Dispositive der Kunst (A. Schäfer)
Vorlesung 2 SWS, 2 Credits Mittwochs, 11.00-13.00 Marienstraße 13, Hörsaal C
Die Vorlesung beschäftigt sich vor allem mit künstlerischen Arbeiten, die in szenischer Form oder Performance aufgeführt werden oder als Installation ausgestellt sind. Arbeiten von Künstlern wie Samuel Beckett, John Cage, Bruce Nauman oder Ilya Kabakov setzen eine Wahrnehmung frei, die in den vertrauten Kategorien des Sehens und Hörens nicht aufgeht; sie produzieren eine Erfahrung des eigenen Körpers, die dessen Verhaltensweisen ihre Selbstverständlichkeit nimmt; sie zeigen neuartige Gebrauchsweisen von Apparaten und Instrumenten auf; und sie stellen Anordnungen her, mit denen man herausfinden kann, was man nicht weiß und was man nicht tun kann. Diese Arbeiten setzen komplexe Prozesse in Gang, in denen Dinge, Praktiken und symbolische Codes mit Darstellungs- und Inszenierungsweisen zusammenspielen. Man könnte auch sagen: Die Arbeiten bestehen aus Sichtbarem, Hörbarem und Sagbarem, sie knüpfen aus heterogenen Elementen einen flüchtigen, instabilen Zusammenhang, bringen synergetische Effekte hervor.
Es geht dabei einerseits um die Elemente einer Theatralität, die sich vom Text abkehrt, um die Inszenierung von Dingen wie Mehl und Lehm, von Stimmen und eigentümlichen Experimentalanordnungen, um den Auftritt der Rede, die Sichtbarkeit des Körpers und das Ausstellen und In-Szene-Setzen von Kulturtechniken. Und anderseits wird untersucht, wie diese Arbeiten, in dem, was sie zu sehen und zu hören geben, zugleich dessen Bedingungen freigelegen; wie sie Auge und Blick, Sehen und Hören, Wahrnehmung, Empfinden und Verstehen auseinanderreißen; und wie sie dadurch die Dispositive, die in ihnen stecken, zum Vorschein bringen und zu transformieren suchen.
Literatur (zur Vorbereitung)
Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1977; Samuel Beckett, Hörspiele, Pantomime, Film, Fernsehspiel, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1995; Please pay attention please. Bruce Nauman’s Words: Writings and Interviews, ed. by Janet Kraynak, Cambridge (Mass.), London: MIT Press, 2003; Hans-Thies Lehmann, Postdramatisches Theater, Frankfurt/M.: Verlag der Autoren, 1999.
Historische Zeichenregime (G. Meynen)
Studienmodul, 4 SWS, 6 Credits
Nur im Verbund mit ihren Benutzeroberflächen und Speichern vermögen Zeichen, ihre Codierungsmacht zu entfalten. Auch können Bild, Schrift und Zahl in einer Wissens- und Mediengeschichte der Zeichen nicht isoliert betrachtet werden, weil gerade an den Schnittstellen von Bild, Schrift und Zahl sich neue Kulturtechniken ausbilden. Das Modul “Historische Zeichenregime” lenkt das Augenmerk auf diese kulturtechnischen Zäsuren und diskutiert in zwei Einheiten eine numerische Geschichte der Benutzeroberflächen und eine geometrischen Geschichte des Zehnerübertrags und Stellenwerts.
Bestandteile des Studienmoduls sind die Seminar Zahl und Stellenwert und Tafel, Netz, Fenster. Die Medien des Büros.
Kunst und Experiment (M. Vöhringer)
Seminar / Studienmodul “Kulturtechniken” (MA) 2 SWS, 4 Credits Donnerstags, 11.00-12.30 Bauhausstraße 11, Raum 14
“Die Experimentiertätigkeit führt ein Eigenleben” stellte der Wissenschaftsphilosoph Ian Hacking vor einiger Zeit fest, meinte damit aber nur das Experimentieren von Wissenschaftlern. Die Wissenschaftsgeschichte bietet seither zahlreiche Möglichkeiten für die historische Verortung von Experimenten – innerhalb der Technikgeschichte von Instrumenten, als Teil der Geschichte von Disziplinen oder der Theoriebildung und schließlich, als funktionales Element im Prozess der Wissensproduktion. Wie aber steht es um die Experimente von Künstlern?
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Analogie zwischen experimentierendem Künstler und experimentierendem Wissenschaftler zum Trend, der bis heute verschiedenste Blüten treibt: Künstler, die mit Wissenschaftlern zusammen arbeiten, sich als Wissenschaftler verstehen oder die Wissenschaft kritisieren und Wissenschaftler, die Kunstwerke analysieren oder ästhetische Experimente durchführen, sind nur einige Bezugnahmen zwischen Kunst und Wissenschaft.
