»Im Grunde genommen haben wir immer Bauhaus.Semester.«

Created by Sarah Schonert | |   Interviews

Die Vizepräsidentin für Forschung und Lehre und Inhaberin der Professur für Experimentelles Radio, Nathalie Singer, ist die Schirmherrin des Bauhaus.Semesters. Sarah Schonert hat sich mit ihr über die Entstehung und die Ziele des Bauhaus.Semesters, sowie die geplante Fortführung im Sommersemester 2019 unterhalten.


Wie kam es zur Planung und Umsetzung eines Bauhaus.Semesters?


Im Grunde genommen haben wir natürlich immer Bauhaus.Semester. Das Lehrkonzept der Bauhaus-Universität Weimar stellt bereits das Experimentelle, das Interdisziplinäre, das Projekt-Studium in den Mittelpunkt. Wir wissen aber auch durch Antworten der Studierenden aus Befragungen, dass es den Wunsch nach mehr Interdisziplinarität gibt. Dem wollten wir nun nachgehen. Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum bot für die Bauhaus-Universität einen geeigneten Anlass, um das besondere Format Bauhaus.Semester zu entwickeln. Wir hatten uns vorgenommen, dass Kulturerbe des Bauhauses zu hinterfragen, neu zu reflektieren und uns mit unserer aktuellen Verantwortung in der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Beim ersten Tag der Lehre 2018 wurde in Werkstätten von Lehrenden und Studierenden diskutiert und zusammengetragen, was entstehen soll, welche Fragen aktuell die Lehrenden und Studierenden bewegen. Und daraufhin entstand das Bauhaus.Semester. Insofern ist dieses besondere Semester eine Art Probelauf für die Weiterentwicklung der Lehre an der Bauhaus-Universität Weimar. Und aber auch die Einladung, wieder einmal verstärkt interdisziplinärer zu arbeiten, über den Tellerrand zu schauen, fakultätsübergreifend zu arbeiten, sich für das zu interessieren, was die anderen machen.
 

Sollen aus dem Bauhaus.Semester langfristige Leitlinien für die Lehre entstehen?


Ja, Formate und Prozesse, die verändert oder neu eingeführt wurden, sollen Bestand haben und nachhaltig sein. Es sind gleichwohl auch noch größere Baustellen zu bearbeiten, zum Beispiel sind Prüfungs- und Studienordnungen zu verändern. Gegebenenfalls kann dabei eine Rahmensatzung helfen. An diesen Baustellen wird auch beim nächsten Tag der Lehre, am 29. Mai 2019, weitergearbeitet, damit passende Strukturen entstehen. Darüber hinaus treibt uns die Frage um, wie wir aus den Erfahrungen mit der Interdisziplinarität und den Inhalten und Schwerpunkten neue Studiengänge entwickeln können. Mich würde interessieren, ob im Bauhaus.Semester mehr Interdisziplinarität stattgefunden hat, ob der Blick von anderen Lehrenden auf die Arbeiten oder auf die Inhalte gewinnbringend war.
 

In Ihrer Rede zur Eröffnung des Bauhaus.Semesters wurde deutlich, dass die Universität sehr stolz auf die studentischen Lehr-/ Lernprojekte ist. Gab es diese auch schon vor dem Bauhaus.Semester?


Es gibt an unserer Universität Tutorien. Diese sind meist an eine Professur angedockt und werden von dieser organisiert. Im Bauhaus.Semester konnten Studierende ganz eigene Ideen und Vorschläge machen und sich mit Lehrenden absprechen. Das war auch nicht immer einfach. Es musste geklärt werden, wie die Kurse in das Vorlesungsverzeichnis aufgenommen werden, wie die Studierenden Scheine vergeben können. Aber das sind eben genau die Sachen, die erst noch gefestigt werden müssen und es muss bedacht werden, was eben nicht sofort funktioniert, wenn Studierende Lehrangebote machen.
 

Die Lehre am Bauhaus war für die damalige Zeit neu und experimentell. Bewegt sich nun die Universität im Kontext des historischen Bauhauses?


Ich glaube, dass dieses Konzept schon lange verankert ist und besteht. Meine Professur heißt zum Beispiel Experimentelles Radio. Die Idee des Experiments, der zeitgenössischen Fragestellung und der Ausbildung von Menschen, die neue Berufswege finden, ist schon immer Konzept. Ich glaube aber, dass über die Zeit, nicht zuletzt bedingt durch spezialisierte Bachelor- und Masterstudiengänge und einem Wettbewerb der Fakultäten untereinander, die in den Strukturen gedachte und gewollte Interdisziplinarität nachgelassen hat. Ich würde eher sagen, dass es mit dem Bauhaus.Semester eine Art Rückbesinnung gibt auf das, was wir uns eigentlich vorgenommen haben und, dass es ein Versuch ist, dies auch wieder forciert zu leben. Wir schauen uns eigentlich Sachen an, die eher ein Stück vergraben waren, als dass wir Ideen vollkommen neu aufsetzen oder verändern. Und das historische Bauhaus hatte mit seinen Fachkursen durchaus auch eine sehr klare Ausbildung.
 

