Winter 2019 / 2020












 

 

Entwurf
Master Architektur und Urbanistik
Die Europäische Stadt – Das Projekt Marseille

Der Begriff der Europäischen Stadt wird durch die zum Teil sehr polemisch geführte Auseinandersetzung meiner Vorgängergeneration mit einer städtebaulichen Vorstellung, der Stadt des 19 Jahrhunderts verknüpft. Eine Blockrandbebauung, die klare Straßenräume definiert, eine Architektur, die mit Dach, durchgehenden Traufhöhen und einem ablesbaren Erdgeschoss operiert. Diese Generation geprägt durch die Erlebnisse des zweiten Weltkrieges, das Aufwachsen in den zerstörten Städten, lehnte, ermutigt durch die Postmoderne, die Moderne komplett ab. Eine Position, die trotz einiger Erfolge im Zuge der Renaissance der Innenstädte, nicht haltbar ist.
Stadt ist komplexer und es ist schwierig, all die technischen Fortschritte, wie die sich komplett veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Produktionsbedingungen von Architektur, wie Städtebau zu ignorieren.

Wir wollen wir uns weniger mit einem nostalgischen Bild der Europäischen Stadt, sondern mehr mit der Idee auseinandersetzen. Uns interessiert der Wertekanon, der der Europäischen Stadt zugrunde liegt.
Wenn man dieser Vorstellung folgt wird einem klar, dass ihrem Selbstverständnis zufolge der öffentliche, allen freien Bürgern zugängliche Raum das konstituierende Element der Europäischen Stadt ist. Ein Raum, den wir automatisch mit der Idee einer politischen Öffentlichkeit und dem Recht der freien Meinungsäußerung verbinden.
Ein Raum, der durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen in den letzten 20 Jahren sehr stark unter Druck geraten ist.

Wir wollen am Lehrstuhl den öffentlichen Raum untersuchen. Wir widmen uns der Grenze zwischen Architektur und Stadt, zwischen Haus und Stadtraum, zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Dabei interessiert uns, neben der baulichen Ausformulierungen als Schwellen, Mauern, Türen und Fenster, immer auch die soziale Auswirkung auf den öffentlichen Stadtraum. Dabei gibt es keine Vorfestlegungen. Die Architektur des 19.Jahrhunderts, gehört für uns genauso wie die Architektur der Moderne und der Postmoderne zum wesentliche Gedanken- und Kulturgut Europas. Jede der Stilepochen hat auf Ihre Weise versucht, die Idee der Europäischen Stadt, einer Gesellschaft freier Bürger weiter zu entwickeln.

Mit dem Projekt Marseille starten wir eine Entwurfs- und Seminarreihe, die sich mit verschiedenen europäischen Städten auseinandersetzt. Dabei werden grundlegende Elemente der Stadt, wie in diesem Fall der Wohnungsbau untersucht. Marseille wurde als Stadt ausgewählt, da Sie sich wie kaum eine andere Stadt eignet, die Geschichte des Massenwohnungsbaus im 20. Jahrhundert exemplarisch zu untersuchen und zur Diskussion zu stellen.