Sommersemester 2002

Die Psyche unter Experimentalbedingungen (T. Nanz)

Proseminar (2SWS)

Aussagen über die Psyche eines Menschen lassen sich bekanntlich nicht unmittelbar vornehmen – die Psychologie muss/musste deshalb Techniken entwickeln, um bestimmte Charaktereigenschaften oder besondere Fähigkeiten einer Person festzustellen. Im Seminar wollen wir verschiedene Techniken und Methoden der Wissenschaftler verfolgen und dabei die Verflechtung von Psychologie und Medientheorie analysieren. In erster Linie werden wir uns auf die experimentelle Psychologie konzentrieren – ein Ausblick auf das Interface-Design ist geplant, die historische Arbeit steht aber im Vordergrund, so dass das Seminar zudem als eine Einführung in die Wissenschaftsgeschichte dienen kann.

Giorgio Agamben: Homo Sacer (B. Siegert)

Kolloquium (2 SWS)

Im Zentrum steht die Lektüre und Diskussion von Giorgio Agambens Homo Sacer. Ergänzend hinzugezogen werden ausgewählte Texte von Michel Foucault und Carl Schmitt. Dazwischen bleibt Raum für die Vorstellung von Diplom- und Doktorarbeiten. Das Kolloquium ist indes offen auch für interessierte Nichtdiplomanden und Nichtdoktoranden. Teilnahme nach persönlicher Anmeldung.

Instrumente, Geschichten, Medien (T. Nanz)

Proseminar (2SWS)

Armillarsphäre, Astrolabium, Camera Obscura, Chronograph, Fernrohr,
Foucaultsches Pendel, Globus, Gyroskop, Karte, Kymographion, Magische
Laterne, Pantograph, Polygraph, Röntgenapparat, Sextant, Sonnenuhr,
Stift, etc. Wissenschaftliche Instrumente bilden Naturphänomene nie
unmittelbar ab, sondern produzieren Daten, mit deren Hilfe der Anwender
bestimmte Schlussfolgerungen ziehen kann. Sie sind somit Dispositive der
Datenerzeugung – in exemplarischen Analysen wollen wir diese Dispositive
aufschlüsseln: Wir betrachten im Seminar nicht nur die Geschichte einzelner
Instrumente, sondern werden auch immer die Frage stellen, wann ein
Instrument zu einem Medium wird – und wie sich die Instrumente in die
Daten selbst einschreiben und somit das Experiment oder den Anwender
beeinflussen.

Kulturtechniken und Kolonialismus (B. Siegert/U. Holl)

Studienprojekt (6 SWS)

Das “Ungewisse”, in das Europäer seit Kolumbus so gerne und mit immer größerem Aufwand aufbrechen, ist nichts, was außerhalb Europas liegt, es ist eine “transzendentale”, durch Kalküle und Kontingenzbeobachtung geschaffene Bedingung der europäischen Expansion, die die Europäer selbst mitbrachten. Der europäische Expansionsdrang verdankt sich zum Großteil dieser “Errungenschaft” der europäischen Kultur, mit Zeichen und Leerstellen für das Unbekannte innerhalb des Bekannten zu operieren. Operative Kulturtechniken – Karten, Pläne und Instrumente – spielen dabei eine entscheidende Rolle; sie erzeugen das Ungewisse als Element, das im Rahmen einer Struktur der Wiederholbarkeit, der Merkbarkeit und der Deutbarkeit auftaucht. Die räumliche Erschließung der Kolonien selbst ist ebenfalls bedingt durch Mediensysteme; sei es in der ersten Phase der europäischen Expansion (16. Jahrhundert) durch den administrativen Apparat, der eine urbanistische Form der Kolonialisierung erzwingt, sei es in der zweiten Phase (19. Jahrhu dert) durch elektrische Telegrafie und Funk. Den Kriegern und Eroberern folgen die Kosmografen und Ethnologen, und in vielen Fällen sind es deren Geschichten und Bilder, die die Eroberer allererst zum Aufbruch ins Ungewisse verlocken. Auch die Reproduktions- und Massenmedien, die den Explorationsmedien auf dem Fuße folgten, zunächst der Buchdruck, …

Kulturtechniken und Phantastik des Kolonialismus (B. Siegert)

Vorlesung (2 SWS)

Die Vorlesung will die kolonialen Phantasmen und die Medien und Techniken der Kolonialisierung in einen möglichst engen Zusammenhang stellen. Sie orientiert sich daher zum einen an der Literaturgeschichte, insbesondere am kolonialistischen und postkolonialen Roman (und Film), zum anderen an der Geschichte der Praktiken, Kulturtechniken und Medien der europäischen Kolonialimperien von Kolumbus bis ins 20. Jahrhundert, behandelt also einerseits Romane wie die von Conrad, Kipling und Pynchon und Filme wie Apocalypse Now und andererseits Rituale der Landnahme, Grenzziehungen, Städtegründungen, Stadtpläne, Karten, Instrumente, kosmografische Berichte, Eisenbahnen, das Kanonenboot, das Maschinengewehr, Telegraphie, Funk und Film. Dazu kommt die Geschichte der Medikamentierungen (Chinin z. B.) und der Drogen (Opium und Meskalin z. B.). Geographisch wird sich die Vorlesung auf Lateinamerika (vor allem Mexico), Afrika (vor allem Ägypten und der Sudan) und Indien konzentrieren. Fast mehr noch als das Andere, das in phantastischen Gestalten wie She oder King Kong die westliche Imagination heimsucht, fürchten und bekämpfen die kolonialen Mächte indes die Gestalt, die sie selbst zuweilen in der Figur des Konquistadors und Kolonisten annehmen.