Laufende Forschungsprojekte
NOMIS Research Project

THE NEW REAL: Past, Present and Future of Computation and the Ecologization of Cultural Techniques
In the 21st century, the cultural technique of computation has turned into a multilayered digital infrastructure that gives rise to an agential environment of our lifeworld. Thus, a new elemental space, the “technosphere,” is formed, in which elemental and technological media become recursively coupled to each other and produce so-called “medianatures.” Climate is a prominent example for these medianatures. Climate change but also the nature of the new media objects that we deal with in our algorithmitized lifeworlds represent a challenge to our understanding of “what is real.”
The New Real: Past, Present and Future of Computation and the Ecologization of Cultural Techniques project reacts to this challenge by attempting to define a third way beyond the traditional dualism of realism versus constructivism. To achieve this, the project aims to develop a new conceptualization of cultural techniques, based on the conviction that it is time to ecologize the concept of cultural techniques, on the one hand, and to technologize the concept of ecology, on the other. What is real is no longer what is “objectively” given. But The New Real is also not just epistemically or socially constructed. The project explores therefore an ontology by which everything that concerns us–as living beings, as social beings, as scientifically and politically acting individuals–becomes climate-like.
To achieve this, the project involves the collaboration of scholars from the computer sciences, life sciences, media studies, and philosophy. Subprojects address HCI (human-computer interfaces) as ecologies; the question of how the rise of the IoT (Internet of Things) transforms the mode of existence of “lifeworldly” objects; the question of how code becomes ontology in synthetic biology and bioengineering; and how the algorithmization of the cultural technique of filters plays an essential part in the environmentalization of media.
The New Real: Past, Present and Future of Computation and the Ecologization of Cultural Techniques is being led by Bernhard Siegert, professor for the history and theory of cultural techniques at the Bauhaus-Universität Weimar (Germany).
Projektrelevante Publikationen
mit Hannes Bajohr: Text + Kritik Sonderband. Das Subjekt des Schreibens. Über Große Sprachmodelle. 2024.
Programmieren als Kulturtechnik. Grundlagentexte, Bielefeld (in Vorbereitung).
Maschinenphilologie, Berlin 2023.
The Mother of All Demos, in: Markus Krajewski/Harun Maye (Hg.), Universalenzyklopädie der menschlichen Klugheit, Berlin 2020, S. 137–139.
Computing. Zur Einführung, in: Andreas Ziemann (Hg.), Grundlagentexte der Medienkultur. Ein Reader, Wiesbaden 2019, S. 163–167.
Signs O’ The Times. The Software of Philology and a Philology of Software, in: Ramón Reichert/Annika Richterich (Hg.), Digital Material/ism (= Digital Culture & Society, Vol. 1, Issue 1), Bielefeld 2015, S. 151–163.
Diskurs/Signal (II). Prolegomena zu einer Philologie digitaler Quelltexte, in: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, Bd. 28, 2014, S. 193–212.
Seppi, Angelika
»WIE MAN SIEHT. Industrielle Synthesen und die Kunst der Analyse«, in: Simon Baier; André Rottmann, Kunst ohne Bewusstsein?, Konstanz: Konstanz University Press, i.E.
mit Rebekka Ladewig (Hg.): Milieu Fragmente. Technologische und ästhetische Perspektiven, Leipzig: Spector Books, 2020.
mit Rebekka Ladewig: Milieu 2020. Eine Einleitung, in: Ladewig; Seppi (Hg.), Milieu Fragmente, S. 7–41.
Abstrakte Maschinen, konkrete Gefüge, existenzielle Ritornelle, in: Ladewig; Seppi (Hg.): Milieu Fragmente, S. 40–58.
Final Frontiers. Eine Medienarchäologie des Meeres. Paderborn: Brill Fink, 2024.
Kulturtechniken. Rastern, Filtern, Zählen und andere Artikulationen des Realen. Baden-Baden: Rombach Wissenschaft, 2023.
Zählen. Archäographie einer Kulturtechnik. In: Moritz Hiller/Stefan Höltgen (Hg.), Archäographien. Aspekte einer radikalen Medienarchäologie. Berlin 2019, S. 265-279.
Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung, hg. v. Lorenz Engell u. Bernhard Siegert, 7, 2016, H. 2: Schwerpunkt Medien der Natur.
Cultural Techniques: Grids, Filters, Doors, and Other Articulations of the Real. Translated by Geoffrey Winthrop-Young. New York: Fordham University Press, 2015.
Archiv für Mediengeschichte, hg. v. Friedrich Balke, Bernhard Siegert und Joseph Vogl, Heft 14 (2014): Modelle und Modellierungen.
Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung, hg. v. Lorenz Engell u. Bernhard Siegert, 1, 2010, H. 1: Schwerpunkt Kulturtechnik.
Fellows:
Eva-Maria Gillich (Universität Bielefeld)
John S. Seberger (Michigan State University)
Jeffrey West Kirkwood (Binghamton University)
Ranjodh Singh Dhaliwal (Universität Basel)
Christina Vagt (University of California, Santa Barbara)
Thomas Nyckel (Universität Regensburg)
Mitarbeiter*innen und Assoziierte:
Dr. Angelika Seppi
Dr. Moritz Hiller
Benedikt Merkle, MA
Jan Knöferl, BA
Leitung:
Prof. Dr. Bernhard Siegert
Abgeschlossene Forschungsprojekte
Medien und Mimesis (FOR 1867)

