Theorie

Gestaltung als Resonanz

»IN TUNE« versteht Gestaltung als einen relationalen, prozessualen Akt, der sich zwischen Körper, Material, Technik und Kontext entfaltet. Zentrale Bezugspunkte sind Theorien des New Materialism und der New Dramaturgy, ergänzt durch feministische und ökologische Perspektiven auf Design. Im Fokus steht das Konzept der Einstimmung (attunement) – ein gestalterischer Zugang, der auf Responsivität, Aushandlung und Präsenz im Prozess beruht.

Materie spricht

Der New Materialism, wie ihn unter anderem Jane Bennett, Karen Barad und Rosi Braidotti denken, versteht Material nicht als passiven Träger von Bedeutung, sondern als aktive*n Akteur*in im Geflecht des Gestaltens. Begriffe wie »vibrant matter« (Bennett) oder »intra-action« (Barad) betonen, dass Form und Bedeutung nicht im Voraus feststehen, sondern sich im Prozess herausbilden im Zusammenspiel von Dingen, Körpern und Atmosphären. Diese Perspektive fordert eine Haltung des Zuhörens, der Reaktion und der kooperativen Gestaltung: Materie spricht und verlangt nach Resonanz, nicht nach Kontrolle.

Gestaltung als Komposition im Raum

Die New Dramaturgy, inspiriert durch Arbeiten von Maaike Bleeker, Christel Stalpaert oder Hans-Thies Lehmann, denkt Dramaturgie nicht mehr entlang linearer Narration, sondern als körperlich-räumliche Komposition. Im Kontext von Gestaltung bietet sie ein Denkmodell, das Prozesse offenhält, Zwischenräume schafft und Bedeutungen nicht abbildet, sondern entstehen lässt.

Dieser Zugang verbindet sich mit performativen Praktiken, bei denen der Entwurf nicht vorgibt, sondern aus Handlung, Materialkontakt und körperlicher Situierung hervorgeht.

Care, Kritik, Kontext

Feministische Theorien – etwa von Donna Haraway, Maria Puig de la Bellacasa oder Lucy Suchman – prägen unser Verständnis von Gestaltung als Care-Practice. Diese Sichtweise stellt die Frage, wie Formen entstehen, ohne sich über andere zu erheben. Sie rückt Sorge, Verantwortung und Beziehung ins Zentrum – auch gegenüber Dingen, Archiven, Materialien und Geschichten.

In der Verbindung mit ökologischen und posthumanen Denkfiguren entsteht so eine Designhaltung, die Hierarchien abbaut, Prozesse öffnet und das Verhältnis zwischen Mensch und Welt neu verhandelt.

Dialog mit dem historischen Bauhaus

Gleichzeitig treten wir in einen produktiven Dialog mit der Geschichte des Bauhauses, insbesondere mit seiner frühen Weimarer Phase als Ort materialbasierter Experimente, interdisziplinärer Zusammenarbeit und gesellschaftlicher Umbrüche. Historische Objekte aus dem Bauhaus-Archiv und Bauhaus-Museum Weimar bilden den Ausgangspunkt für eine Re-Fabrikation, die Vergangenheit nicht reproduziert, sondern rekonstruiert, hinterfragt und transformiert.