New Kids on the Block: Der gemeinschaftliche Wohnungsbau am Beispiel von München und Frankfurt
Kurzdarstellung
Spätestens vor dem Hintergrund der jüngsten Wohnungskrise erlangten gemeinschaftliche Wohnprojekte große öffentliche Aufmerksamkeit. In diesem Zusammengang wurde und wird ihnen weithin zugeschrieben, sowohl nachbarschaftliche Strukturen stärken als auch bezahlbaren Wohnraum bereitstellen zu können. Zugleich schwingt nicht selten die Behauptung mit, dass das mit den Projekten einhergehende System des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus vor allem die ohnehin privilegierte Mittelklasse fördere. Vor diesem Hintergrund zielte ich mit der Dissertation darauf ab, eine umfassende empirische Untersuchung des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus durchzuführen, die auf einer theoretisch-konzeptuellen Annäherung an sein System sowie an die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung im transformierten Wohlfahrtsstaat aufbaut. Eine rekonstruierende Untersuchung diente mir dazu, die Herausbildung des Systems des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus im Detail erklärend zu verstehen. Diese Untersuchung war zugleich zentraler Bestandteil einer Fallstudie zum gemeinschaftlichen Wohnungsbau in München und Frankfurt in den Jahren 1990 bis 2020.
Dabei zeigte sich, dass es den gemeinschaftlichen Wohnungsbau nicht gibt. Gleichwohl konnte ich im Rahmen der Dissertation herausarbeiten, dass das Zusammenspiel aus gemeinschaftlichen Wohnprojekten, intermediären Organisationen sowie Stadtpolitik und -verwaltung in der Phase der Nach-Wohnungsgemeinnützigkeit nicht nur in der bayerischen Landeshauptstadt, sondern auch in der hessischen Finanzmetropole ein System hervorbrachte, das spezifische Formen und Funktionen aufweist. Damit bestätigten sich beide Forschungsthesen, die aus meiner gemischt deduktiv-induktiven Vorgehensweise resultierten: (1) Während sich die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen seit den 1990er Jahren auf vielfältige, oftmals profitorientierte Weise transformierten, bildete sich in den wachsenden Städten und Stadtregionen Deutschlands ein neues Phänomen heraus: der gemeinschaftliche Wohnungsbau. Dieses Phänomen stieß somit in eine Leerstelle der Wohnungswirtschaft und rückte spätestens mit der jüngsten Wohnungskrise endgültig in den Fokus des öffentlichen Interesses, da gemeinschaftliche Wohnprojekte auch in der Phase der Nach-Wohnungsgemeinnützigkeit häufig für gemeinnützige beziehungsweise gemeinwohlorientierte Ansätze standen und stehen. (2) Beim gemeinschaftlichen Wohnungsbau handelt es sich genau genommen um ein System der Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung, das sich im Zusammenspiel aus gemeinschaftlichen Wohnprojekten, intermediären Organisationen sowie Stadtpolitik und -verwaltung als seine zentralen Akteur_innen konstituiert. Dabei nimmt dieses System spezifische gesellschaftliche Funktionen sowie institutionelle und baulich-räumliche Formen an, die nicht zuletzt auf die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung im transformierten Wohlfahrtsstaat des "Community-Kapitalismus" (van Dyk/Haubner 2021) zurückzuführen sind.
Verfasser
Dr. Carsten Praum ist seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Stadtplanung der Bauhaus-Universität Weimar mit einem Hintergrund in Soziologie und Stadtplanung. Er schloss sein Diplom an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ab, seinen Master an der Technischen Universität Berlin und promovierte an der Bauhaus-Universität Weimar. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung im transformierten Wohlfahrtsstaat sowie die Quartiersentwicklung im Neubau und Bestand. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit dem System des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus in München und Frankfurt. Weitere Informationen finden Sie hier.
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