Die DFG-Forschungsgruppe untersuchte die Kulturtechnik der Mimesis vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in der Medienforschung. Dabei ging das Vorhaben über die in den Kultur- und Literaturwissenschaften ebenso wie in der Philosophie bislang dominierende ästhetische und epistemische Betrachtung der Mimesis hinaus und stellte das geschichtsphilosophische Selbstverständnis der Moderne als eine grundlegend amimetische kulturelle und soziale Formation infrage. Mimesis und imitatio wurden nicht länger in die Perspektive einer zu überwindenden Vorgeschichte der Idee des schöpferischen Menschen und seiner Werkherrschaft gestellt. Anstatt die Mimesis in einen Gegensatz zur modernen Technik und der auf ihr beruhenden Zivilisation zu manövrieren und sie als mit dem konstruktivistischen Selbstverständnis der Neuzeit grundsätzlich unvereinbar anzusehen, verfolgte das Projekt auf unterschiedlichen Ebenen die kultur- und sozialitätskonstitutive Funktion mimetischer Praktiken.
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderte Kooperationsprojekt nahm zum 1. April 2014 an den Universitäten Weimar, Bochum, Frankfurt am Main, Basel und Zürich sowie an der Akademie der Bildenden Künste München seine Arbeit auf – seit Juni 2017 war auch die Universität Bielefeld Forschungsort von Medien und Mimesis. (Förderungs- und Berichtzeitraum: 1. April 2014–30. September 2022.
Die vielfältigen Ergebnisse der FOR können vielleicht in allgemeinster Form unter die Erkenntnis subsumiert werden, dass die in Medien organisierte mimetische Bewirkungsmacht in sehr viel allgemeinerer Weise als dies üblicherweise von Mimesistheorien thematisiert wird auf die Figuration von Existenzweisen, libidinösen Ökonomien und die Verstrickung von Menschen in Artefakte ausgerichtet ist. Daraus folgt, dass die bisher als stabil angenommene Trennung zwischen der naturalistischen (westlichen, modernen) und der animistischen (außereuropäischen, a-modernen) Seinsordnung zumindest relativiert, wenn nicht aufgegeben werden muss.
- Mindere Mimesis (Balke/Muhle)
- Mimesis des bewegten Bildes (Engell/Voss)
- Mimesis tropical (Gregory)
- Subalterne Mimesis. Strategien der Anähnlichung zwischen Herr und Diener (Krajewski)
- Metamorphosen der Fläche. Zur Medientheorie und Geschichte des Trompe-lʼoeils in der alt-niederländischen Buchmalerei des 15. und 16. Jahrhunderts und im frühen niederländischen Stillleben (Lutz/Siegert)
- Mimetische Ökonomien. Imitationskulturen und Markenpflege seit 1800 (Dommann)
Mimetische Milieus. Eine Ästhetik der Reproduktion

