Wie „lebendig“ sind Maschinen und Pflanzen? – Neues Forschungsprojekt der Weimarer Bauhaus-Uni

Am 30.12.2022 erschienener Artikel von Marvin Reinhart in der Thüringer Allgemeine.

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Dank der freundlichen Genehmigung der Thüringen Allgemeinen stellen wir Ihnen den Artikel zur Verfügung.

Wie "lebendig" sind Maschinen und Pflanzen? Neues Forschungsprojekt der Bauhaus-Universität Weimar widmet sich der Beseeltheit von Natur und technischen Apparaten.

Marvin Reinhart

Weimar. Vier Männer in roten Hemden, mit schwarzer Krawatte, industrielle Sounds: Mit Veröffentlichung des Albums »Die MenschMaschine« gelang der Band Kraftwerk Ende der 70er-Jahre nicht nur ein weiterer richtungsweisender Schritt für die elektronische Musik, sie widmete sich auch einem Themenfeld, das in der Ideengeschichte schon lange thematisiert, dieser Tage – der Digitalisierung geschuldet – wieder aktueller denn je ist. Der Frage nach dem Verhältnis von Mensch zur Maschine.

Schon ETA Hoffmann trug mit dem Sandmann zum Diskurs bei, nachdem sich die schöne Olimpia in der 1816 erschienen Novelle als Automat erweist und damit Nathanael in den Wahnsinn treibt. In Ernst Jüngers 1957 erschienen Roman »Gläserne Bienen« bekommt es der Protagonist mit Apparaten zu tun, die menschlichen Körperteilen und Insekten nachempfunden sind. In dem Film »Ex Machina« (2014) verliebt sich der Protagonist in einen Roboter, und wer jemals Schach gegen einen Computer gespielt hat, weiß, wie schnell wir beginnen, einer Maschine menschliches Verhalten zuzuschreiben.Dieser Tage sind Maschinen derart komplex geworden, dass wir weitaus mehr als nur rudimentär mit ihnen kommunizieren und interagieren können. Siri, Alexa, Sprachassistenten: »Diese erzeugen den Eindruck, dass wir es immer häufiger mit animistischen, also beseelten, Apparaten zu tun haben«, erklärt eine Sprecherin der Bauhaus-Universität.

Inzwischen wissen wir: Bäume kommunizieren miteinander
Neueste Erkenntnisse würden zeigen, dass Intelligenz und Kommunikation nicht Menschen und einigen wenigen Tierarten vorbehalten bleiben. »Kognitive Fähigkeiten von Pflanzen erfahren derzeit starke Aufmerksamkeit. So sind Bäume, wie wir heute wissen, durch ein von Pilzen hergestelltes ›Wood Wide Web‹ miteinander verbunden, dank dessen sie Informationen und Nährstoffe austauschen können«, so die Sprecherin weiter.

Ab dem kommenden Jahr widmet sich die Weimarer Uni in einem Forschungsprojekt mit dem Titel »Animismus/Maschinismus. Konfigurationen der Kritik zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik« der Frage nach der Beseeltheit von Natur und technischen Apparaten. Das im Fachbereich Medienwissenschaft angesiedelte Vorhaben werde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft über drei Jahre mit 546.000 Euro gefördert.

Das Projektteam setzt sich zusammen aus Henning Schmidgen, Professur für Medientheorie und Wissenschaftsgeschichte, dem Philosophen Mathias Schönher, der die Projektleitung übernimmt, sowie der bildenden Künstlerin Jenny Brockmann. Im Mittelpunkt stehe ein neu gefasstes Verständnis von »Animismus«, also der Wahrnehmung von »Belebtheit« oder »Beseeltheit«, sowie der Verortung dieses Begriffs in der medienwissenschaftlichen Forschung. »Es wird danach gefragt, welche Konsequenzen aus der Annahme einer animistischen Weltsicht resultieren würden, in der die Unterscheidung von nichtmenschlicher Natur und menschlicher Kultur aufgehoben wäre«, so die Uni-Sprecherin.