Klimafreundliches Reisen

Ein essentieller Bestandteil von Wissenschaft ist der Austausch mit anderen Forschenden und die gemeinsame Diskussion von Forschungsergebnissen. Durch Globalisierung und Digitalisierung kann sich auch die Wissenschaft international vernetzen. Wissenschaftliche Perspektiven aus der ganzen Welt fördern Diversität, Interdisziplinarität und soziale Gerechtigkeit innerhalb des Wissenschaftsapparats. Die Internationalisierung hat zur Folge, dass für internationale Konferenzen, Gremien, Kommissionen, etc. immer mehr Dienstreisen nötig sind. In vielen Bereichen wie Feld- und Archivforschung, die persönliche Präsentation von Forschungsergebnissen oder zur Anbahnung von Kooperationen, kann auf Dienst- und Flugreisen definitiv nicht verzichtet werden (Gerhards et al. 2022, 9).
Die Corona-Pandemie hat andererseits ebenfalls gezeigt, dass die Gesellschaft in der Lage ist, neue Kommunikationsformen und -tools zu entwickeln, um auch einen virtuellen Austausch zu ermöglichen (ibid., 13). Es kann nicht gänzlich auf Flugreisen verzichtet werden, dennoch ist es wichtig, Maßnahmen aufzustellen, »die einen Wandel hin zu einer nachhaltigen akademischen Reisekultur einleiten und die Internationalität von Wissenschaft sogar befördern« (ibid.). Anhand des Prinzips »vermeiden, verringern, kompensieren« (ibid., 25) sollen Dienstreisen und Alternativen genau evaluiert werden, bevor die Entscheidung für eine Flugreise gefällt wird.
Argumente für klimafreundliches Reisen

Flugreisen verursachen erhebliche Emissionen
Die Teilnehmenden einer internationalen Konferenz haben in der Regel einen höheren Emissionsbeitrag, als die durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Emissionen von Flugreisen (Gerhards et al. 2022, 12). Für die Flugreisen zur Herbsttagung der American Geophysical Society 2020 beispielsweise wurden von den 28.000 Teilnehmenden rund 80.000 Tonnen CO2 ausgestoßen. Das entspricht den wöchentlichen Emissionen von Edinburgh mit etwa 530.000 Einwohnenden (Klöwer et al. 2020, 357).

Forschende gehören zur Gruppe der Vielflieger
Seit den 1990er Jahren steigt das Flugaufkommen jährlich an, dafür sind hauptsächlich die westlichen Ländern verantwortlich (Gerhards et al. 2022, 15). Da sich die Wissenschaft zunehmend internationalisiert und Konferenzen, Gremien und Kommissionen auf der ganzen Welt stattfinden, besteigen auch zunehmend mehr Wissenschaftler*innen regelmäßig das Flugzeug (ibid.).

Reisekultur fördert globale Ungerechtigkeit
Wissenschaftler*innen aus dem globalen Norden profitieren in der Regel von Ressourcen und Privilegien, die Forschenden aus dem Globalen Süden nicht in derselben Weise zur Verfügung stehen (Gerhards et al. 2022, 17). Die internationale Vernetzung ist für Wissenschaftler*innen aus dem Süden durch kleine Reise-Budgets und Visa-Beschränkungen mit Schwierigkeiten verbunden, was ein Ungleichgewicht der internationalen Zusammenarbeit zwischen Norden und Süden zur Folge hat (ibid.).

Handlungsspielraum für Forschende
Dienstreisen erlauben einen großen Handlungsspielraum für Forschende und Mitarbeitende der Universität: Sie haben ein Mitspracherecht bei der Entscheidung für eine Dienstreise, bei der Wahl des Transportmittels, bei der Länge einer Reise, und insbesondere bei der Ausgestaltung einer Konferenz oder einer Kommission mit internationalen Gästen (Gerhards et al. 2022, 13). Inwiefern können Veranstaltungen beispielsweise (teilweise) online, hybrid oder in Person stattfinden?

Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in Gefahr
Klimaforschung und Umweltbewusstsein ist ein wichtiger Baustein der internationalen Wissenschaft. Viele Forschende setzen sich für entsprechende Veränderungen und Maßnahmen in der Politik ein. Ihre Arbeit verliert jedoch an Glaubwürdigkeit, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gleichzeitig durch häufige Flugreisen für hohe Emissionen sorgen (Gerhards et al. 2022, 17).

Internationalität als Statussymbol
Von der zunehmenden Vernetzung der Welt profitiert die Wissenschaft durch internationale Konferenzen, Projekte und Zusammenarbeit. Es widerspricht jedoch der Qualitätslogik von Wissenschaft, wenn Internationalität zum reinen Statussymbol und Leistungsindikator wird. Dadurch entsteht ein unnötiger Anreiz und Druck für Flugreisen (Gerhards et al. 2022, 23).