Prof. Dr. Anna Minta

Hoffnungen und Hirngespinste. Architekturkonzepte und Bildwelten Palästinas in Eigen- und Fremdwahrnehmung

Als Schauplatz biblischer Geschichte und damit als Ursprungsort jüdischer, muslimischer und christlicher Kultur- und Zivilisationsgeschichte hat die Region Palästina seit jeher die Fantasie gereizt und vielfaältigste Vorstellungen über das Land und seine historischen Orte entstehen lassen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert nehmen Reiseund Pilgerberichte sowie Dokumentationen über Landschaft, Leben und Leute im "Heiligen Land" insbesondere in Form von Zeitschriftenbeiträgen stark zu. Diese Berichte mit begleitenden Bildern und Fotografien prägen und manipulieren die Wahrnehmung von Palästina.

Auch die auf dem Ersten Zionistenkongress 1897 in Basel offiziell konstituierte Zionistische Bewegung, die programmatisch das Ziel der Gründung einer "gesicherten jüdischen Heimstätte" in Palästina formuliert hat, ist in ihren Siedlungsaktivitäten von diesen Narrativen und Imaginationen zu Palästina beeinflusst. Da im Rahmen der Diskussionen um zionistische Kultur- und Siedlungsarbeit keine offiziellen Publikationen als Anleitung zum (Auf)Bauen der neuen Heimat in Palästina vorgelegt werden, experimentieren Siedler und Architekten mit verschiedensten Konzepten, Formen und Stilen, um eine angemessene Baukunst sowohl in praktischer als auch kultureller, identitätstiftender Perspektive zu entwickeln. Als Vorbild bietet sich hier das breite Spektrum der Imaginationen vom „Hebräer“ bis zum progressiven Zionisten in der Tradition der europäischen Moderne an. Das Bauen wird dabei zum Ausdruck der historischen Verortung wie gleichermassen der gegenwärtigen Positionierung.

Dieser Beitrag diskutiert die Bildwelten zu Palästina, die in der Zeit um 1900 durch Publikationen präsent sind, und ihren Einfluss auf das Architekturschaffen vor Ort.

Prof. Dr. Anna Minta bekleidet die SNF-Förderungsprofessur "Heilige Räume in der Moderne. Transformationen und architektonische Manifestationen" an der ETH Zürich. Nach einem Studium der Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin und der Kunstgeschichte, Publizistik und Geschichte an der FU Berlin wurde sie 2003 an der Universität Kiel promoviert. Zwischen 1999 und 2014 lehrte Anna Minta Kunst- und Architekturgeschichte an den Universitäten Bern, Dresden und Kiel. 2013 habilitierte sie sich an der Universität Bern.

In ihrer Forschung konzentriert sich Anna Minta auf auratische Raumkonstruktionen und Sakralisierungsprozesse in der Moderne. Weiterhin forscht sie zu Architektur-, Kunst- und Designgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert sowie deren Vereinnahmung in Identitätskonstruktionen und Herrschaftsdiskursen. Weitere Forschungsfelder von Anna Minta sind hierbei Vermittlungsstrategien, Historiographie und Denkmalpflege.

Publikationen (Auswahl): Israel bauen. Architektur, Städtebau und Denkmalpolitik nach der Staatsgründung 1948, 2004; Building America. Die Erschaffung einer neuen Welt, 2005 (hg. mit A. Köth und A. Schwarting); Modernity and early cultures — Reconsidering non-western references for modern architecture in cross-cultural perspective, 2011 (hg. mit B. Nicolai); Im Herzen der Macht? Hauptstädte & Funktionen, 2013 (hg. mit H. Mayer und F. Sager); "Aufbruch und Reform. Deutschsprachige Kunstgeschichte seit den 1960er Jahren", kritische berichte, Heft 4, 2014 (Redaktion und Editorial mit R. Mader und Ä. Söll).