Forschung

AKTUELL: Workshop

Gattungen, Genres und die Avantgardisierung der Kunst

Weimar, 15.–16.12.2023

Mit den Avantgarden ist es am Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Abwertung von Genres und Gattungssystemen gekommen. Die Beschäftigung mit Gattungen sieht sich seitdem auch in den Geisteswissenschaften dem Verdacht des Konservatismus ausgesetzt. Wie Paul Keckeis und Werner Michler unlängst vermutet haben, könnte dies auf das modernistische Dogma zurückzuführen sein, »dass die Gattungen eigentlich nur mehr als Vorlage ihrer Überwindung taugen«.

In keinem Bereich der Kultur hat sich dieses Dogma so vollständig durchgesetzt wie in der bildenden Kunst. Während Genres die Felder des Films, der Literatur und der Musik nach wie vor strukturieren – also Produktion, Distribution und Rezeption wesentlich bestimmen – sind sie im Bereich der bildenden Kunst abwesend. Auch historisch ist das eine ungewöhnliche Situation, existierte doch bis ca. 1900 mit den Bildgattungen in der Malerei eine stabile und wirkmächtige Genrestruktur.

Könnte die Abwesenheit von Genres darauf zurückzuführen sein, dass die bildenden Kunst im Vergleich zu den anderen Künsten auf umfassendere Weise ›avantgardisiert‹ wurde? Wenn man Genres als normative Systeme versteht, die inhaltliche Vorgaben machen, ästhetische und soziale Hierarchien schaffen, gleichzeitig aber auch Gelegenheiten zu Überschreitungen (und damit poetologische Spielräume) bieten, dann stellt sich jedenfalls die Frage, was die Abwesenheit von Genres für die Kunst bedeutet.

Immer noch folgt die Kunsttheorie gerne der avantgardistischen Selbstbeschreibung, die Abschaffung der Genres und Gattung sei vor allem ein Autonomiegewinn. Demgegenüber soll es im Workshop darum gehen, über die historischen Gründe und über die ästhetischen und sozialen Folgen der An- und Abwesenheit von Genres über die Fachgrenzen hinweg nachzudenken.

Organisation: Jan v. Brevern (Bauhaus-Uni Weimar) & Tobias Vogt (Universität Oldenburg)

PROGRAMM

Freitag, 15.12.
Belvederer Allee 5 (IfEU), Raum 008

15.00h Begrüßung & Einführung 
15.30h Cornelia Ortlieb (Berlin): „Gelegenheitsgedichte“
16.30h Jana August (Göttingen): Shake it all up. Genres und Gattungen im (post)modernen Museum
18.00h Textdiskussion: Juliane Rebentisch, »Singularität, Gattung, Form« (2017), vorgestellt von Jan v. Brevern

Samstag, 16.12.
Marienstr. 9, Raum 103

09.00h Martin Bauer (Berlin): „Lass das bleiben!“ Über Risiken, Gattungen und Märkte
10.00h Ivo Ritzer (Bayreuth): Genre-Globalisierungen
11.15h Textdiskussion: Rembert Hüser, »Großvaters Axt« (2011), vorgestellt von Manuela Klaut (Weimar)
12.00h Lukas Töpfer (Oldenburg): Ein paradoxes Paradigma: Robert Barrys »Closed Gallery Piece«

Gäste sind herzlich willkommen – wir bitten um formlose Anmeldung per Email: jan.brevern@uni-weimar.de


Laufende Forschungsprojekte

Bildgattungen und Normativität.
Soziale und ästhetische Potenziale von Genres in der Kunst

Das Projekt »Bildgattungen und Normativität« versteht Genres als ästhetisch-soziale Institutionen, die normative Ordnungen vorgeben. Dabei geht es mir sowohl um eine historische Perspektive als auch um systematische Fragen.
Das System der Bildgattungen strukturierte bis von ca. 1600 bis 1900 den sozialen Raum der Produzenten wie der Rezipienten der bildenden Kunst und steuerte deren Erwartungen. Ziel des epochenübergreifenden Projektes ist es, die gesellschaftlichen und ästhetischen Potenziale von Genres – und damit auch die Auswirkungen ihres Relevanzverlustes in der Kunst – besser zu verstehen. In einer komperatistischen Perspektive wird das Feld der Kunst dabei auch mit anderen kulturellen Feldern, in denen Genres wichtig waren oder sind, verglichen. Zugleich soll die sich wandelnde Bedeutung von Genres und Genregrenzen unter digitalen Bedingungen berücksichtigt werden.

Die Attraktivität der zeitgenössischen Kunst
in Kooperation mit Dr. Léa Kuhn

Obwohl der Zugang zur Kunst allgemein als schwierig und mit hohen Hürden versehen gilt, stößt die Kunst der Gegenwart bei einem recht breiten Publikum auf ein enormes Interesse. Warum ist das so? Was erhofft sich das Publikum von der Kunst?
Bisher weiß man über die Motivationen des heutigen Publikums erstaunlich wenig. Die Frage nach ihrer Attraktivität nimmt die Kunst als ein Feld in den Blick, dessen Rezeption nicht nur milieuabhängig ist, sondern das selbst sozial strukturierend wirkt. Wir möchten Impulse aus der Soziologie aufnehmen, um eine kunsthistorische Perspektive auf den »appeal of the contemporary« zu gewinnen. 

›Photologie‹.
Fotografische Vermessungen des Lichts im 19. Jahrhundert

Die Fotografie war in der ersten Hälfte des 19. Jh. die wichtigste Technologie zur Erforschung des Lichts. Jahre vor der offiziellen Vorstellung der Fotografie in Paris 1839 wurden fotografische Emulsionen genutzt, um die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Sonnenspektrums – eines der drängendsten wissenschaftlichen Probleme der Zeit – zu untersuchen. Die dabei entstandenen ›Bilder‹ waren Mittel, nicht Zweck der Forschungen, und sie wurden weniger angeschaut als ausgewertet und vermessen. Die Entdeckung nicht-sichtbarer Teile des Spektrums gehörte zu den erkenntnistheoretisch bedeutendsten Ergebnissen dieser Experimente.
In diesem Projekt geht es um die enge Verbindung zwischen der Erforschung des Lichts und der Geschichte der Fotografie in der Zeit zwischen 1820 und 1850. Dabei soll der epistemische Status eines neuen, instrumentellen Bildtypus untersucht werden.


Veranstaltungen, Tagungen, Workshops

Warum fotografieren wir?
Ringvorlesung im SoSe 2022, Universität Siegen
--> Flyer/Programm

Ethik und Ästhetik der Distanz (Autorenworkshop)
gemeinsam mit Anna Degler
FU Berlin/Uni Siegen
Exzellenzcluster »Temporal Communities«, Berlin, 26. November 2021

Stilfragen / Stilgeschichten (Autorenworkshop)
gemeinsam mit Joseph Imorde
Museum für Gegenwartskunst Siegen, 15. & 16. November 2013
--> Programm

Photography's Past Futures
gemeinsam mit Vanessa Schwartz
Getty Research Institute, Los Angeles, 8. Mai 2013
--> Programm

Die totale Erfassung der Welt. Zur Geschichte fotografischer Messbilder
gemeinsam mit Katja Müller-Helle
IFK Wien, 27. Mai 2011
--> Programm