A/D – “Analog/Digital” Zur Genealogie einer medientheoretischen Basisdichotomie (B. Siegert)
Vorlesung (2 SWS)
Die Differenz “analog/digital” (a/d) tauchte in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf, um zwei grundsätzlich verschiedene Rechnertypen zu unterscheiden: Analogrechner und Digitalrechner. Seit dem Angriff der “Digitalisierung” auf alle anderen Medien in den achtziger Jahren ist a/d jedoch zu einer Unterscheidung geworden, mit der das gesamte Feld der Medien unterteilt, beobachtet und beschrieben wird. A/D ist zur Kampflinie einer Entwicklung geworden, mit der die Geschichte der Medien überhaupt ihrem Ende zuzusteuern scheint.
Statt jedoch diese Zukunftsvision auszumalen, wird die Vorlesung die Dynamisierung von a/d als Decodierung einer Serie von Unterscheidungen begreifen, die das System der abendländischen Wissenskultur organisiert haben. Eine dieser Unterscheidungen ist die zwischen dem Kontinuierlichen und dem Diskreten – Begriffe, die nicht wie a/d Signale referenzieren, sondern Modelle der Natur selbst. Damit ist die Frage nach dem Verhältnis der Medien zur Physik aufgeworfen. Auf der Unterscheidung kontinuierlich/diskret beruht wiederum die Unterscheidung zwischen Geometrie und Arithmetik, mit dieser sind verschiedene Konzepte des Graphischen verknüpft: mimetische Schriften und arbiträre Schriften, natürliche und willkürliche Zeichen.
Epistemologie der Störung. Unterbrechungen, Bugs und Rauschen in Kunst und Medien (B. Siegert/W. Ernst)
Forschungsprojekt (6 SWS)
Die Unterbrechung gilt seit der antiken Rhetorik als Figur des Erhabenen. Im en und im Abbruch der Rede, im Einbruch des Körpers in den Fluß der Erzählung, manifestiert sich ist, also Symptom, eines Undarstellbaren. Die technischen Medien haben, wie es scheint, diese Figur des Erhabenen übertragen in eine epistemologische Situation. Das Undarstellbare ist zum Grund medialer Repräsentation geworden, folglich wird die Unterbrechung, die Störung, die Interzeption zu einer Erkenntnisfigur: Erst wo Medien Widerstand leisten, werden sie als Medium sichtbar. Betreiben technische breakdowns also veritable Medienarchäologie? Martin Heidegger zufolge entbirgt sich das Wesen der Technik im Moment des Versagens; die Zuhandenheit des Werkzeugs manifestiert sich erst im Moment ihrer Abwesenheit. Das Projekt wird die Grundlinien einer Medientheorie als einer Epistemologie der Störung entwickeln und dabei kulturhistorische, ästhetische und technische Aspekte der Störung ins Spiel bringen.
Zeichenregime (B. Siegert)
Proseminar (2 SWS)
Zeichen haben immer eine spezifische Materialität, die ihre spezifische historische Erscheinungsweise bedingen: Zeichen erscheinen (u. a.) als Statuen, Bilder, Schriften, Kalküle, Tabellen, Diagramme, Geld oder Sakramente. Wenn man das Augenmerk auf die institutionellen und machttechnischen Funktionszusammenhänge richtet, in die diese historischen Erscheinungsweisen des Zeichens stets eingebettet sind, sprechen wir von Zeichenregimen – etwa von religiösen, wissenschaftlichen, juridischen, ökonomischen, disziplinatorischen oder informatischen Zeichenregimen.
Im Proseminar wechseln Blöcke, die Zeichenmodelle vorstellen und ihre unausgesprochenen (historischen wie theoretischen) Voraussetzungen reflektieren, ab mit Blöcken, in denen Beispiele historischer Zeichenregime behandelt werden. Die Auswahl der Beispiele soll in Gegenstände und Methoden einer Geschichte und Theorie der Kulturtechniken einführen.