ZettelWirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek

Markus Krajewski
Bd. 4 von copyrights, hg. von Dirk Baecker
Kulturverlag Kadmos, Berlin, 2002
256 S., zahlreiche Abbildungen

Beschreibung

Auf nahezu jedem Schreibtisch steht heute ein zumeist grauer Kasten, aus dem viele Kabel kommen. Vor 70 Jahren war dieser datenverarbeitende Kasten noch unscheinbarer, unelektronisch und aus Holz, buchstäblich eine Papiermaschine. Die ZettelWirtschaft widmet sich der Frage, wie diese Maschine namens Kartei ihren Siegeszug als ebenso universelles wie zentrales Werkzeug zur Datenverarbeitung in den Büros und Schreibstuben um 1930, bis zum Vorabend der universalen diskreten Maschine namens Computer, antreten konnte. Dabei wird die Entwicklung der Kartei anhand ihrer historischen Brüche verfolgt: angefangen bei den ersten explizit beschriebenen Verzettelungen des Wissens in der Frühen Neuzeit, über die beinahe zufällige Einführung und allmähliche Durchsetzung von Zettel-Katalogen in den Bibliotheken um 1800 steuert die Studie – nach einem Seitenblick auf die Produktionsbedingungen von Literatur mit Hilfe der Zettelkästen – hin zur zentralen These, der diskursiven Übertragung zwischen den Institutionen des Schreibens, zwischen Bibliothek und Büro. Diese Transformation eines bibliothekarischen Zettelkatalogs in ein hochökonomisches Instrument der Buchführung ereignet sich in Nordamerika, womit ein Technologietransfer nicht nur zwischen den Institutionen, sondern auch geographisch erfolgt: von den Bemühungen eines Bibliothekars, der nicht nur die Bibliothek in Harvard, sondern auch sich selbst reichlich verzettelt, reicht die Entwicklungslinie der Kartei um 1900 über ein Unternehmen namens Library Bureau, das Bibliotheksmöbel zu günstigen Preisen an die prosperierende Wirtschaft verkauft und damit den Markt für Karteisysteme überhaupt erst erschließt, bis hin zur wiederum europäischen Büroorganisation, die diese amerikanische Reform bereitwillig aufnimmt, um die Kartei als den verwaltungstechnischen Fortschritt des 20. Jahrhunderts zu feiern. Die Studie, versehen mit zahlreichen Abbildungen und zum Teil basierend auf bislang unveröffentlichtem Archivmaterial, beschreibt die Historie der Zettelkästen und Karteisysteme als eine notwendige Vorgeschichte des Computers, nicht ohne diesen Prozeß als eine abwechslungsreiche, bisweilen überraschende Geschichte des Scheiterns zu bilanzieren. Download englisch information sheet (PDF)

Rezensionen

Rundfunk

Roderich Fabian, “Das Halbe Leben” – Von der Zettelwirtschaft zur Suchmaschine”, Gespräch im “Zündfunk Generator”
Bayerischer Rundfunk 2, 7. März 2004, 22:00–23:00 Uhr

Annette Brüggemann und Patrick Hahn, Zettels Träume. Von kleinen Notizen zu großen Werken
WDR 3, Sendung WDR3.pm, 4. Dezember 2004, 15.00–18.00 Uhr, Interview zur ZettelWirtschaft

Zeitungen

Holm Friebe, Zettels Geschichte. Markus Krajewski erforscht die Entstehung des Karteikastens
Berliner Zeitung, 23. Februar 2002

Peter Haber, Zettelwirtschaft. Die wundersame Geschichte des Zettelkastens, S. 34.
Neue Zürcher Zeitung, 19. Juni 2002

Arno Orzessek, Wenn der Zettelkasten diktiert, S. 16
Süddeutsche Zeitung, 30. September 2002

Wiebke Hüster, Die Erfindung der Hausnummer
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. Oktober 2002

Jürgen Kaube, Ohne Schere keine Erkenntnis
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1. Dezember 2002

Martin Büsser, Geist der Ordnung. Vom Zettelkasten zur verwalteten Welt
Junge Welt, 7. Januar 2003

Hamburger Abendblatt, 23. Februar 2004
Gabriele Prochnow, Sich verzetteln schafft Ordnung

Zeitschriften

Bibliothek. Forschung & Praxis, Jg. 26, Nr. 3, 2002, S. 317–318.
Thomas Hapke

IASL-online, 2.11.2002
Stephan Kammer. Verzettelungen, systematisch und historisch

Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, Nr. 13, 2002/3, S. 150-154
Mario Wimmer, Archive, Akten, Zettelkästen.

Sehepunkte. Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften, Ausgabe 3 (2003), Nr. 4, im Forum
Armin Heinen

Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XIII, Heft 2/2003
Dirk Werle

Biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift, Bd. 52, Nr.1-2/2003. S. 286f.
Anton Tantner

kunsttexte.de. Fachzeitschrift für Kunst- und Kulturgeschichte im Netz, 2/2003
Sabine Kühl

Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft, Bd. 21, N. 1, 2003, S. 11-15
Kerstin Stüssel

Könyvtári Figyeló (Library Review), A kartotékok tudnak mindent
vol. 14. (50.) 2004. No. 3. pp. 607–612
Sipos Anna Magdolna

The Library Quarterly, vol. 77, no. 1, January 2007, pp. 93–95
Vivien Petras