Wort und Begriff

Mephistopheles: Im ganzen – haltet Euch an Worte!
  Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
  Zum Tempel der Gewißheit ein.

Schüler: Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.

(Faust I, Studierzimmer, V. 1990–1993)

Der Unterschied zwischen Wort und Begriff ist nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch, sondern auch im akademischen Sprechen und Schreiben heute weitestgehend in Vergessenheit geraten. Es ist üblich geworden, dass Studierende, Dozierende und Professor*innen von ‚Begriffen‘ sprechen, wenn sie etwas über bestimmte Wörter sagen möchten. Dann ist etwa vom Begriff des ‚Mediums‘ die Rede – und gemeint ist die Zeichenfolge ‚M-e-d-i-u-m‘, die ein deutsches Wort mit einer bestimmten Etymologie ergibt.
  Diese Synonymie zwischen ‚Wort‘ und ‚Begriff‘ geht jedoch fehl. Der Germanist Heinz Vater hat den terminologischen Unterschied beider Wörter anschaulich pointiert: „Wort ist eine Spracheinheit, Begriff dagegen eine Einheit des Denkens.“[1] Begriffe können als Denkkategorien verstanden werden. Sie sind Konzepte, die uns erlauben, Sachverhalte zu gruppieren und zu klassifizieren: „Wir klassifizieren also z. B. ein Objekt als Würfel, wenn es dreidimensional ist, von sechs gleichen Quadraten begrenzt ist und zwölf gleiche Kanten hat. Wir bilden uns dabei einen Begriff, der die genannten Merkmale enthält. […] Das deutsche Wort Würfel und das englische Wort cubesind Bezeichnungen für denselben Begriff.“[2] Nicht ‚Begriff‘ und ‚Wort‘, sondern ‚Begriff‘ und ‚Konzept‘ sind also synonym.
  Hin und wieder wird das Wort ‚Begriff‘ in wissenschaftlichen Texten wie Seminaren auch richtig verwendet (weswegen eine genaue Unterscheidung von Wort und Begriff so wichtig ist, um Missverständnisse zu vermeiden): Etwa, wenn von den divergierenden Medienbegriffen unterschiedlicher Autor*innen die Rede ist. Niklas Luhmann und Sybille Krämer verwenden in ihren Texten beide das Wort ‚Medium‘, sie bezeichnen damit jedoch unterschiedliche Medienbegriffe; d. h., sie entwerfen verschiedene Konzepte von Medien und Medialität.

von Nils Jönck

[1] Vater, Heinz (2000): Begriff statt Wort – ein terminologischer Wirrwarr. In: Sprachreport. Informationen und Meinungen zur deutschen Sprache, 16. Jg., Nr. 4, S. 10-13. Hier S. 12.

[2] Ebd.