»Das Gauforum Weimar.
Erinnerungsraum und Geschichtszeichen des Nationalsozialismus«
Kolloquium
Mit der Eröffnung des neuen Bauhaus-Museums und der Wiedereröffnung des Neuen Museums durch die Klassik Stiftung Weimar im April 2019 wird nördlich der Weimarer Altstadt ein Ensemble von Ausstellungsorten entstehen, an denen die »Moderne des 20. Jahrhunderts« thematisiert werden soll. Ab 2020 wird zudem die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in einer Dauerausstellung an das NS-System der Zwangsarbeit erinnern.
Städtebaulich dominiert wird die zukünftige »Museenlandschaft« um den Jorge-Semprún-Platz von einer Hinterlassenschaft des »Dritten Reiches«, dem einzigen fast fertiggebauten »Gauforum« als geplanten Machtsitz der NS-Eliten im »Trutzgau Thüringen«.
Das Ensemble aus drei Verwaltungs- und Repräsentationsbauten, einem Aufmarschplatz und einer Versammlungshalle gilt als Prototyp für alle geplanten Gauforen in den Gauhauptstädten Deutschlands. Dadurch erklärt sich das Engagement von Adolf Hitler, der sich persönlich an der Entwicklung des Bauprogramms beteiligte und für die Realisierung einsetzte.
Seit 1999 erinnert eine kleine Ausstellung »Das Gauforum in Weimar - Ein Erbe des Dritten Reiches« an die Geschichte des Ortes. Bis September 2019 soll die Dauerausstellung auf den aktuellen Stand der Forschung gebracht und neu konzipiert werden.
Auf dem Kolloquium werden neue museumspädagogische, ästhetische und erinnerungskulturelle Denkansätze im Umgang mit dem architektonischen und ideologischen »Erbe des Dritten Reiches« vorgestellt und im Kontext der Lokal-, Regional- und Nationalgeschichte öffentlich diskutiert.
Auf diese drei neuen musealen Vorhaben hat die neu zu konzipierende »Gauforums-Ausstellung« zu reagieren, zumal man auch den Nationalsozialismus, dessen Vorgeschichte, den politischen Terror und die staatliche Kulturpolitik – wenn auch meist ungern – als Teil einer höchst »ambivalenten Moderne« (Zygmunt Baumann) zu versehen hat. Künftige Besucher Weimars sollen die neu entstehende museale Infrastruktur inmitten der Stadt und jenseits der berühmten »Klassikerstätten« als Angebot nutzen, sich mit dem Glanz wie den Nachtseiten der viel beschworenen »Moderne« auseinander zu setzen.
Zur Geschichte
Ab Sommer 1937 verwirklichten die NS-Eliten Thüringens im Zusammenspiel mit Berliner Behörden und der Deutschen Arbeitsfront inmitten der »Klassikerstadt« Weimar ein ambitioniertes Bauvorhaben. Zwischen dem Bahnhofsviertel und der traditionsreichen Altstadt sollte ein »Gauforum« entstehen, bei dem sich die Intentionen des Regimes bei der Gestaltung ihres Machtstaates und der »Volksgemeinschaft« kongenial mit den inszenatorischen Absichten zur Legitimation der diktatorischen Allmacht des »Führers« und seiner Gefolgschaft verbinden sollten.
Verlauf und Ausgang des zweiten Weltkriegs verhinderten die Fertigstellung des Bautenensembles, das sodann von der Sowjetischen Militäradministration Thüringen vollendet, baulich zum Teil überformt und pragmatisch weiter genutzt wurde. In der DDR zogen Behörden der staatlichen Verwaltung sowie einzelne Bildungseinrichtungen dort ein. Nach 1989 setzte sich unter anderen politischen Auspizien der pragmatische Umgang mit dem Ort fort, der im Stadtbild sowie im Bewusstsein der Weimarer Bevölkerung ein erratischer Block inmitten ihrer Stadt blieb. Der zentrale Baukörper der ehemals geplanten »Halle der Volksgemeinschaft« bzw. der in den 1970er Jahre fertig gebauten »Mehrzweckhalle« wurde in den 2000er Jahren zu einem Einkaufszentrum, dem so genannten »Atrium« umgebaut.