Das Seminar will die Anfänge dieser Entwicklung beleuchten und geht hierzu vom Experiment als Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft aus. Durch die Lektüre sowohl historischer als auch aktueller Texte zum Experimentieren und mit Blick auf tatsächliche Experimente wird es versuchen zu klären – wer experimentiert?
Scheine können durch Referate in Kombination mit Hausarbeiten gemacht werden.
Policey / Polizei (A. Schäfer)
Hauptseminar 2 SWS, 2 Credits Dienstags, 11.00-13.00 Bauhausstraße 11, Raum 13
Im 17. und 18. Jahrhundert entsteht eine Policey, die von der Frage, wie regiert werden kann und soll, angetrieben ist, und alles zu ihrem Gegenstand erklärt, was im Staat ordnungs- und formbedürftig zu sein scheint: Das betrifft unterschiedliche Bereiche, von der Kleiderordnung, der Regelung des Personenstands und der Durchführung von Festen über die Beleuchtung in den Städten bis hin zur Verteilung von Nahrungsmitteln und dem Gesundheitswesen. Der „guten Policey“ obliegt, wie ein Vertreter der sogenannten Policeywissenschaft formuliert, die „Wohlordnung des Gemeinwesens“ und „die Erhaltung und Vermehrung des allgemeinen Vermögens des Staats“. Die Policey ist für Wohlfahrt und Sicherheit im Staat zuständig, und darüber werden ihr sowohl die Bevölkerung als auch das Leben des einzelnen zu Gegenständen unablässiger Sorge. Das Seminar verfolgt die Transformation dieser Policey zur Polizei und rückt hierbei ein Ensemble von Praktiken, Technologien und Wissenschaften in den Mittelpunkt: Es beschäftigt sich mit statistischen Erhebungen, mit Kriminalistik und psychiatrischen Praktiken und untersucht Methoden, mit denen zum Sprechen gebracht, Verfahren wie Anthropometrie, Dakytloskopie und Graphologie, mit denen die Identität des einzelnen festgestellt, und Technologien, mit denen überwacht werden kann.
Dieses Hauptseminar ist Teil des Forschungsprojekts “Vatersprache, Mutterland – Medien der Identität”.
Einführende Literatur
Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Bd. 1: 1600 – 1800: Reichspublizistik und Policeywissenschaft, München: C.H. Beck, 1998; Carlo Ginzburg, „Spurensicherung. Der Jäger entziffert die Fährte, Sherlock Holmes nimmt die Lupe, Freud liest Morelli“, in: ders, Spurensicherungen. Über verborgene Geschichte, Kunst und soziales Gedächtnis, München: dtv, 1988; Uwe Nettelbeck, Fantômas. Eine Sittengeschichte des Erkennungsdienstes, Salzhausen: Verlag Die Republik (Petra Nettelbeck), 1979; Michael Farin (Hrsg.), Polizeireport München 1799-1999, München; belleville-Verlag, 1999
Psychotechniken der Kunst (M. Vöhringer)
Seminar / Studienmodul “Kulturtechniken” (MA) 2 SWS, 2 Credits Montags, 15.15-17.00 Bauhausstraße 11, Raum 14
Bildende Künste adressieren die Wahrnehmung. Als sich im 19. Jh. auch die Physiologie, Psychologie, Psychophysik und Psychotechnik derselben annahmen und begannen, sie zu vermessen und zu trainieren, entstand eine disziplinäre Konkurrenzsituation. Ihre Folge war der Austausch von Ideen, Apparaten, Fragestellungen und Praktiken insbesondere zwischen den Künstlern der klassischen Avantgarde und den Wissenschaftlern der angewandten Psychologie. Die Russische Avantgarde wurde durch die Psychotechnik, dieser “praktischen Anwendung der Psychologie im Dienste der Kulturaufgaben” (Münsterberg), zur Gründung von Labors, Produktion von populärwissenschaftlichen Filmen und Gestaltung von Stadträumen inspiriert. Von ihr ausgehend lassen sich die Fäden nach Deutschland und in die USA, zu Arbeitswissenschaft und Pädagogik ziehen.
Das Seminar wird verschiedenen Transfers von praktischem und theoretischem Wissen um 1900 nachgehen, wird kanonische Texte der Psychotechnik mit Kunstwerken in Beziehung setzen, um zu sehen, welche Praktiken in welchen Disziplinen angewandt wurden, um mit ihnen die Wahrnehmung zu adressieren.
Scheine können durch Referate in Kombination mit Hausarbeiten gemacht werden.
