Teil II: »Bauhaus bedeutet, Grundlagen in Frage zu stellen und neue Antworten zu geben«

|   Interviews

Zweiter Teil des Interviews mit Prof. Dr. Winfried Speitkamp, Präsident der Bauhaus-Universität Weimar.

Der Präsident der Bauhaus-Universität Weimar Prof. Dr. Winfried Speitkamp hat mit uns über das Bauhaus.Semester, die Bauhaus-Universität Weimar und das historische Bauhaus gesprochen. Im zweiten von drei Teilen geht es um die Relevanz des Bauhauses, die ideengeschichtliche Verbindung zur Bauhaus-Universität Weimar und welcher Anspruch damit verbunden ist, eine Hochschule nach einem Konzept zu benennen.


Transkript des Interviews

Warum ist das Bauhaus auch 100 Jahre nach seiner Gründung noch relevant?

Das Bauhaus ist relevant, weil es in der Zeit der Not noch einmal etwas ganz Neues ausprobierte und bereit war, die Grundlagen in Frage zu stellen und neue Antworten zu geben und zu fragen: »Gibt es eine alternative Gesellschaft, können wir anders leben und wie kriegen wir Technik, Wissenschaft, Gestaltung zusammen? Müssen wir das wirklich in verschiedenen Bereichen betreiben, oder können wir das neu zusammenfügen?«

Was waren die Ideale des Bauhauses und welche verfolgt die Bauhaus-Universität noch heute? Was hat die Bauhaus-Universität noch mit der ursprünglichen Idee des Bauhauses zu tun?

Das historische Bauhaus – und das ist vielleicht das Beruhigende – ist nicht auf eine Idee festzunageln und festzulegen. Das historische Bauhaus hatte ja eine Vielfalt von Ideen. Die Gemeinsamkeit war, dass man den Mut hatte, in einer Zeit der Not, der Krise, Nachkriegszeit, Hunger, Rückkehrer aus dem Krieg, etwas völlig Neues anzufangen und etwas aufzubauen und nicht primär daran zu denken, wie man den nächsten Tag, sondern wie man das nächste Jahrhundert gestaltet. Und das war außerordentlich mutig. Das Gemeinsame war, zugleich zu sagen, wir versuchen an eine alternative Gesellschaft zu denken. Da gibt es verschiedene Wege, ein weites Spektrum an Ideen im Bauhaus, aber die Idee war: »Können wir eine neue Gesellschaft schaffen?«

Welcher Anspruch ist mit dem Bezug auf das Bauhaus verbunden?

Die Bauhaus-Universität Weimar ist – meines Wissens – die einzige Universität in Deutschland, die nach einer Idee und einer Stilrichtung benannt ist – wenn man so will, nach einem Ansatz. Andere Universitäten sind nach Personen benannt oder haben überhaupt kein Beiwort im Namen. Und damit ist tatsächlich ein hoher Anspruch verbunden, auch ein gefährlich hoher, der dazu führen könnte, dass man sich quasi als Wagenburg oder als Sekte abschließt und denkt: »Die Anderen verstehen gar nicht, was wir machen.«

Wir müssen also sehr aufpassen, dass wir als Universität immer in der Auseinandersetzung, auch im Wettbewerb mit anderen Universitäten stehen, und auch offenbleiben und nicht glauben, dass wir etwas Besseres sind.

Aber wir können doch den Anspruch ernst nehmen und sagen: Da war doch eine Grundidee, über die wir immer wieder neu nachdenken müssen, die wir als Anspruch an uns selbst und auch immer wieder als Herausforderung sehen. Wie können wir die alten Ideen aufgreifen, oder auch kritisch mit dieser Tradition umgehen, was sind heute sozusagen die Herausforderungen der Technik, wie können wir die gesellschaftlich bewältigen. Das ist das Interessante daran. Also zu überlegen: In einer bestimmten Situation haben bestimmte Menschen etwas völlig Neues probiert, sind wir heute noch so weit, oder schon wieder so weit, dass wir in einer schwierigen Situation auch wieder etwas Neues probieren? Aber nicht im Sinne von »Wir haben das bessere Bauhaus!« oder »Nur unser Bauhaus ist das richtige Bauhaus!«.

Es gibt weltweit zahlreiche Hochschulen, die sich auch mit der Bauhaus-Tradition auseinandersetzen. Gestaltungshochschulen und andere. Und da sind wir eben doch nicht mehr so einzigartig. Das sollten wir als Kooperationspartner nutzen, damit sollten wir uns auseinandersetzen und überlegen, wie modern ist denn diese ganze Idee noch und alles was dahintersteht?


Credits

Das Interview ist eine Produktion von eLab und Bauhaus.Semester:

Redaktion: Lukas Krähn und Sarah Schonert
Kamera: Steven Mehlhorn
Grafiken: Ioannis Oriwol
Schnitt: Lukas Krähn

 

zurück