Maria Muhle
Schriftenreihe Medien und Mimesis, Bd.9
Paderborn: Fink 2022
Eine Milieuästhetik verortet sich vor dem Hintergrund des mimetischen Zusammenhangs zwischen Leben und Milieu und jenseits tradierter Gegensätze von Produktions- und Rezeptionsästhetik, um so die Frage nach den heteronomen Beziehungen des künstlerischen Subjekts zu Milieu und Technik zu stellen. Im Anschluss an Roger Caillois’ Untersuchungen mimetischer Insekten, deren Anähnlichung an die Umwelt er in einem fotografischen Register als „Teleplastik“ versteht, untersucht das Buch einen nicht-anpassungsgeleiteten Milieubegriff (Canguilhem) und fragt nach dessen ästhetischen Konsequenzen. Zentral ist dabei das ambivalente Verhältnis zwischen Benjamin und Caillois, das Einsicht gibt in eine Neufassung von Ästhetik vor dem Hintergrund technischer Reproduzierbarkeit. Eine solche Milieuästhetik versteht das künstlerische Subjekt nicht in Begriffen von Kreativität, Inspiration, Spontaneität, sondern zuallererst mit Blick auf die (technisch-medialen) Determinismen des künstlerischen Prozesses.
Mimesis expanded

Friedrich Balke und Elisa Linseisen (Hg.)
Schriftenreihe Medien und Mimesis, Bd. 8
Paderborn: Fink 2022
Wer nachahmt, läuft Gefahr, mit der Nachahmung das Sein davonzutragen, gab kein Geringerer als Platon zu bedenken. Platon folgend, wird die Wirksamkeit von entgrenzenden Nachahmungsprozessen auf unterschiedliche kulturelle und soziale Bereiche aus historischer, epistemischer und medialer Ebene untersucht. In den einzelnen Beiträgen geraten theoretische Reflexe und Konzepte, u.a. von Gabriel Tarde, Roger Caillois, Erich Auerbach, Pierre Klossowksi und Pier Paolo Pasolini in den Blick, die von der Furcht vor exzessiven Potenzialen mimetischer Praktiken, aber auch von ihrer Faszination zeugen: Denn die Nachahmung erlaubt es, die ontologischen Grenzziehungen zwischen Personen, Dingen und Zeichen zu verwischen.
Class Trouble. Eine Mediengeschichte der Klassengesellschaft

Stephan Gregory
Schriftenreihe Medien und Mimesis, Bd.7
Paderborn: Fink 2021
Klassifikation und Klassenkampf: Class Trouble begibt sich zu den unruhigen Ursprüngen der modernen Klassengesellschaft. Woher kommen die modernen Klassengesellschaften? Es wäre zu einfach, den Kapitalismus oder die Eigenlogik sozialer Systeme dafür verantwortlich zu machen. Wie Class Trouble am Beispiel Englands zeigt, waren es sehr unterschiedliche und heftig umstrittene Diskurse und Praktiken, aus denen im 17. und frühen 18. Jahrhundert die Idee einer in Klassen geteilten Gesellschaft entstand. Der Fokus der Untersuchung liegt auf den Medien und Verfahren, durch die sich das Prinzip der Klassenteilung effektiv durchsetzte. Neben den bevölkerungspolitischen Sortiertechniken der Politischen Arithmetik sind es vor allem die ›Neuen Medien‹ von 1700 (Kaffeehaus, Club, Zeitung, Zeitschrift), die als Agenturen einer klassifikatorischen Neuaufteilung des Sozialen verstanden werden können.
Re-/Dissolving Mimesis

Sebastian Althoff, Elisa Linseisen, Maja-Lisa Müller und Franziska Winter (Hg.)
Schriftenreihe Medien und Mimesis, Bd.6
Paderborn: Fink 2020
A woman is implicated in an assassination and captured on CCTV. Instead of looking for a truth behind the image – is she really guilty? – the writer and curator Shumon Basar dives deeper into the image itself. The kaleidoscopic result of this “paranoid, associative portrait” is the gateway for the authors of this volume to meme Basar’s encounter with the digital image and to unfold what can be recognized as a post-digital image practice.
To cut, to split, to reformat, to rearrange, to zoom – these techniques mix up the relation of reality and its representations and show that questions concerning the truthfulness of images under post-digital circumstances come to a dead end. The mimetic status of imagery, the search for the one and only original or false copy becomes an unsolvable quest in a world that is overloaded with images. What the authors of this volume therefore call for is not to neglect the concept of mimesis but to treat it as even more important – though as a dynamic not as a normative, hierarchical ranking tool.
Rekursion und Revision