Seminarplan
(wird in der ersten Sitzung vorgestellt)
Tafel, Netz, Fenster. Die Medien des Büros (G. Meynen)
Seminar / Studienmodul “Historische Zeichenregime”2 SWS, 4 Credits Donnerstags, 17.00-19.00 Bauhausstraße 11, Raum 14
Das Büro leitet seinen Namen von den verwesten und übelriechenden Strünken einer Pflanze ab, den Stengeln der Burre, die versponnen mit Wolle als Ausgangsmaterial für Mönchskutten und Rechentücher herhalten mussten. Bevor das Büro ein Möbel, einen Ort, ein Ministerium oder eine Arbeitswelt bezeichnete, kannte es weder Raum noch Personal, sondern nur die Zeilen und Spalten einer Tabelle. Der Gegenstand des Seminars ist deshalb keine Soziologie des Büros. Im Zentrum steht statt dessen Flachware – eine Mediengeschichte der Benutzeroberflächen. Von dem ersten Auftritt der ebenen Schreibflächen, den Tafeln der Babyloniern, der euklidischen Geometrie der Ebene, den Netzentwürfen der Kartographie und den Tabellen der doppelten Buchführung über die Tafelwerke der Ingenieure, bis zu den Rasterbildschirmen und Fenstern der graphischen Benutzeroberflächen gilt dabei das Augenmerk den kulturellen Techniken der Abrichtung, Steuerung und Navigation. Das Seminar zielt dabei auf eine Geschichte der Routinen. Im Zentrum steht die Frage, wie Operationen mit Linien, Buchstaben, Zahlen modelliert, gesteuert, verwaltet und archiviert werden.
Scheine können durch Referate in Kombination mit Hausarbeiten gemacht werden.
Seminarplan
(wird in der ersten Sitzung vorgestellt)
Literaturliste (Auswahl)
(folgt im Laufe des Semesters)
Textanalyse (A. Schäfer)
Proseminar 2 SWS, 2 Credits Donnerstags, 09.00-11.00 Bauhausstraße 11, Raum 14
Im Rahmen des Einführungsmoduls führt das Proseminar in die Methoden und Techniken der Textanalyse ein. Es vermittelt theoretische Grundlagen, stellt exemplarische Analysen vor und übt in eigenständiges Arbeiten mit Texten ein. Dabei sollen rhetorische Mittel, semiotische und narrative Strukturen untersucht, aber auch statistische Verfahren erprobt werden. Darauf aufbauend soll die Klärung einiger Fragen versucht werden: Wie funktionieren unterschiedliche Texte und Textsorten? Wodurch unterscheiden sich literarische Gattungen und Genres? Was ist eine Erzählung? Was sind fiktionale Texte?
Literatur (zur Vorbereitung)
Raymond Queneau, Exercices de style [1947, 1963], Paris: Gallimard folio, 1995 [dt.: Stilübungen, übersetzt von Ludwig Harig und Eugen Helmlé, 3. Aufl. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1994]; Umberto Eco u.a., Der Zirkel oder Im Zeichen der Drei. Dupin, Holmes, Peirce, München: Wilhelm Fink, 1985; Matias Martinez, Michael Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie, 5. Aufl. München: C.H. Beck, 2003.
Zahl und Stellenwert (G. Meynen)
Seminar / Studienmodul “Historische Zeichenregime”2 SWS, 2 Credits Donnerstags, 13.30-15.00 s.t. Bauhausstraße 11, Raum 13
Zahlen haben keine Lage. So will es Proklos, ein später Freund Platons aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., der das erste Buch der Euklidischen Elemente kommentiert. Die Arithmetik ist deshalb dem Himmel näher als die Geometrie, die sich in ihren Diagrammen mit der Anschaulichkeit der Figuren plagen muss. Paradoxerweise sind es jedoch gerade die Rechensteine der Griechen, die die Zahl von einer reinen Anzahlenkunde befreien und formalere Operationen anschreibbar machen. Sobald Zahlen geschrieben werden, besitzen sie eine Lage, eine Stelle, einen Aufenthaltsort, ob auf dem Rechenbrett, dem Papier und oder im Speicher eines Computers. Zahlen können fortan gelesen, geschrieben und gelöscht werden. Die Stelle macht sie berechenbar. Von den figurierten Zahlen der Pythagoreer über die Staubziffern al-Hwarizmis, dem automatischen Zehnerübertrag bis zur Turingmaschine diskutiert das Seminar anhand von Quelltexten, Rechenbrettern und Papiermaschinen folgende Fragen: Welchen Gebrauch machen die Zahlen von Flächen und Speichern? Wie hängen Code und Medien, Schreiben und Löschen zusammen?
Scheine können durch Referate in Kombination mit Hausarbeiten gemacht werden.
Seminarplan
(wird in der ersten Sitzung vorgestellt)
Literaturliste (Auswahl)
(folgt im Laufe des Semesters)