Drang ohne Zwang – Kunst als praktische Forschung: hier zur Farbe ROSA | WS 2004/05

Prof. Barbara Nemitz

 

Man kann Malerei mit unterschiedlichsten Mitteln und Medien betreiben und dabei sinnliche Erfahrungen und Kenntnisse über die Farbe bekommen. Mit dieser Offenheit der Herangehensweise und dem gleichzeitigen Bewusstsein aus dem Gebiet der Freien Kunst heraus zu arbeiten, wollen wir uns hier auf eine einzige Farbe in ihren Schattierungen konzentrieren und mit den Eigenarten arbeiten. Es geht um Rosa.
 
Rosa ist eine Farbe, die nicht ganz ernst genommen wird, die irgendwie daneben liegt, die süßlich, irreal und exzentrisch ist. Dann wieder ist sie zart, schwach, kränklich und verletzlich. Aber reinlich und frisch ist sie auch, naiv und raffiniert, lustvoll und verheißungsvoll ... Die Farbe der »high and low culture« wird zuweilen als unangenehm, gar peinlich empfunden und dann auch wieder genossen, oder verbindet sich ganz schlicht mit der Vorstellung von Schönheit.
 
Woher kommt das und was steckt dahinter? Anregend für die künstlerische Arbeit mit Rosa ist die Ambivalenz, die sie bei vielen Menschen auslöst. Dieser Hintergründigkeit näher zu kommen, ist der Antrieb für die vielfältige künstlerische Auseinandersetzung damit.
 
Die künstlerische Herangehensweise ähnelt in dem suchenden Vorgehen und dem Ausgehen von Visionen, dem Betrachten, Innehalten und Finden von Möglichkeiten in vielem den Arbeitsformen der Forschung. Sie ist Forschung einerseits, aber sie ist mehr als das. Im Unterschied dazu erlaubt sich die Kunst von vorneherein ihre eigenen nicht beweispflichtigen Parameter. Damit werden neue Sichtweisen eröffnet. In diesem Sinn wird mit Rosa experimentiert.

Unser Blickwinkel wird durch eine in Tokio parallel arbeitende Projektgruppe von Studierenden und Lehrenden der Tokyo National University of Fine Arts and Music gekontert. Sie werden zu anderen Ergebnissen kommen, da Rosa im japanischen Kulturkreis andere kulturelle Verknüpfungen hat. Dort gibt es z. B. einen starken Bezug von Rosa zur Kirschblüte »Sakura«. Die rosafarbenen Blüten in ihrem Aufblühen und den nach wenigen Tagen »herabschneienden« Blütenblättern, sind das Symbol für den Tod junger Krieger, der Samurai, die in der Blüte des Lebens im Krieg fallen. Die Empfindung von Rosa wird durch das Wissen um den schmerzhaften Verlust gesteigert.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass die zarte Farbe hier einer männlichen Thematik zugeordnet wird. Die Farbempfindung in unserer globalen Gesellschaft ist ein Feld, auf dem es komplexe, noch zu entdeckende Kontexte gibt. Über Rosa, der Farbe mit dem besonders weichen Faktor, ist wohl gerade deshalb kaum geforscht worden. Umso mehr gibt es in der jahrhundertealten Tradition der Kunst bis hin in die aktuellsten Produktionen immer wieder kräftige, markante Werke, die die Farbe brilliant in Szene setzen. Man kann die Reihe von Fragonard über Picasso, C. D. Friedrich und E. L. Kirchner, bis hin zu Louise Bourgeois, Wolfgang Tillmans oder Derek Jarmann und Pina Bausch vor dem inneren Auge vorbeiziehen lassen. Mit Rosa wird Position bezogen. Es hat seinen Platz.

Die Arbeiten im Projekt sind Bestandteil der Vorbereitungen der in Tokio 2005 2006 stattfindenden offiziellen Präsentation »Deutschland in Japan«. »Rosa« wird als Beitrag des Landes Thüringen in Form einer gemeinsamen Kunstausstellung mit Lehrenden, Studierenden sowie internationalen Gästen im September 2005 im Museum der Tokyo National University of Fine Arts and Music gezeigt.

Für das anspruchsvolle internationale Vorhaben werden Teilnehmer gesucht, die sich speziell mit der Anmutung und den Inhalten von Rosa beschäftigen möchten und die Ihre eigenen künstlerischen Arbeiten damit entwickeln.

Neben dieser Arbeit besteht die Möglichkeit, sich in angewandten Bereichen bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung einzubringen: Sponsoring, Pressearbeit, Ausstellungsdesign, Websitegestaltung und Pflege. Das Projekt wird im Sommersemester 2005 fortgeführt.

Präsentation des Wechselstromprojektes