Ines Barner und Markus Krajewski
Schriftenreihe Medien und Mimesis, Bd.4
Paderborn: Fink 2022
Was hat eine so eigentümliche Denkfigur wie die Rekursion mit dem literarischen Schaffen von Robert Walser zu tun? Was zeichnet eine Rekursion aus jenseits einer Struktur, die sich selbst aufruft mit einer Struktur, die sich selbst aufruft mit einer Struktur, die sich selbst aufruft...
Und wie fügt sich diese Form nicht nur in eine eigene Wissensgeschichte ein, sondern auch in das Werk sowohl von Robert Walser wie Christian Morgenstern? Die vielfältigen mimetischen Figuren, die Walsers Werk prägen, werden hier vor dem Hintergrund von Walsers Praxis des Schreibens neu perspektiviert. Anhand der Fallgeschichte der so produktiven wie konflikthaften Zusammenarbeit von Walser und seinem Lektor Christian Morgenstern möchten die hier präsentierten Studien und Materialien einen Beitrag leisten zur Kultur- und Wissensgeschichte von Rekursion, Mimesis und Revision.
Mimesis Bauen

Eva von Engelberg-Dockal, Frederike Lausch, Hans-Rudolf Meier und Carsten Ruhl (Hg.)
Schriftenreihe Medien und Mimesis Bd.3
Paderborn: Fink 2017
Zitieren, Kopieren und Rekonstruieren sind gängige Verfahren im architektonischen Alltag. Anstatt sie zu verbergen, um den Originalitätsanspruch der Moderne zu wahren, werden sie in diesem Buch offengelegt.
Vier Architekten berichten im Gespräch mit den Herausgebern über mimetische Praktiken ihrer Entwurfsarbeit seit den 1990er Jahren. Der bewusst weit gespannte Rahmen umfasst sowohl formal-gestalterische Aspekte als auch prozessuale Formen der architektonischen Mimesis. Neben gängigen Analogiebildungen zum architektonischen Kontext, zu lokalen Bautraditionen oder zur Vorgängerbebauung finden anthropomorphe und biologische Bilder sowie philosophische Diskurse Beachtung. Die Gespräche spiegeln die zentrale Bedeutung mimetischer Praktiken für die neuere Architektur und Architekturtheorie wider und verstehen sich damit auch als Beitrag zur jüngsten Phase der Architekturgeschichte.
Mimesis und Figura

