Isabelle Castera

Projekttitel

Verschränktes Sehen: Eine Epistemologie der Interferenz am Beispiel der Quantenbildgebung (AT)

Projektbeschreibung

Während in der Fotografietheorie und den Bildwissenschaften das Digitale bereits vielseitig diskutiert wird, so scheint das derzeit entwickelte Phänomen der Quantenbildgebung noch weitgehend unterrepräsentiert zu sein. Mittels der Quantenbildgebung wird versucht, zuvor Unsichtbares sichtbar zu machen: Ein Laserstrahl wird hierfür durch einen nicht-linearen Kristall geschickt, der durch seine Materialeigenschaft zwei miteinander verschränkte Photonenpaare mit unterschiedlichen Wellenlängenbereichen generiert. Wird nun das eine Photon über einen Interferenzspiegel zu der Objektprobe geleitet, bewegt sich das andere Photon in Richtung der Kamera. Durch die Teilung des Beobachtungsvorgangs und aus dem Grund, dass beide Lichtteilchen unabhängig ihres Ortes und zur selben Zeit über ihre Verschränkung die gleiche Bildinformation beinhalten, kann mittels des Kamera-Sensors beobachtet werden, ohne dass ein Aufzeichnungsgerät das Objekt je direkt gesehen hat. Derzeit wird an der Materialbeschaffenheit des Kristalls geforscht, um Photonen in Wellenlängenbereichen auch außerhalb des sichtbaren Lichtspektrums zu generieren. Dadurch sollen Gegebenheiten sichtbar gemacht werden, die zuvor nicht zu beobachten gewesen wären.

Die Quantenbildgebung erweitert den Binarismus des Digitalen insofern, als dass nicht mehr eine eindeutige Entscheidung für den einen oder anderen Zustand getroffen werden muss. Das Bild, welches durch ein Diffraktionsmuster entsteht, verdeutlicht den Bildwerdungsprozess ansich – eine Sichtbarmachung des Mediums selbst. Der Austausch der Lichtteilchen, welcher dem gängigen Repräsentationsmodell der Bildtheorie kategorial widerspricht, erfordert eine epistemologische Neuausrichtung auch auf dem Gebiet der Bild- und Medienwissenschaften, was bislang noch aussteht. Das Licht, welches zur Sichtbarwerdung von Unsichtbarem genutzt wird, erscheint hier im Hans Blumenberg’schen Sinne nur noch bedingt als Metapher der Wahrheit: Wahr-Nehmen impliziert immer auch ein aktives Sich-Aneignen einer Welterfahrung im Moment der Beobachtung. Wenn also zuvor Unsichtbares sichtbar gemacht wird und sich Grenzen verschieben, dann hat dies auch Konsequenzen für unser Selbstverständnis: Diese zum Bild gewordenen Phänomene sind keineswegs unabhängig von den jeweiligen Beobachtungsvorgängen, sondern zeigen auf eine Wechselwirkung zwischen Mensch und Medium hin und die Art und Weise einer Informationsverarbeitung. Die Bemühungen des Promotionsvorhabens liegen darin, die zeitgenössischen Tendenzen quantenbasierter Entwicklungsschritte von Beginn an medientheoretisch, medienphilosophisch und medienanthropologisch zu begleiten.

Vita

Isabelle Castera ist seit April 2023 Stipendiatin am DFG-Graduiertenkolleg „Medienanthropologie“ an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie studierte von 2015 – 2019 Visuelle Kommunikation (B.A.) mit dem Schwerpunkt Fotografie an der Bauhaus-Universität in Weimar. Im Jahr 2022 schloss sie ihr daran anschließendes Masterstudium Photography Studies and Research (M.A.) an der Folkwang Universität der Künste in Essen ab. In ihrer Masterarbeitet beschäftigte sie sich ebenfalls mit dem Thema der Quantenbildgebung und wurde darin von Prof. Dr. Markus Rautzenberg und Prof. Dr. Steffen Siegel betreut.