Zielsetzung

Funktionalisierung smarter Werkstoffe unter Mehrfeldanforderungen für die Verkehrsinfrastruktur

»Intelligente Werkstoffe – Grundlagen erforschen, Anwendungen ermöglichen«

In dem fünfjährigen Forschungsprojekt soll ein »intelligenter Beton 2.0« als leistungsfähiger Werkstoff für die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts entwickelt werden. Kurz: smart – adaptiv – multifunktional.

Mögliche Defekte im Gefüge, die während der Nutzung von Bauerwerken auftreten können, sollen entweder von vornherein verhindert oder nach ihrem Auftreten im Bauteil selbst erkannt und behoben werden. Darüber hinaus sollen die aus dem Verkehr resultierenden Umweltbelastungen durch Lärm und Sickoxide reduziert werden. Viele dieser verschiedenen Themenfelder wurden bzw. werden im Rahmen von Arbeiten aus der Grundlagenforschung behandelt. Das Potential, welches sich hieraus ergibt, ist sehr hoch.

Die Zielstellung soll durch drei grundlegende Strategien erreicht werden:

1. Sensorik/Aktorik

Um eigenständige Reaktionen einleiten zu können, muss ein adaptiver Beton zunächst um seinen Zustand wissen. Durch die Entwicklung neuer Sensorikkonzepte wird die Datenerfassung und -auswertung, die Energieversorgung und die Kommunikationsfähigkeit innerhalb des Betons und nach außen optimiert. Hierfür werden eine integrierte Echtzeit-Datenanalyse über Algorithmen, die durch die Sensorik selbst ausgeführt wird, sowie eine kontextbezogene, verteilt-kooperative Datenkommunikation im Sinne von vollständig dezentralen, intelligenten Sensor-/Aktornetzen erforscht und entwickelt. Auf der Basis dieser optimierten Sensorik erfolgt die Entwicklung von Sensor/Aktor-Kombinationen, die entweder autark oder in Kombination mit der nachfolgend erläuterten Verkapselungsstrategie »intelligente« Reaktionen zur eigenständigen Instandsetzung, Lärmreduzierung und Selbstheilung des Betons hervorrufen.

Die Arbeiten in diesem Arbeitsfeld umfassen folgende Schwerpunkte:

  • Optimierung der Datenerfassung und -verarbeitung
  • Energieversorgung
  • Kommunikationsfähigkeit innerhalb des Betons und nach außen
  • Entwicklung von Ansätzen zur Aktorik

2. Wirkstoffverkapselung

Innerhalb der zweiten Strategie, der Verkapselung von Wirkstoffen sowie deren bedarfsgerechten Freisetzung und Verbreitung, wird zunächst nach geeigneten Wirkstoffen/Kapselkombinationen für die angestrebten Funktionalitäten (selbständige Instandsetzung, Realkalisierung, NOx-Reduzierung der Luft) gesucht. Im nächsten Schritt sind geeignete interne und externe Schalter zu finden, die die Kapseln bedarfsgerecht öffnen. Die Kapselöffnungen sollen dabei entweder über Signale der Aktoren (z.B. bestimmte Wellenformen) oder durch Änderungen des Betons selbst (z.B. pH-Wert) initiiert werden. Die gezielte Freisetzung der Wirkstoffe wird den Beton dazu befähigen, sich selbst zu reparieren und wieder in einen unkritischen Ausgangszustand zurückzukehren.

Die Arbeiten in diesem Arbeitsfeld umfassen folgende Schwerpunkte:

  • Kapselinhaltsstoffe
  • Verkapslungsmaterial
  • Kapselöffnungsstrategien (interne, externe Schalter)
  • Ausbreitungsverhalten nach Kapselöffnung
Wirkstoffverkapselung, hier: Esterwachs-Kapseln (Foto: Doreen Erfurt)

3. Funktionalisierung und Mikrostrukturierung

Nachdem in den ersten zwei Strategien Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit der maßgeblichen Intention durchgeführt werden, den Werkstoff Beton für die Verkehrsinfrastruktur adaptiv und bei Bedarf von außen steuerbar zu gestalten, liegt der Schwerpunkt der dritten Strategie auf der Funktionalisierung und Multifunktionalisierung des Betons.

