Theoretische Grundlagen
Verantwortliche HochschullehrerInnen: Prof. Könke; Prof. Bucher
Kooperierende HochschullehrerInnen: Prof. Gürlebeck, Prof. Freundt
NachwuchswissenschaftlerInnen: Dr. Zabel; Dr. Most
Problemstellung
Die Auswahl von Partialmodellen zur Prognose des Antwortverhaltens von Ingenieurkonstruktionen erfolgt bisher auf der Basis heuristischen Erfahrungswissens desjenigen Ingenieurs, der ein Modell einsetzt. Eine generelle Methodik zur quantitativen Bewertung der Modellqualität bezüglich Sensitivität und Robustheit bezogen auf spezielle Aufgabenstellungen ist derzeit nicht vorhanden. Die Komplexität des betrachteten Problems erhöht sich zusätzlich bei der Berücksichtigung der stochastischen Verteilung der Eingangsparameter.
Für die Bearbeitung komplexer Fragestellungen des Ingenieurwesens ist die Kopplung mehrerer Partialmodelle notwendig. Damit stellen sich Fragen nach der Fehlerfortpflanzung in den zwischen den Partialmodellen auszutauschenden Daten (quantitative Bewertung der Modellqualität) sowie zur Bewertung der Modellqualitäten bei der Kopplung von Modellen, die auf unterschiedlichen Analysemethoden beruhen (qualitative Inkonsistenz gekoppelter Partialmodelle). Zu beiden Fragestellungen gibt es derzeit nach bestem Wissen der Antragsteller keine in der Literatur dokumentierten Forschungsansätze.
Die im Rahmen des Schwerpunkts I zu bearbeitenden Dissertationsthemen sollen hierzu grundlagenorientierte Forschungsarbeiten leisten und die Ergebnisse in Zusammenarbeit mit den beteiligten WissenschaftlerInnen in den Schwerpunkten II bis IV in realen Aufgabenstellungen des konstruktiven Ingenieurbaus anwenden.
Methoden und Ziele
Der Lösungsraum des mechanischen Problems ist durch die Wahl der Ansätze im Gleichgewicht, Kinematik und Materialgesetz, bzw. anderer Grundgleichungen zur Beschreibung des jeweiligen physikalischen Problems, eingeschränkt. Dabei werden in jeder Theorie bestimmte Einflüsse als unwesentlich vernachlässigt, um das Problem in seiner Komplexität zu reduzieren. Eine Abweichung zwischen den prognostizierten Ergebnissen und des in der Realität beobachteten Verhaltens tritt als Folge des Abstraktionsprozesses zwangsläufig auf. Es lassen sich verschiedene Einflüsse, die sich auf die Modellqualität auswirken, unterscheiden:
- Dimensions- und Skaleneinflüsse
- Materialmodelleinflüsse
- Einflüsse infolge der Berücksichtigung bzw. Vernachlässigung zeitvarianter Effekte
- Einflüsse infolge der Berücksichtigung bzw. Vernachlässigung physikalischer Effekte
- Einflüsse infolge unterschiedlicher Linearisierungsannahmen
Für die Bewertung der Dimensions- und Skaleneinflüsse sollen Expansions- und Reduktionsmodelle untersucht werden. Dabei werden dimensions- oder skalenreduzierte Ansätze mit höher- oder niederwertigen Ansätzen im Gesamtbereich des Modells oder in Modell-Teilbereichen hinsichtlich ihrer Energie miteinander verglichen. Ähnliche Vorgehensweisen lassen sich zur Bewertung von Modellqualitäten infolge unterschiedlicher Materialformulierungen einsetzen.
Eine Bewertung der Modellabweichung bezüglich zeitvarianter Effekte ist beispielsweise über Eigenwertanalysen und die Vergleiche der Anregungs- sowie der Tragwerksspektren möglich. Auch hier kann quantitativ eine Bewertung über Energieinhalte vorgenommen werden.
Für die Bewertung der Modellsensitivität, als Maß für die quantitative Veränderung in den Aussagen eines Modells bei Änderung der Parameter und Eingangsgrößen, lassen sich Verfahren zur Ermittlung der Versagenswahrscheinlichkeit anpassen. Unter gewissen Voraussetzungen, z.B. die Stetigkeit der Lösungsfunktionen betreffend, kann mit wenigen Ergebnispunkten eine Antwortfunktion als Ausgleichsfläche im vorgesehenen Parameterraum erzeugt werden. Die Ableitungen der Antwortfläche, d.h. die Glattheit der Antwortfläche, lassen sich als Maß der Sensitivität der Antwort bei Schwankungen der Eingangsparameter verstehen (quantitative Bewertung). Die Größe des Parameterraums in dem die Antwortfläche noch akzeptable Ergebnisse liefert lässt eine Aussage hinsichtlich der Modellrobustheit, als dem Maß für die Fähigkeit eines Modells für Parameter und Eingangsgrößen, innerhalb eines, für das Bauwesen typischerweise weiten, Nutzungsbereichs brauchbare Aussagen zu liefern, zu. Für beide Fragen lassen sich wiederum verschiedene Energiemaße zur quantitativen Bewertung denken.