Prof. Andreas Garkisch












Entwurf
Bachelor und Master Architektur
Donnerstag, 9.15 - 16.45 Uhr
Start: 16. Oktober 2025

Unser Bild von Athens ist, wie kaum von einer anderen Stadt, geprägt durch Mythen. Eng verknüpft mit den Anfängen unserer Kultur, dem Verständnis von Bürgertum und Demokratie, Rechtsstaat, Philosophie und Politik steht über der Stadt die Akropolis. Die Idee des antiken Griechenlands. Dabei ist das moderne Athen eine verhältnismäßig junge Stadt. Nach der Befreiung vom osmanischen Reich bis zur Gründung des griechischen Staates hatte die Stadt nicht mehr als 10.000 Einwohner. Der bayerische Prinz Otto Friedrich von Wittelsbach wird zum König des neuen Staates Griechenland und erwählt unter dem Einfluss Leo von Klenzes Athen zur Hauptstadt. Im Geist des gerade in München vorherrschenden Philhellenismus und
Klassizismus planen die Schüler Schinkels Stamatios Kleanthis und Eduard Schaubert 1832 die neue Hauptstadt. Zwischen Parlament, Universität und Bibliothek spannen drei große Prachtstraßen ein Dreieck auf, an dem die wichtigen öffentlichen Plätze liegen.

Die sich dahinter aufspannenden Stadtquartiere folgen einfachem rechtwinkligen Raster. Diese Wohnquartiere waren in der Planung von Kleanthis und Schaubert nicht weiter mit Parks, Plätzen oder anderen öffentlichen Räumen ausdifferenziert. Mit weitreichenden Folgen - der öffentliche Raum konzentriert sich auf das politische, gesellschaftliche Zentrum Athens. Plätze, wie der Syntagma Platz vor dem Parlament, und die angrenzenden Prachtstraßen bilden einen zusammenhängenden öffentlichen Raum aus, wie wir es aus der europäischen Stadt kennen. Im Gegenzug dazu stehen die weiteren Stadtquartiere. Die Grundlage der dichten Bebauung ist die Bauordnung von 1929. Sie wurde die Grundlage für den Gebäudetypus der Polykatoikia. Einem einfachen Betonskelett, ein Maison Dom-Imo, dass ein ständiges Um- und Weiterbauen ermöglicht und das wirkliche Stadtbild der modernen urbanen griechischen Stadt definiert. Die Spekulation nachdem zweiten Weltkrieg gepaart mit einem Laissez-fair der Städtebaupolitik führten dadurch zu Stadtgebieten ohne öffentlichen Raum, ohne große Plätze und Parks.  

Nach und nach veränderten sich die voll verdichteten Blöcke. Die Erdgeschosse wurden umgenutzt, kleine Läden, Cafés und Restaurants nahmen den Raum ein. Terrassen und Gärten besetzten die Nischen, die früher von Werkstätten und Parkplätzen eingenommen wurden. So steht der Polykatoika heute für eine spannende Wohntypologie, die im kleinen städtischen Hinterhofraum plötzlich ein engmaschiges öffentlich zugängliches Raumgefüge zulässt. Für eine Struktur, die ständig um- und weitergebaut werden kann, und so ihre Resilienz beweist. Wir werden uns auf der Exkursion in Athen mit den Strukturen der Polykatoikas auseinandersetzen und in einem dieser Gebiete ein Quartier entwerfend weiterentwickeln. 

Ungeplant und Vergessen. Die dringliche Notwendigkeit im Bau von Wohnraum, fehlende Freiraumplanung, private Bauinvestoren und illegale Siedler, gepaart mit einer Laissez-fair Städtebaupolitik führten zu einem Stadtgebiet ohne große Plätze und Parks. Während des schnellen und ungeregelten Baus der Polykatoikia wurde nur selten über die Gestaltung und die Bedeutung des Freiraums nachgedacht. So wurde der öffentliche Raum in Athen zum Überbleibsel der gebauten Stadt.4 Die enorme Verdichtung führte dazu, dass insgesamt nur 3% der Stadtfläche öffentliche Park- und Freiflächen sind.6  Die wenigen vorhandenen Stadtplätze und -parks in Piräus ordnen sich in das orthogonale Straßenraster und die kleinteilige Parzellierung ein. Da sich der öffentliche Raum bisher aus dem Rest des privaten Gebäudes ergab, findet das öffentliches Leben in Athen größtenteils über die Aneignung und das „Besetzen” von Straßen und Plätzen, Bürgersteigen und (noch) leeren Flächen statt. Über die Fassade der Polykatoikia treten der private und der öffentliche Raum in Interaktion: Dachterrassen, Balkone, Erker, gläserne Erdgeschosse und Pilotis ergeben eine urbane Außenhaut, die ein Zwischenspiel dieser beiden Sphären ermöglicht.2 Der Übergang zwischen Innen und Außen verschwimmt und das private Leben öffnet sich auf die Straße.4

Die Teilnahme an der Exkursion vom 27.10. bis zum 31.10.2025  ist verpflichtend. Die Teilnahme am Begleitseminar Common Ground Kulturforum Berlin wird empfohlen.

Seminar 3 LP
Mittwoch, 9.15 - 10.45 Uhr, Start: 15.10.2025

Wir wollen in diesem Semester in einem Blockseminar die Übergänge zwischen den Innen- und Außen, zwischen öffentlich und privatem Bereich mittels Zeichnungen, und in Fotos untersuchen. Ziel ist es am Ende einen Atlas der Übergänge zum öffentlichen Raum zu bekommen, der aufzeigt eventuell Hinweise gibt, wie dieser öffentliche Raum konstituiert wird. Aus diesem Grund wird es am Anfang des Seminars eine Exkursion nach München geben und nach der Ausarbeitung ein Blockseminar mit einer Ausstellung zum Semesterende.