Nach 1989 änderte sich nicht allein das Stadtbild Weimars deutlich, sondern auch die lokale Erinnerungskultur. Als Weimar sich ab Mitte der 1990er Jahre auf dem Weg machte, »Kulturstadt Europas« zu werden, entstanden in der Stadtgesellschaft wie der örtlichen Wissenschaftsszene neue Debatten über den Umgang mit dem »Gauforum« als »Erbe des Dritten Reiches«. Mehrere Kolloquien der Bauhaus-Universität nahmen sich der Sache an und griffen dabei unter anderem Impulse auf, die sich aus der vollkommenen Neu- und Umgestaltung der Gedenkstätte Buchenwald sowie der NS-Gedenkstätten-Landschaft der neuen Bundesrepublik ergeben hatten.
1999 schließlich gelang es - im Zusammenspiel zwischen der Stadtverwaltung, der Bauhaus-Universität Weimar und dem Thüringer Landesverwaltungsamt als Hausherr - im sog. »Turmhaus« eine erste kleine Ausstellung zur Geschichte des NS-Bauensembles sowie der Rolle des Nationalsozialismus in Weimar zu installieren.
Zwanzig Jahre später wird es nun nötig, diese Ausstellung physisch zu erneuern, vor allem aber inhaltlich grundlegend zu überarbeiten. Dies zumal, als sich seit 1999 nicht nur die Debatten über die deutsche und europäische Erinnerungskultur fortgeschrieben, zum Teil neu akzentuiert und verändert haben, sondern auch deshalb, weil sich das Quartier um das ehemalige »Gauforum« zu einem neuen Museumsviertel entwickeln soll und wird. Unmittelbar gegenüber der Gauforums-Ausstellung entsteht das neue Bauhaus-Museum. Das benachbarte Neue Museum, einst im 19. Jahrhundert als Landesmuseum erbaut, war ab 1937 offizieller Sitz der Gauleitung und ist seit den 1990er Jahre Teil der musealen Infrastruktur der Klassik Stiftung Weimar. Künftig wird es eine Ausstellung zur »klassischen Moderne« in Weimar enthalten, die in Beziehung zur musealen Inszenierung der Bauhaus-Geschichte stehen soll. In einem Teil der vom Landesverwaltungsamt genutzten Raumfluchten wird 2019/20 eine von der Gedenkstätte Buchenwald konzipierte Ausstellung zur Geschichte der Zwangsarbeit in Europa etabliert. Die Organisation der Zwangsarbeit lag ab März 1942 in den Händen des Thüringer Gauleiters Fritz Sauckel als dem »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz«.
Vortrag von Étienne François
Der Platz als europäischer Erinnerungsraum
Im Rahmen des Kolloquiums „Das Gauforum in Weimar – Erinnerungsräume und Geschichtszeichen des NS“ wird der international renommierte Historiker Étienne François das generelle Thema des städtischen Platzes als Erinnerungsraum thematisieren.
Als Ort mit mehreren Bedeutungen ist der Platz für ihn der städtische Ort par excellence. Er ist Bühne für Rivalitäten bei der Aneignung von Geschichte, Schauplatz realer Machtkonflikte, von Revolutionen und deren Unterdrückung. An ihm inszenieren sich die Stadt und die sozialen Gruppen und Eliten , die die Stadt dominieren und sie ihrer Autorität unterwerfen wollen.
Der Referent wird den Bogen sowohl historisch als auch geografisch weit spannen. Der städtische Platz, der in der ganzen Welt verbreitet und wiederbelebt wurde, ist für ihn inzwischen zu einem Ort der globalen Erinnerung geworden: In Peking erinnert der Tian'anmen-Platz an die Demonstrationen von 1989 für Demokratie – und deren Blutvergießen – während der Taksim-Platz in Istanbul 2013 zu einem Punkt wurde, den Autoritarismus von Recep Tayyip Erdogan herauszufordern. Auf dem Maidan begann einst die Orangene Revolution und später der Protest gegen die Annektion der Krim. Der Kairoer Tahrir-Platz sah 2011 die Anfänge der ägyptischen Revolution.
Étienne François ist Professor an der Freien Universität Berlin und lehrte bis zu seiner Emeritierung 2003 an der Pariser Sorbonne. Zu seinen wichtigsten Publikationen zählen »Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich« (1995) sowie das mehrbändige Werk »Deutsche Erinnerungsorte« (2001).
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