Radiogespräch

Empathie und Mitgefühl –und wie man sie kultivieren kann

Prof. Dr. Tania Singer, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Abteilung für Soziale Neurowissenschaften

Warum haben wir das Gefühl denselben Schmerz zu erleben, wenn wir jemand beobachten, der gerade seinen Kopf an einer Türkante stößt? Warum leiden wir mit, wenn wir vom Schicksal eines unterdrückten Volks hören? Grund hierfür ist die Empathie, die Fähigkeit uns in die Gedanken und Gefühle anderer Lebewesen einzufühlen und diese nachzuempfinden – eine der grundlegendsten menschlichen Eigenschaften.

Doch warum haben wir manchmal mehr oder weniger Empathie? Ist dieses Einfühlen vielleicht sogar trainierbar? Fragen, denen die Neuropsychologin Tania Singer auf der Spur ist und damit in einem ganz jungen Feld der Wissenschaft, den Kognitions- und Neurowissenschaften, tätig ist. Was in den Köpfen ihrer Probanden vorgeht, muss sie aus Daten des Kernspintomografen schließen, doch stellt sie ebenso die Meditation auf den Prüfstand und schlägt damit Brücken zwischen der objektiven Wissenschaft und spirituellen Praktiken, die lange Zeit von der Wissenschaft wenig Beachtung fanden. Dabei arbeitet sie u.a. mit buddhistischen Mönchen wie Matthieu Ricard zusammen, um die Gehirnaktivitäten unter unterschiedlichen Bewusstseinszuständen während der Meditation zu erforschen – „Empathieexperten, die sich extrem schnell in starke Gefühlszustände hineinversetzen können“, wie Tania Singer selbst sagt. Nun untersucht sie, ob diese Techniken auch mit Personen trainierbar sind, die noch nie etwas von Meditation gehört haben oder gar dem Begriff Meditation ablehnend gegenüberstehen.

Zuvor hatte sie in Zürich in einem ebenso jungen Feld der Wissenschaft geforscht und auch hier ganz neue Brücken geschlagen: Am Institut für Empirische Wirtschaftsforschung hat sie als Neuroöknomin untersucht, was das ökonomische Handeln von Menschen bestimmt. Gemeinsam mit Ökonomen, Philosophen und Psychologen baute sie dort das Zentrum für soziale und neuronale Systeme auf. Singer untersuchte dort u.a., wann fair und kooperativ bzw. wann unfair und egoistisch gehandelt wird. Für derlei Untersuchungen ließ sie ihre Probanden auch mal Pac-Man um Geld spielen. Singer ist -im Gegensatz zum vielbeschworenen nur an seinen eigenen Nutzen denkenden „Homo oeconomicus“- davon überzeugt, dass unser Hirn auf Zusammenarbeit programmiert ist und dass wir mehr kooperieren als egoistisch handeln.

Dabei beschreibt sie nicht nur, sie hat die Vision zu verändern und scheut sich dabei nicht vor großen Fragen wie „Was sind die Bedingungen für Altruismus oder bedingungslose Liebe? Wie funktionieren Angst und Stress und wie können wir diese reduzieren? Momentan leitet sie in Leipzig eine Langzeitstudie, wie sich Mitgefühl trainieren und Stress reduzieren lässt.

In ihrem Vortrag wird Tania Singer Einblicke in die überraschenden Ergebnisse ihrer Forschungen geben und zeigen, welche Einflüsse sie auf unser Zusammenleben in Zukunft haben können.

Tania Singer

ist eine weltbekannte und renommierte Expertin auf dem Gebiet der Empathieforschung. Nach dem Erhalt ihrer Doktorwürde von der Freien Universität in Berlin und der Otto-Hahn-Medaille im Jahr 2000 setzte sie ihre Arbeit am Max-Planck-Institut in Berlin fort. Im Anschluss arbeitete sie am Wellcome Trust Centre for Neuroimaging in London, UK, bevor sie 2007 als Assistenzprofessorin an die Universität Zürich in die Schweiz zog. Seit 2010 ist sie Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaft am Max Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und stellte ihre Forschungsarbeit, neben internationalen Konferenzen, auch mehrmals auf dem World Econemic Forum (WEF) in Davos vor.

Der Vortrag ist eine Veranstaltung der studentischen Initiative „Horizonte“ in Kooperation mit der Professur Experimentelles Radio (Vortragsreihe Radiogespräche).

Termin und Ort: Dienstag, 8. Mai 2012 um 19 Uhr im Audimax, Steubenstraße 6