Story

Thomas Wagner hat es nach seiner Zeit im neudeli nach Berlin verschlagen. Aktuell ist er Teamleiter des Startupservices an der HU Berlin.
Erstellt: 13. Juli 2021

Vom Praktikant zum Chef - Thomas Wagner im Interview

Die Gründerwerkstatt wird 15 Jahre alt und du warst fast von Beginn an dabei. Erst als wissenschaftliche Hilfskraft, ab 2005 als Berater und später als Leiter des neudeli.

Da fehlt noch etwas! Da fehlt meine Praktikumstätigkeit. Ich habe mit einem Praktikum im neudeli angefangen, wurde dann Hiwi und danach Festangestellter.

Kannst du dich noch an die erste Begegnung mit der Gründerwerkstatt erinnern? Was hat dich damals begeistert?

Ich kann mich sehr gut erinnern. Mich hat die offene Atmosphäre begeistert. Ich fühlte mich sofort sehr aufgenommen und vom Spirit, der im Haus herrschte, inspiriert.

Hast du diesen Gründerspirit auch innerhalb des neudeli-Mitarbeiterteams wieder- gefunden und später als Berater selbst mitgestaltet?

Wiedergefunden auf jeden Fall, gleich von Anfang an. Mitgestaltet während meiner Zeit im neudeli definitiv auch. Das war einer der zentralen Punkte, der mich an der Arbeit gereizt hat und es war allgegenwärtig zu spüren.

Kannst du dich an konkrete Aktionen erinnern, mit denen ihr diesen speziellen Gründerspirit fördern wolltet?

Eines der zentralen Dinge war der erste »neudeli-Tag«, der später im »Gründer- und Innovationstag Jena – Weimar« aufgegangen ist. Mit diesem Format konnten wir im kleinen Rahmen neue Themenfelder ansprechen, aber auch innovative und coole Leute aus der Gründerszene nach Weimar holen, um ihnen zu zeigen, was an unse- rem Standort passiert. Wir konnten unseren Gründern und Gründerinnen die Möglich- keit geben, den Spirit, den sie täglich verbreiten an andere weiterzugeben. Das Ganze hat langfristig zu einer extremen Markenbildung geführt, die mir–auch wenn ich nicht mehr im neudeli arbeite – noch oft über den Weg läuft. Die Marke neudeli ist auch heute deutschlandweit sehr präsent in Bezug auf die Themen Gründung und Innovation. Das neudeli war ein Wegbereiter und trug zu einer klaren Profilbildung bei. Ich bin über- zeugt, dass man sagen kann »Deutschland schaut nach München und nach Berlin, Ber- lin und München schauen aber auch nach Weimar«. Das ist ernsthaft so! Ich bin seit Kurzem in Berlin. Sicherlich hat meine Zeit in Weimar massiv dazu beigetragen, dass ich den Job bekommen habe. Das neudeli mit seinen Leistungen hat immer mit zu den Innovativsten gehört. Bestehende Konzepte wurden immer wieder infrage gestellt, wo- durch man sich beständig weiterentwickeln konnte, sodass das neudeli auch heutzuta- ge mit seinen Angeboten und Leistungen am Puls der Zeit ist.

Während deiner Zeit im neudeli habt ihr als Team viele Formate etabliert und Partnerschaften vorangetrieben. Du hast gerade schon den »Neudeli-Tag« er- wähnt. Welche Meilensteine gab es noch?

Definitiv die Förderung durch Microsoft. Das war ein zentraler Punkt um innerhalb Deutschlands an Bedeutung zu gewinnen. Ein weiterer Meilenstein war die Etablie- rung des Ideenwettbewerbs, der vorher unter dem Förderprogramm »GET UP« lief. Als diese Förderung endete haben wir den Ideenwettbewerb in Weimar behalten und mit den Kollegen in Jena zusammen durchgeführt. Die Art und Weise, wie wir das Ganze aufgezogen haben, war sehr interessant für andere Standorte in Deutschland, die öf- ter auf uns zukamen, um die Konzeption des Ideenwettbewerbs zu bekommen, die wir natürlich gern herausgegeben haben! Das Ganze hat zu einer starken Vernetzung mit anderen Standorten geführt. Ein weiterer zentraler Punkt war das Prototypen-Seminar. In seiner Gesamtkonzeption fand ich das Prototypen-Seminar sehr innovativ und ziel- führend in Bezug darauf, wie man Unternehmertum etablieren und nutzen kann.

Gab es denn auch Dinge, die dich als Berater genervt haben?

Das Thema Finanzierung. Dieses stetige »sich verkaufen müssen« oder auch »neue Sachen ausdenken müssen«. Das war manchmal schwierig, weil es sehr viel Zeit vom eigentlichen Beraten gekostet hat. Allerdings hat es auch dazu geführt, dass wir uns ständig infrage stellen und–so wie wir es jedem Start-Up raten–weiterentwickeln mussten. Wir haben die Grundkonzeption des neudeli immer wieder neu überdacht, was aber auch dazu geführt hat, dass wir immer am Puls der Zeit waren.

