Thüringen, das grüne Herz Deutschlands

2. Projektmodul

Dr. Julia Gamberini/Felix Lackus
12 LP/8 SWS 

Thüringen, das grüne Herz Deutschlands. Identität und Identifikationsprozess einer Region durch einen grünen Referenzrahmen

Der Binnenstaat Thüringen nimmt nur 4,5 % der deutschen Fläche ein, aber ist zu einem Drittel bewaldet und beherbergt über zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten Deutschlands. Geographisch in der Mitte Deutschlands gelegen, spielt das Land eine besondere Rolle als strategische Plattform für die Biodiversität, wie zum Beispiel für die Wiederansiedlung des Luchses.

Die Bezeichnung „Grünes Herz Deutschlands“, die für das Land Thüringen besonders gerechtfertigt zu sein scheint, geht auf 1897 zurück, auf ein Buch des Wanderschriftstellers August Trinius, aus der Zeit, in der der Tourismus begann. Diese neue Bezeichnung half dabei, zur Jahrhundertwende die Außendarstellung der Region zu bilden. Unter dem Nationalsozialismus diente diese Bezeichnung auch für das Selbstbild des deutschen Volkes und seiner Identifikation mit der Landschaft, wie das Buch von Oskar Wünscher 1937 „Ein Büchlein vom Blut und Boden unserer Heimat“ oder der Reichsbahn-Reisefilm von 1935 „Deutschlands grünes Herz - Schienenstränge zwischen Nord und Süd“ es illustrieren.

Heute wird aus unterschiedlichen Gründen das Motto „Grünes Herz Deutschlands“ wiederverwendet. Nach der Wiedervereinigung und der Neugründung des Landes wurden gleich zwei Naturparks ins Leben gerufen (Thüringer Wald und Thüringen Schiefergebirge/Obere Saale - 1990) jeweils als direkter institutioneller Transfer von Westen nach Osten. Heute wirkt die Bezeichnung als objektive Betrachtung in der Beschreibung beispielsweise zahlreicher Naturdokumentarfilme des Landes und ihrer „wilden Fauna und Flora“. Seit 2011 hat der Freistaat Thüringen eine Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, die sich auch auf „das grüne Herz Deutschlands“ stützt. Darüber hinaus dient die Bezeichnung als Argument für Naturschützer*innen, um regionale Konzepte zu entwickeln und politische Richtung zu nehmen, insbesondere die Position von NABU Thüringen verdeutlicht dies. Das Land sollte sich gegenüber großen Herausforderungen der ökologischen Krise (Klimawandel und das Artensterben) unter diesem Slogan strategisch besser positionieren: „Was Thüringen als grünes Herz Deutschlands braucht, ist eine mutige Fortführung einer nachhaltig auf den Erhalt der Natur ausgerichteten Politik“ im Rahmen des Landtagwahl 2021[1].

[1][1] Zitat aus NABU Thüringen, 2021: thueringen.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/gesellschaft-und-politik/landtagswahl/index.html

Mit dem Planungsprojekt des ersten Fachsemesters Bachelor Urbanistik werden wir uns mit der Konstruktion und der Außendarstellung einer regionalen Identität innerhalb eines grünen Framings und mit der Bezeichnung des „grünen Herzens Deutschlands“ als Vektor dieser regionalen Identität auseinandersetzen. Dabei werden wir uns spezifisch auf den Thüringer Wald konzentrieren. Wie konstruiert und entwickelt sich eine regionale Identität um die Natur in der Zeit? Wie werden Naturreferenzen aufgerufen, die das Motto Grünes Herz Deutschlands heute verkörpert, um Legitimationsprozesse zu finden? Das Planungsprojekt ist Teil der Winterschule „Die identitätsstiftende Region“, die im März 2022 in Weimar stattfinden wird.