Können Sie sagen, wie die Studierenden im Vorfeld auf das Bauhaus.Semester reagiert haben?


Es wurde im Vorfeld ein bisschen skeptisch betrachtet bzw. kritisiert, dass das Bauhaus.Semester nur eine Art Schaufenster nach außen wird. Die Studierenden haben sich gewünscht, dieses Semester als Experiment zu verstehen und bestehende studienorganisatorische Probleme anzugehen. Es ist natürlich nicht einfach, Strukturen von heute auf morgen zu verändern. Und die Lehre darf durch die Interdisziplinarität auch nicht zu oberflächlich für die einen und zu schwierig für die anderen werden. Das bedeutet aber auch, dass sich die Lehrenden anders abstimmen, Begriffe anders definieren und Herangehensweisen ändern müssen.
 

Wie war die Reaktion der Lehrenden auf das bevorstehende Bauhaus.Semester?


Es wurde kritisch betrachtet. Einige waren der Meinung, dass so etwas nicht ihren Studien- und Prüfungsordnungen entspricht und dass es deswegen nicht geht. Aber am Ende sind es 110 Lehrangebote geworden, was sehr schön ist. Einige Lehrende haben auch zum Spaß gesagt: „Jetzt machen wir noch alle Fehler und im Sommersemester können wir dann endlich das richtige Bauhaus.Semester umsetzen“.
 

Das Bauhaus.Semester war also administrativ eine große Herausforderung?


Ja, es fängt schon damit an, dass die Einschreibungsmodalitäten problematisch sind. Jeder Studiengang und jede Fakultät hat andere. Das ist das Erste, was eindeutig transparenter und einheitlicher gemacht werden muss. Außerdem gibt es auch inhaltliche Grenzen, die man nicht einfach so über Bord werfen kann. Und das andere ist, dass es diese großen Unterschiede bei der Vergabe von Leistungspunkten gibt. Inwieweit kann man die anpassen? Das müsste auch zu einer Veränderung in den Studienordnungen führen. Das ist nichts, was mal für ein Semester geändert werden kann. Es geht dabei um wirklich pragmatische Anrechnungsfragen oder Fragen der transparenten Vermittlung von offenen Lehrangeboten. Daher wird das Bauhaus.Semester genutzt, um die Studienbedingungen nochmal anzuschauen und zu reflektieren.
 

Wie geht es weiter?


Das Präsidium hat von vielen Studierenden und auch von Lehrenden, zum Beispiel beim Tag der Partizipation, die Rückmeldung erhalten, dass eine Fortsetzung der Idee des Bauhaus.Semesters sehr gewünscht wird. Es unterstützt das Anliegen und sieht darin eine Chance, das Angebot an fächer- bzw. fakultätsübergreifenden Lehrveranstaltungen sowie Lehrangebote von Studierenden und von (internationalen) Gastlehrenden oder auch experimentelle Lehrformate besser sichtbar zu machen und auch gezielt auszubauen. Die Fortsetzung im Jubiläumsjahr 2019 und darüber hinaus soll auf zwei Wegen geschehen.

Einerseits wird das Bauhaus.Semester auch im Sommersemester 2019 mit den gleichen Bedingungen als interdisziplinäres Forum fortgeführt, es stehen allerdings neben den regulären Fonds und Serviceangeboten, unter anderem des eLabs, keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. Andererseits soll das Sommersemester 2019 Zeit und Raum zur Reflexion des Bauhaus.Semesters bieten. Studierende und Lehrende können ihre Erfahrungen zusammentragen, auswerten und gemeinsam über Optionen einer Weiterentwicklung nachdenken. Dafür wird auch der Tag der Lehre am 29. Mai 2019 eine gute Gelegenheit zum Austausch bieten.

Die Fortführung im Sommersemester 2019 und auch das Weiterdenken der Idee des Bauhaus.Semesters ist ein Aufgabe, die Lehrenden und Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar nun gemeinsam angehen werden. Und ich denke, wir können dafür den frischen Wind und die Kraft des Jubiläumsjahres gut nutzen.

 

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Nathalie Singer im Gespräch. Foto: Tobias Adam.