Winter 2021 / 2022
















Ideal (  vs.  ) Wirklichkeit
Entwurf
Master Architektur / Urbanistik

Das Entwurfsstudio ist Teil der über 6 Semester angelegten Projektreihe Peripherie(vs.)Zentrum in mit der wir uns konsequent in den nächsten Semestern mit dem suburbanisierten Raum auseinandersetzen und nach Strategien suchen, mit denen wir die weitere Zerschneidung und Versiegelung unserer Kulturlandschaft gestoppt werden kann.
In diesem Semester werden wir uns zusammen mit der Professur Stadt und Wohnen des Karlsruher Instituts für Technologie von Professor Christian Inderbitzin mit der Frage auseinandersetzen: „Wie wollen wir wohnen?”.
Zwischen Stadt und Land, zwischen München und Oberbayern suchen wir in einem aufgelassenen Gewerbegebiet im suburbanen Raum Münchens nach einer Antwort auf diese Frage. Der Norden Münchens ist noch Teil der Münchner Schotterebene, die Topografie ist überwiegend flach. Die Niedermoore wurden im 18. Jahrhundert trockengelegt und für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Geblieben ist ein sensibler Landschaftsraum, in dem sich Landwirtschaft, Heideflächen und wenige Auenwälder an der Isar und an den Kanälen abwechseln. Gleichzeitig ist dies einer der wichtigsten Wirtschaftsräume der Stadt. Von BMW, der Technischen Universität in Garching bis zum Flughafen München sind einige der wichtigsten Arbeitgeber hier ansässig. Die entstandene Landschaft ist einzigartig und gleichzeitig paradigmatisch für den suburbanen Raum innerhalb wirtschaftlich wachsender Metropolregionen. Sehenswürdigkeiten wie die Allianzarena bilden zusammen mit der Autobahn, Müllbergen und Windrädern einen unverwechselbaren Raum im Übergang zur Heide im Norden. Das Nebeneinander von Einfamilienhaus, Heizkraftwerk oder Gewerbegebiet und bayerischen Dörfern generiert oft pittoreske Momente. Eingebettet in diesen Raum sind Denkmäler und Wahrzeichen der bayerischen Geschichte und Baukultur, wie das Schloss in Schleißheim oder den Domberg von Freising. Orte, die oft wie aus der Zeit gefallen wirken.
Das Ideal, auf dem Land zu leben, sich selbst zu versorgen, mit seinen Mitmenschen gleichberechtigt zusammen zu leben und das Ideal, mit der Natur im Einklang zu leben, werden oft verbunden, wenn man der Stadt den Rücken kehrt und mit Gleichgesinnten eine neuen Ort begründet. Wir wollen uns in diesem Semester mit den Idealen auseinandersetzen, aber auch mit der möglichen Umsetzung. Dabei geht es um eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit dem gebauten Bestand im Sinne des Urban Mining. Wie kann ein Ort bestehend aus Gewerbehallen, Bürogebäuden, Parkplätzen und Brücken ressourcenschonend umgebaut werden? Wie kann man hier wohnen und arbeiten verbinden oder neue Formen der Landwirtschaft anbieten?
Das Entwurfsstudio besteht aus einer Exkursion nach München, künstlerischen Übungen und einem Entwurf, der von einem Städtebau in Gruppenarbeit bis zu einem Entwurf eines Wohngebäudes vom Grundriss, Ansicht, Schnitt bis zum Detail führt.

Die Teilnahme an der Vorlesung Arch.(    )Stadt wird empfohlen.















