Räume der ästhetischen Erfahrung in Games und Architektur

Louis Oehler, Mastherthesis 2021

Bereits im Jahr 2003 wurde bei der 32. Konferenz der UNESCO eine erste Charta zur Erhaltung des digitalen Erbes verabschiedet. Die zweite Charta zum digitalen Erbe folgte 2009 - 'born digital' gilt ab diesem Zeitpunkt als schützenswerte Kategorie menschlichen Kulturguts; so könnten digitale Welten ebenso unter Denkmalschutz gestellt werden wie ein erhaltenswertes Gebäude. Verglichen mit architektonischen Werken, zeugen Videospiele als Kulturgut gleichermaßen vom menschlichem Ausdruck und Wissen. Umgekehrt rücken architektonische Werke mit zunehmender Digitalisierung der Produktionsverfahren in greifbare Nähe des 'born digital': Die Architekturtheoretiker Andri Gerber und Ulrich Götz sehen im Entwurfsprozess ohnehin eine starke Parallele zwischen Games und Architektur.

"The virtual spaces of games have to be designed, constructed, narrated, and filled with action - much in the way that architects attempt to anticipate how its occupants will appropriate architecture. If reality is a construction - and architecture is part of it - then the virtual spaces of games can teach us about architecture, and the role it plays in and for society." (Gerber, Andri und Ulrich Goetz (Hrsg.): Architectonics of Game Spaces (2019), S. 12.)

Auch in dieser Arbeit wird von der Verbindung aus Architektur und Videospielen gelernt. Diese Thesis widmet sich den Parallelen und Überschneidungen der beiden Disziplinen. Es stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass die Erfahrung einer digitalen Spielwelt derart verlebendigt, derart wirklich wirken kann. Reicht diese Raumerfahrung an reale, architektonische Räume heran? Umgekehrt bleibt offen, unter welchen Umständen Architektur ihre Betrachtenden in eine den Videospielen ähnelnde Raumerfahrung entführen kann. Auf den Spuren von Architekturtheoretikern des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts lassen sich überraschende Parallelen zu den Game Studies ziehen: Videospiele werfen Forschende zurück auf die Grundkonstanten der Raumwahrnehmung, wie sie unter anderem bei Dagobert Frey, August Schmarsow oder Paul Frankl niedergeschrieben wurden.

Die Arbeit versteht sich als ein Streifzug durch die Architekturgeschichte, verbindet ein neues Medium mit Architekturtheorie. Gerade aus der Warte der Architekturschaffenden können einen Videospiele lehren, wie eine nahtlose, räumliche Erzählung um Rezipierende gestrickt werden kann. Dabei drängen sich Fragen nach der Autorschaft und den eigentlichen Grenzen der Raumerfahrung auf. Kaum ein Medium ist vergleichbar störanfällig wie Videogames - Abstürze, Bugs und Glitches lassen das Erlebnis zuweilen regelrecht auseinanderbrechen und führen zu Reflektionen wie: befinde ich mich noch im Kokon der Entwicklerintentionen oder eben nicht mehr? Und: welche Absichten stecken hinter der erzählten Erfahrung? In der Übertragung führen derartige Gedankenspiele zu den grundlegenden Fragen der Architektur: wo fängt sie an und wo sie endet sie? Was gilt als gestalteter Raum und was nicht?

Bild zur Masterthesis von Louis Oehler, Titel Bar 6
Louis Oehler. Bar 6

Betreuung:
Prof. Dr.-Ing. habil. Jasper Cepl, Professur Theorie und Geschichte der modernen Architektur
Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Des. Bernd Rudolf, Professur Bauformenlehre
Jörg Brinkmann, Professur Gestaltung Medialer Umgebungen

Kontakt: louis.oehler[at]uni-weimar.de