Nach deiner Zeit in Weimar hast du dir 2010 eine Auszeit genommen und bist durch Asien gereist. Was hat dich dazu bewegt, diesen relativ drastischen Bruch zu machen?

Ich wollte neues kreatives Potenzial sammeln. Bei der Arbeit bringt man sehr viel von der eigenen Kreativität ein, die irgendwann erschöpft ist. Ich wollte meine Akkus neu auftanken. Gleichzeitig glaube ich, dass es sinnvoll ist, auch mal die Mannschaft zu wechseln, um neue kreative Impulse reinzubringen und nicht immer in den alten Be- reichen zu schwimmen. Das geht manchmal nur durch einen personellen Wechsel. Die Art und Weise, wie Gründer und Gründerinnen vor allem in Weimar leben–»Ich habe eine Vision und ich setze sie durch gegen alle Widerstände, die da sind«–hat mich sehr inspiriert. Da ich selbst nicht unbedingt den Gründungswillen hatte, habe ich mich in einer anderen Art und Weise verwirklichen wollen und das war eine Reise. Aber das Thema Gründung hat mich auch während des Reisens stets begleitet.

Arbeiten, wo andere gründen

Wie ich gelesen habe, sogar darüber hinaus. Du arbeitest seit 2016 für die Humboldt Innovation GmbH. Das heißt, du bist der Gründerszene treu geblieben. Was ist der Reiz in diesem Bereich zu arbeiten?

Vor meiner Tätigkeit in Berlin war ich wieder auf Reisen, diesmal für knapp einein- halb Jahre. In dieser Zeit bin ich mit vielen innovativen und auch andersdenkenden Menschen zusammengekommen. Auch während der zweiten Reise war mein Know- how gefragt, das heißt ich habe sehr viel beraten. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, dass mir das Thema Beratung einfach liegt, vor allem mit Gründerinnen und Gründern. Ich habe verstanden, dass ich persönlich darin aufgehe, mich mit neuen Ideen auseinanderzusetzen, sie zu befördern und zu unterstützen, so dass sie Realität werden. Diese Erkenntnis hat mich immens beeinflusst und motiviert. Zum neudeli konnte ich nicht zurück. Das war eine Station meines Lebens, die abgeschlossen war – auch wenn es das Beste dahingehend arbeitstechnisch war. Ich wollte über den Tellerrand des kleinen Thüringens schauen und in die große Gründerszene eintauchen. Letztend- lich habe ich mich für Berlin entschieden.

Also war das neudeli ein kleiner Wegbereiter für alles andere?

Ein ganz großer. Ein ganz großer. Ein ganz großer...

Hast du im neudeli etwas gelernt, das du in deiner heutigen Tätigkeit einsetzt?

Zum einen ist es die Art und Weise der Beratung. Sich nicht als Service-Einrich- tung oder Unterschriftenstelle zu verstehen, sondern vielmehr die Möglichkeit zu se- hen, einen Ort zu schaffen. Etwas Physisches zum einen, aber auch etwas Spirituelles in Form eines Gründergeistes. Außerdem habe ich massiv viele Kontakte geknüpft in meiner Weimarer Zeit. Sehr viele Kollegen sind mittlerweile in Berlin tätig. Wir haben hier ein Weimar-Netzwerk vor allem im Gründungsbereich, das extrem heftig ist. Von den Namen her: Nicole Ziesche, Mark Möbius, Torsten Heitjans und Alexander Nicolai, der als Professor in Weimar tätig war. Die Weimarer Szene hat sich stark in Berlin etabliert. Man kann die Grundtendenz erkennen, dass die Ausbildung, wie wir sie in Weimar genossen haben, in der Gründerszene gefragt ist. Potenzielle Arbeitgeber sind sehr interessiert, wenn man sagt, dass man aus Weimar und dem neudeli kommt. Für etablierte Leute, die im Gründungsbereich tätig sind, ist das neudeli eine Adresse, die die meisten Menschen kennen und schätzen.

Nun meine abschließende Frage: Was möchtest du der Gründerwerkstatt für die nächsten 15 oder auch 30 Jahre mit auf den Weg geben?

Wünschen würde ich eine Durchfinanzierung! Dass das neudeli die Leistungen, die es bringt, weiterhin anbieten kann, ohne darüber nachdenken zu müssen, wie das Ganze finanziert wird. Ansonsten wünsche ich dem neudeli viel Kreativität, viel Innovation und dass es die Menschlichkeit und den Spirit beibehält, die es über die letzten 15 Jahre hatte!

Über Thomas Wagner:

Über ein studentisches Praktikum kam er zur Gründerwerkstatt. Gegenwärtig ist Thomas für die Beratung und Betreuung von Gründungsprojekten an der Humboldt-Universität zu Berlin zuständig.