Rückblick

Ambivalente Zeugnisse einer widersprüchlichen Epoche

Während dreier Tage haben 50 Wissenschaftler:innen im Audimax der Bauhaus-Universität und bis zu 150 Interessierte online höchst angeregt über die Bewertung der postmodernen Architektur diskutiert. An der gemeinsam von der Professur Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität und der Professur Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich organisierten und von der Wüstenrot Stiftung finanzierten Tagung wurde anhand von Beispielen aus Deutschland, England, Italien, Japan, Österreich, Schottland, der Schweiz und der Ukraine über die Erhaltungsperspektiven postmoderner Gebäude und ihrer spezifischen Herausforderungen debattiert. In die zur Debatte stehende Zeit der 1970er bis frühen 1990er Jahre wurden die Tagungsteilnehmer:innen  quasi aus erster Hand durch den werkbiografischen Abendvortrag von Arthur Rüegg eingeführt.

Aus der Rückschau von 30 Jahren erscheint die Epoche immer noch überaus ambivalent: Rückkehr von Ornament und Geschichte in die Architektur, ironische Doppelkodierungen aber auch die Anfänge von Öko-Architektur, der Neoliberalismus und seine baulichen Artikulationen waren immer wiederkehrende Stichworte. Die daraus resultierende Architektur erscheint erstaunlich vielfältig – zumal wenn man an die heutige Monotonie der Variationen immer gleicher grau-beiger Lochfassaden mit hochstehenden Fenstern denkt, die den Gebäudebestand der letzten beiden Dekaden prägen. Entsprechend wurde während der Tagung mehrfach die Einschätzung laut, postmoderne Bauten und deren Denkmalausweisungen würden in der Öffentlichkeit durchaus Akzeptanz finden; als die im Tagungsprogramm konstatierte „ungeliebte Epoche“ stellte sich die Postmoderne jedenfalls nicht heraus. Wenn Kirsten Angermann in ihrer Einführung das Tagungsziel „Wider die Pomophobie“ formuliert hatte, so richtete sich das letztlich eher an die Fachwelt. Allerdings zeigte es sich, dass nicht nur Historic England bereits einige Inkunabeln der Postmoderne als Denkmale gelistet hat, sondern sich auch hierzulande manche Denkmalämter bereits intensiv mit dem Bestand befassen und an Tentativlisten arbeiten. Mehrere Beiträge zur Behandlung der postmodernen Architektur in der Hochschullehre lassen überdies erwarten, dass auch der wissenschaftliche Nachwuchs zur Erfassung, Bewertung und Bewältigung der Erhaltungsproblematiken gerüstet sein wird. Die Beiträge der Tagung sollen bald publiziert werden und eine Fortsetzungsveranstaltung in Zürich wird sich im kommenden Jahr mit den Erhaltungsherausforderungen der High-Tech-Architektur befassen.