25 Jahre Zwischenstadt
Seminar
BA und MA Architektur / Urbanistik

Das Erscheinen des Buches „ZWISCHENSTADT: zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land“ von Thomas Sieverts ist 2022 bereits 25 Jahre her. Wir wollen das Jubiläum nutzen, um uns wieder mit dem Gegenstand seiner Untersuchung, dem suburbanen Raum auseinanderzusetzen. Das Buch ist eine der erfolgreichsten Publikationen über Städtebau, Stadt- und Raumentwicklung der letzten Jahrzehnte. Seinen Erfolg verdankt es unter anderem dem ambivalenten Titel, der immer noch viel Raum für Interpretationen lässt.
Das Ziel des Buches, die Augen für die Räume jenseits der großen Zentren zu öffnen, hat das Buch, zumindest für kurze Zeit, erreicht. Sieverts ist es gelungen, dem oft unzugänglich wirkenden Expertenthema der Raumentwicklung eine größere Bühne zu geben.
Trotzdem hat sich die Situation in den letzten 25 Jahren durchgehend verschlechtert. Entgegen eines gewachsenen ökologischen Bewusstseins, wird die Landschaft weiterhin zerschnitten und versiegelt. Die Auswirkungen für die Biodiversität werden immer deutlicher, das Artensterben offenkundig. Gleichzeitig scheint die fortschreitende Urbanisierung zur Sicherung unseres Wohlstandes bis heute alternativlos zu sein.
Mit zunehmender Dynamik städtebaulicher Transformationsprozesse verändert sich auch der suburbane Raum. Hochfunktionalisierte Flächen werden nach kurzer Zeit durch neue Funktionen besetzt. Das Drama der Peripherie liegt darin, dass sich gerade auf den brauchbarsten Flächen Bauten mit einem Mangel an Dichte ansiedeln. Die Landschaft wirkt durch die Schneisen der Infrastruktur wie ein Schnittmuster, an deren Knotenpunkten sich die Zentren der Warenverteilung anlagern. Mit seiner hohen Komplexität und Dynamik entzieht sich dieser Raum einem einfachen Verständnis von Ordnung und Schönheit. Wenn wir uns den Problemen der Umweltzerstörung, der Biodiversität und des Klimawandels stellen wollen, müssen wir diese weitgreifenden räumlichen Transformationsprozesse verstehen lernen. Lernen, wie das komplexe Raumgeflecht funktioniert, wie Zentren und Peripherie miteinander interagieren, um aktiv auf die aktuellen Entwicklungen einwirken zu können.
In dem Seminar setzen wir uns mit den verschiedenen Theorien zum suburbanen Raum auseinander. Von der Zwischenstadt, der Randstadt, der Netzstadt bis zur Analyse der Suburbia. Es gibt eine Vielzahl von Theorien und Texten, die versuchen das komplexe Phänomen des urbanisierten Raums unserer Metropolregionen zu entschlüsseln. Wir werden uns in dem Seminar mit den unterschiedlichen Texten und Ihren Theorien auseinandersetzen, um eigene Denkmodelle und Theorieentwürfe zu Erscheinung und Funktionsweise des suburbanen Raums zu entwickeln.
Das Seminar ist Teil der Projektreihe Peripherie(vs.)Zentrum unserer Professur.
Zusammen mit den Entwurfsstudios untersuchen wir in den kommenden Semestern den suburbanisierten Raum, um neue Strategien im Umgang mit dem Urban Sprawl zu entwickeln.















Space, Time, Critique
Workshop
BA und MA Architektur / Urbanistik

Am Beispiel der Stadt Berlin werden wir Raumformen, deren Historie nach wiederholter Überschreibung nicht mehr eindeutig zu entziffern ist und Raumstrukturen, die durch eine nicht erfassbare Anzahl von Faktoren bestimmt werden, auf ihre Weltoffenheit und Toleranz, auf Zugänglichkeit und Belastbarkeit hin befragen.Dabei erfolgt die Auswahl der Fallbeispiele nicht der bipolaren Trennung in Peripherie und Zentrum mit einem angrenzenden „Zwischen-”, sondern wird im Sinne einer Versuchsanordnung mit Variablen unterschiedlichen interdisziplinären Protagonist*innen an Orte ihres Alltags folgen, um das Unvorhersehbare nicht den Allgemeinplätzen unserer fachlichen Vorkenntnis unterzuordnen.Zwischenräume werden als die eigentliche und eigenständige Figur der Untersuchung thematisiert, um städtebauliche Gestaltungsansätze vom kulturellen Erbe der Weimarer Republik über die Postmoderne bis in die Gegenwart von deren wechselnden ideologischen Konnotationen zu trennen und den zugehörigen Bildern, die sich in stetiger Transformation durch alltägliche Maßnahmen des Stadtumbaus befinden, eine aktualisierte Lesart hinzuzufügen.Ziel des Seminars ist es einen kritischen Reader herauszugeben, der weniger den Ist-Zustand konstatiert, als Potentiale und Möglichkeiten des Raums offenbart. Zusätzlich zu den wissenschaftlichen Textformaten sind gemäß Rem Koolhaas’ eigener Textproduktion auch Formate wie Bedtime-Story, Cartoon, Dream, Epitaph, Manifest, Mini-Farce, Poem, Text oder Theory möglich.
Das Seminar findet als Blockseminar mit zwei Workshops in Berlin statt. Es gibt ein Hygienekonzept, dessen Einhaltung für alle Teilnehmer*innen verbindlich ist.
Zusätzlich findet eine Einführungsveranstaltung in Weimar, sowie Vorbereitungstreffen der Workshops via BigBlueButton statt.