Das Arbeitsfeld umfasst zwei Schwerpunkte:

1.      Funktionalisierung von Gesteinskörnungen im Beton

Bislang dienen Gesteinskörnungen im Beton lediglich als Stützgerüst, welches durch den Industriekleber Zement stabilisiert wird. Mit der dritten Strategie (Arbeitsfeld 3) sollen geeignete Gesteinskörnungen so funktionalisiert werden, dass weitere Funktionen übernommen werden können. Dabei werden Kerne hoher Dichte mit einer weichen Schale ummantelt. Der Einsatz dieser funktionalisierten Gesteinskörnungen soll eine signifikante Verbesserung der Dämpfungseigenschaften des Betons nach sich ziehen, so dass die negativen Auswirkungen starker Aufprallereignisse und auch permanenter dynamischer Lasten reduziert werden. Anzustreben ist insbesondere eine Verringerung der Mikrorissbildung und damit eine Verbesserung der Dauerhaftigkeit der Konstruktionen. Unter Umständen ist mithilfe dieses Grundprinzips auch eine Lärmreduktion möglich.

2.      Mikrostrukturierung des Betongefüges

Durch die intelligente Verbindung von Schichten mit unterschiedlichen Gefügemerkmalen und Betonzusammensetzungen sollen neuartige Eigenschaften für das gesamte Bauteil generiert werden. Insbesondere sind auch hier die Dämpfungseigenschaften des Bauteils zu verbessern. So sollen z.B. schichtweise Helmholtz-Resonatoren in den Beton eingefügt werden, um die Wellenfortpflanzung im Material zu dämpfen. Durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Resonatoren können mehrere Frequenzen bzw. Frequenzintervalle gedämpft werden. Daneben soll in der oberen Schicht verkapseltes photokatalytisch wirkendes TiO2 (Anatas) implemetiert werden, welches über sehr lange Zeiträume freigesetzt wird. Die Kapseln beinhalten neben dem photokatalytischen TiO2 auch Zeolithe, die durch ihre feuchteregulierenden Eigenschaften in der Lage sind, lokal ideale Feuchtebedingungen für die Photokatalyse zu schaffen. Die beschriebenen Ansätze sollen praktisch in Fertigteilen für die kommunale Verkehrsinfrastruktur umgesetzt werden. Innerstädtisch ergeben sich für die Fertigbauweise von Verkehrswegen und -flächen eine ganze Reihe von Vorteilen, die durch die dargestellten Lösungsansätze ergänzt werden. Insbesondere mit Blick auf die hohen Verkehrslasten und die teilweise enormen NOx-Emissionen in großen Städten, bieten die Ansätze hohes Potential.

Für beide Themenfelder wäre der experimentelle Aufwand zur Erforschung und Umsetzung der zugrundeliegenden Ideen extrem hoch. Deshalb wird die Bearbeitung der dritten Strategie in enger Kopplung von Simulation und Experiment erfolgen.

Funktionalisierung Gesteinskörnung | Mesoskalenmodell zur Simulation der Schwingungsdämpfung (Grafik: Meisam Ansari)

Einsatz neuer Fertigungstechnologien

Am FIB wird u. a. ein computergesteuerter Baufertigungsroboter eingesetzt, um die Entwicklung, Validierung und Implementierung von zukunftsweisenden, neuen Konzepten in der additiven Fertigung für das Bauwesen zu unterstützen. Maßgebliche Zukunftsfelder sind:

  • die additive Fertigung zementgebundener, bewehrter Bauteile,
  • die Integration intelligenter Sensorik in den additiven Fertigungsprozess und
  • die Weiterentwicklung digitaler Modelle und Schnittstellen.

Das Großgerät soll im Arbeitsfeld 3 im Bereich der "Mikrostrukturierung des Betongefüges" zur Herstellung komplexer Geometrien und mehrschichtiger Bauteile, insbesondere für Schallschutzanwendungen, eingesetzt werden.

3D Betondruck an der Bauhaus-Universität Weimar

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Umsetzung der drei erarbeiteten Strategien in Betonen für die Verkehrsinfrastruktur

Nach erfolgreichem Abschluss des Projektes wird die Basis für einen sich selbst analysierenden und reparierenden »intelligenter Beton« für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen. Dieser erkennt Problemfelder innerhalb der Konstruktion selbständig und leitet eine Reparatur ein. Durch eine Funktionalisierung trägt er zur Lärmreduzierung und Luftreinhaltung bei.

Anwendungsfelder:

  • Brückenbeton (Erhöhung der Dämpfung und selbständige Instandsetzung)
  • Beton für Lärmschutzwände (Lärmreduktion)
  • Geschichteter Fertigteilbeton für innerstädtische Verkehrswege/-flächen (Dämpfungs- und Lärmreduktion, selbständige Instandsetzung, langanhaltende NOx-Reduktion)
Konzept des intelligenten Betons - Kombination von Sensorik/Aktorik und Verkapselung (Grafik: Kay Smarsly)