Friedrich Balke und Hanna Engelmeier
Schriftenreihe Medien und Mimesis, Bd.1
Paderborn: Fink 2016
Der erste Band der Reihe Medien und Mimesis, hier in zweiter, korrigierter Auflage, entfaltet das Spannungsverhältnis zwischen mimetischer Wirklichkeitsdarstellung und ihrer geschichtsphilosophischen Deutung.
Mit seiner 1938 entwickelten Figuraldeutung stellt Erich Auerbach ein Modell zur Verfügung, das literarische Mimesis als eine „vorausdeutende Gestalt des Zukünftigen“ zu begreifen erlaubt. Dieses Spannungsverhältnis zwischen einer Mimesis des Alltäglichen und ihrer geschichtsphilosophischen Deutung hat Konsequenzen weit über die Literaturgeschichte hinaus. Der Band macht Auerbachs Figura-Aufsatz zum ersten Mal mit der deutschen Übersetzung der zahlreichen fremdsprachigen Belegstellen verfügbar und etabliert ihn als zentralen Text einer Theorie minderer Mimesis.
IKKM
Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM)
The Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM) of the Bauhaus-Universität Weimar was one of ten Käte Hamburger Kollegs in Germany, which were funded by the German Federal Ministry of Education and Research.
From April 2008 – March 2020 the IKKM explored the relationship between people and things in the tech media culture of the 20th and 21st centuries. Technical equipment and artifacts today can no longer be seen as mere tools of cultural action, perception, cognition, communication etc. They constitutively act in cultural and reflection processes. The European tradition of thought posited the powerful and acting human subject opposite the mere object. Now the constant practical mixing and networking between people and media demand for a more complex understanding of a distributed, jointly organized subject and its modes of action. The IKKM suggested such concepts.
In the first six-year funding period, the main focus of the research was on the further development of some theoretical approaches that had been proposed in France, England and the US under the headings of “Actor Network Theory” or “Agency Theory”, and that had mainly been incorporated into the History of Science and the Anthropology of Art. The annual topics of this first research program were devoted to topics such as the human, the object, the sign, historization and synchronization.
The second IKKM research program “Operative Ontologies” switched from relations to operations. Technical operations of culture are in the focus here, which let the media technological constitution of the relationship between people and things come into view. Operations such as framing and sewing, appearing and disappearing, condensing and dispersing or showing and causing each make for new world conditions, which can be understood as “différents modes d’existence”, “ontological regimes” or “dispositions of Being” (Haudricourt, Viveiros de Castro, Descola, Latour following Souriau).
The IKKM worked according to the fellow principle; up to ten outstanding scholars from home and abroad came together each semester in Weimar and developed here in joint discussion and coordinated work new connections between Cultural Techniques and Media Philosophy. In addition to the Senior Fellows there were also Research Fellows at the IKKM.
Maschinenphilologie
Gegenstand des Projekts sind die historischen Wandlungen der Philologie. In den Blick geraten, aus einer an ihren Medien orientierten Perspektive, zunächst Praktiken und Institutionen, die entgegen ihrer humanistischen Bestimmung um 1800 nicht mehr als anthropozentrisch begriffen werden können, weil sie nicht ausschließlich von einem spezifischen humanen Subjekt ausgehen oder auf ein solches zielen: Im Kontext von Literaturarchiven und Editoriken avancieren unlängst auch Maschinen zum Objekt und Subjekt der Philologie. Andersherum formuliert ist die These zu belegen, dass die Situation der Philologie heute mindestens ,posthumanistisch‘ zu nennen ist, insofern dort nicht mehr nur oder primär Menschen, sondern auch ihr maschinelles Andere schreibt, liest, archiviert und ediert. Gleichwohl, und das gerät zur veritablen Herausforderung der Philologie am Beginn des 21. Jahrhunderts, sind ihre zentralen Begriffe und Verfahren sowie der sie legitimierende Subjektbegriff noch immer weitgehend an das papierschriftliche Paradigma von Datenverarbeitung gebunden, dem auch die Renovation des Humanismus um 1800 entsprang.
Ziel ist darum zunächst eine Beschreibung dieser Situation. Dafür bringt die Arbeit den Begriff der ,philologischen Singularität‘ ins Spiel, der literarische Gegebenheiten unter dem Gesichtspunkt ihrer materiellen Bedingungen wie Ausprägungen und in ihrem problematischen Status als je singulärer Gegenstand des komplexen Netzwerks, das Philologie ist, adressiert. Wandel und Herausforderung der Philologie werden so anhand von drei Fallstudien dargelegt: (1) einem prekären Archivobjekt im Berliner Nachlass Vilém Flussers; (2) dem zu edierenden Softwarebestand A:Kittler am Deutschen Literaturarchiv Marbach; (3) den Lese- und Schreibpraktiken der Digital Humanities, denen nachgesagt wird, ein neues Paradigma der Philologie zu begründen. Zeigt die Analyse dieser philologischen Singularitäten, in welchem Maß sie eine humanistische Philologie vor ihre medientechnische Herausforderung stellen, wird erkennbar, wie diese Philologie, mit N. Katherine Hayles zu sprechen, posthumanistisch geworden ist. Anhand der Beschreibung dieses nicht zuletzt subjektgeschichtlichen Wandels ist zum Schluss die Möglichkeit gegeben, philologische Begriffe, Praktiken und Institutionen aus der Perspektive einer von allen Humanexzeptionalismen absehenden Literaturforschung noch einmal neu zu akzentuieren. Philologie am heutigen Tag ist Maschinenphilologie.
Moritz Hillers Dissertation wurde von Wolfgang Ernst und Siegfried Zielinski betreut und 2021 mit dem Tiburtius-Preis der Berliner Hochschulen ausgezeichnet. Maschinenphilologie ist 2023 beim Kulturverlag Kadmos in Berlin erschienen.