Stadt (  vs.  ) Landschaft
Charting the possibilities of cohabitation
Seminar
BA und MA Architektur

Die europäische Architektur basiert immer noch auf dem Versuch, durch Gebäude eine Innenwelt zu konstruieren, welche von ihrer Umwelt größtenteils entkoppelt ist. Die heutige Stadt kann als solch eine kontrollierte Innenwelt gelesen werden. Die Idee dieser Stadt fundiert noch immer in der athenischen Polis: Ein Ort, an dem Tiere und Pflanzen sowie Sklaven und Frauen ausgeschlossen waren und ihnen jegliches Teilhaben abgesprochen wurde. Ähnliche Muster der Trennung lassen sich ebenso in den heutigen Städten finden. Es besteht nach wie vor der Gedanke, dass die Stadt, sowie die menschlichen Städter:innen, der Sphäre der Kultur zugeordnet werden und damit der Sphäre der Natur, der Pflanzen und Tiere, gegenüberstehen.Heute wissen wir, dass eine Abgrenzung des menschlichen Habitats nicht möglich ist, dass alle Lebensformen, die den Planeten bewohnen, einander auf komplexe Weise beeinflussen. Die Stadt gehörte nie nur den Menschen, auch Tiere und Pflanzen waren immer schon Stadtbewohner:innen. Aufgrund der räumlichen Vielfalt von Architektur eröffnet der Stadtraum gleichermaßen neue Habitate für Pflanzen und Tiere und schafft neue Lebensbedingungen für diese Akteur:innen.Eine ökologische Stadttransformation kann nicht nur darin bestehen, die Begriffe Ökologie und Stadt miteinander zu verbinden, sondern sie muss die beiden Komponenten von Grund auf anders denken und wahrnehmen. Die Beziehung des Menschen zu Habitat, Pflanzen und Tieren gilt es neu zu organisieren und die lange bestehenden Unterscheidungen und Abgrenzungen aufzulösen. Gegenwärtiges Handeln, wie es Donna Haraway1 benennt, bedeutet, mit den sozialen, ökonomischen, ökologischen und politischen Widersprüchen zu arbeiten, welche in den heutigen Städten sichtbar werden. Es gilt, neue Systeme von Allianzen und Solidaritäten zu erproben, sowie eine gegenseitige Verpflichtung zum Schutz und zur Pflege einzugehen. Spontane Landschaften einer verwilderten urbanen Natur müssen als Begegnungsräume in der Stadt verstanden werden. Auch Gebäude, Freiflächen, Parks, Innenhöfe, Balkone, Dachterrassen, Gehwege, Überwege können ein Zusammenleben ermöglichen und essenziell für unerwartete Formen von Sozialität sein. Cohabitation bedeutet also nicht nur, dass ein anderes menschliches Zusammenleben möglich ist, sondern dass alle Lebensformen in der Stadt zusammen existieren können.Den Umgang mit den nicht-menschlichen Lebensformen im urbanen Raum zu erlernen, soll mit einer sensiblen Wahrnehmung des städtischen Raumes beginnen. Was bedeutet diese Blickverschiebung für die Akteur:innen? Wie bedingen sich Stadt und Natur gegenseitig? Welche von Menschen erschaffenen städtischen Infrastrukturen bieten neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen? Was bedeutet Natur, Landschaft, Garten im städtischen Kontext? Wo lassen sich in der heutigen Stadt bereits Formen von Cohabitation ausmachen?Um über diese neuen Sachverhalte diskutieren zu können, bedarf es neuer Visualisierungsverfahren für eine Stadt, in der nicht-menschlichen Lebensformen eine bedeutende Rolle zugesprochen wird und ein solidarisches Zusammenleben möglich wird. Wie können wir als Architekt:innen, Raumplaner:innen und Künstler:innen die Präsenz von Pflanzen, Tieren, Böden, Gewässern darstellen und im Diskurs sichtbar machen? Das Seminar gibt Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Vielschichtigkeit städtischer Räume und ihren Akteur:innen. Visuelle Bestandsaufnahmen unterschiedlicher Maßstäbe und Medien beginnen einen gemeinsamen Versuch, die Komplexität nicht-menschlicher Lebensformen zu ergründen und diese in passende Gestaltungswerkzeuge für ein neues Zusammenleben in der Stadt zu übersetzen.