicklung.

Diese Fragestellungen beinhalten vielfältige wissenschaftliche Herausforderungen, die sinnvoll nur in einem interdisziplinären Zusammenschluss der dafür benötigten Expertise bewältigt werden können, die von physikalischen Wirkprinzipien über informationstechnische Beschreibungsansätze bis zu Verkehrspsychologie reicht. Der Fokus wird auf den Innerortsbereich gelegt, da hier die Herausforderungen für solche Systeme am höchsten sind. Die Zusammensetzung des Verkehrs und die Straßenraumgestaltung sind sehr inhomogen, was eine automatisierte Risikoanalyse hoch komplex macht. Unfälle mit Radverkehr und Fußverkehr generieren hier einen besonders hohen Handlungsdruck.

Unter dem Dach der Allianz Thüringer Ingenieurwissenschaften hat sich eine Gruppe von sieben Professuren aus vier Thüringer Hochschulen gebildet, die ein inhaltlich, methodisch und strukturell passfähiges Konzept für eine hochschulübergreifende Forschergruppe entwickelt hat. Die geplanten, interdisziplinär verzahnten Arbeiten umfassen unterschiedliche Wissenschaftsbereiche der Ingenieur-, Sozial- und Kognitionswissenschaften. Gemeinsame Zielsetzung der eigenständigen Doktorarbeiten ist es, miteinander verbundene Problemfelder zu analysieren und spezifische Lösungen zu erforschen und zu entwickeln, die mittel- bis langfristig zu einer signifikanten Reduzierung der Unfälle im Stadtverkehr mit getöteten und schwerstverletzten Personen führen. An dem besonders relevanten Beispiel der innerörtlichen Unfälle mit Beteiligung des nicht-motorisierten Verkehrs (z.B. Radfahrer*innen oder Fußgänger*innen) und des Kfz-Verkehrs sollen Potentiale des vernetzten – d.h. Informationen miteinander austauschenden – und kognitiven – d.h. des vorausschauend planenden und handelnden – Fahrens untersucht und beispielhaft anhand neuer Lösungsansätze erschlossen werden.