Es muss nicht David gegen Goliath sein - oder wie eine Innenstadt vom Neubau eines angrenzenden Einkaufscenters profitieren kann
Studienprojekt am Institut für Europäische Urbanistik erarbeitet Antworten auf diese Frage
Wie kann eine schrumpfende Stadt von einem neuen innerstädtischen Einkaufscenter profitieren? Das war die zentrale Frage, mit der sich sechsundzwanzig Studierende aus aller Welt, darunter zehn Austauschstudierende von der Partneruniversität in Shanghai, im Wintersemester 2012/2013 im Rahmen ihres Studienprojekts am Institut für Europäische Urbanistik (IfEU) der Bauhaus-Universität Weimar beschäftigten.
Betreut von Mitarbeiterinnen der Professuren für Baumanagement und Bauwirtschaft (Prof. B. Nentwig) sowie für Raumplanung und -forschung (Prof. M. Welch Guerra) untersuchten die Studierenden diese Frage konkret in Gotha. In Thüringens fünftgrößter Stadt mit derzeit etwa 45 000 Einwohnern ist tatsächlich der Bau eines innerstädtischen Einkaufscenters vergleichbar mit dem Weimarer Atrium geplant. Das Bekanntwerden dieser Planung hat in der Stadt zu einer regen und sehr kontrovers geführten Debatte um die Verträglichkeit dieses Vorhabens in der geplanten Größenordnung geführt, an der sich Planer, Bewohner, Händler und Politiker intensiv beteiligen. Der Hoffnung auf positive Effekte für die Entwicklung der Innenstadt stehen Befürchtungen von Verfall und Niedergang angesichts einer übermächtigen Konkurrenz gegenüber.
„Sie kann!“, das war der Grundtenor der studentischen Ergebnisse: Die Gothaer Innenstadt kann von dem neuen Einkaufscenter profitieren, wenn sie ihre guten Ausgangsbedingungen gezielt einsetzt und weiterentwickelt und wenn beim Bau des Einkaufscenters bestimmte Empfehlungen Berücksichtigung finden.
Konkrete Vorschläge dazu entwickelten die Studierenden im Verlaufe des Semesters in sechs Teams mit jeweils unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten. So erarbeitete ein Team konkrete Ansätze zur Stärkung der Innenstadt als Wohnstandort. Eine andere Studierendengruppe befasste sich mit der Möglichkeit, den Tourismus stärker als bislang als Potential für die Innenstadt zu nutzen. Die besonderen Bedürfnisse von alten Menschen oder jungen Familien mit Kindern standen im Mittelpunkt einer dritten Gruppe, die dazu die bestehenden Angebote in den Blick nahm und Entwicklungsvorschläge für Gotha formulierte. Das Einkaufscenter selbst sowie seine räumliche Anbindung an die Innenstadt waren Gegenstand von zwei weiteren Gruppen. Schließlich erörterte ein Team die eher strategische Fragestellung, wie und was der innerstädtische Einzelhandel von einem Einkaufszentrum lernen kann. Dieses Team entwickelte wesentliche Empfehlungen für die Organisation der Innenstadt.
Grundlage für diese Ergebnisse war eine detaillierte Analyse der gegenwärtigen Situation Gothas unter baulich-räumlichen, funktionalen, soziodemographischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Auch die zu erwartenden künftigen Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung wurden berücksichtigt. In allen Phasen des Projekts boten verschiedene lokale Akteure wertvolle Unterstützung für die Arbeit der Studierenden, allen voran Frau Ernst und Herr Adlich vom Stadtplanungsamt sowie der freie Architekt und kritische Bürger der Stadt Gotha Herr Großkopf.
Die Ergebnisse des Studienprojekts wurden der Öffentlichkeit am 31. Januar 2013 im historischen Rathaus in Gotha in Anwesenheit von Herrn Oberbürgermeister Kreuch und Herrn Bürgermeister Schmitz-Gielsdorf präsentiert. Über 40 interessierte Bürger, Einzelhändler, Politiker und Vertreter der Stadt sowie der mögliche Investor nahmen an der moderierten Präsentation in deutscher und englischer Sprache teil. Das Publikum bereicherte die Veranstaltung in der anschließenden Diskussionsrunde mit Anregungen und Kommentaren, der Beitrag erfuhr in der Lokalpresse rege Resonanz. Gegenwärtig sind die Ergebnisse der studentischen Arbeiten als Poster im Büro der Innenstadtinitiative „Gotha lebt!“ ausgestellt.
Mehre Informationen über das Studienprojekt finden Sie hier. Institut für Europäische Urbanistik