Radeln nach Zahlen – ein Knotenpunktsystem für den Freizeitradverkehr in Thüringen
Die Idee
Der Titel dieses im Sommersemester 2025 angebotenen Bauhaus.Moduls spielt auf das beliebte Format „Malen nach Zahlen“ an und erklärt damit eigentlich in drei Worten die grundlegende Idee hinter diesem Modul. Anstatt zu malen, wird geradelt, aber eben nach einem Leitsystem, das auf Zahlen beruht. Dieses nennt sich „Knotenpunktsystem“ und ist seit 2014 in den Niederlanden und Belgien flächendeckend im Einsatz.
Die Grundidee ist dabei ähnlich simpel wie beim Malen nach Zahlen: An fast jeder Wegkreuzung der Radnetze in den beiden Ländern sind Knotenpunktnummern positioniert, die als Wegweiser für Radfahrer*innen fungieren und es ihnen ermöglichen von Zahl zu Zahl zu navigieren. Das ist sowohl hilfreich für geplante Routen – im Prinzip muss man sich zuvor nur die Zahlenfolge aufschreiben, nach der man fahren möchte – als auch für spontane Reisen – es gibt vorgefertigte Routen, denen gefolgt werden kann.
Die Lehrenden
Dieses Wegweisungssystem haben die beiden Lehrenden des Moduls, Lena Becker und Leonard Winter, während ihres Auslandssemesters in Amsterdam kennengelernt und auf längeren Touren ausgetestet.
„Während des Radfahrens haben wir gedacht, dass das eigentlich sehr gut funktioniert und Spaß macht. Wir haben dann überlegt, ob man das nicht auch bei uns so machen könnte und wie wir das auf Thüringen oder das Weimarer Land übertragen könnten.“ (Lena)
So entstand die Idee, ein Bauhaus.Modul zu diesem Thema anzubieten.
Die beiden stehen kurz vor dem Abschluss ihres Studiums im Bachelor Urbanistik. Zwar ist Verkehrsplanung ein Thema unter vielen in diesem Fachbereich, aber gerade der Freizeitradverkehr spielt keine allzu große Rolle. Dabei ist gerade dieser etwas „außerhalb des Effizienzgedankens des Verkehrs“ (Leonard) und könnte eigentlich ein wichtiges Thema für die Stadtplanung sein. Dem Thema Radverkehr haben sich beide deshalb in ihrem bisherigen Studium über Planungsprojekte, den Wahlbereich, das Verfassen von Abgabeleistungen und verschiedene Praktika angenähert.
Der Plan
In Deutschland gibt es zwar ein Netz an Radfernwegen und regionalen Themenrouten, allerdings ist das Knotenpunktsystem, abgesehen von vereinzelten Landkreisen, nicht besonders weit verbreitet. Im Bauhaus.Modul „Radeln nach Zahlen“ wurde der Fokus deshalb auf die Planung gelegt, die mit einem solchen System einhergeht.
In drei Phasen hat sich die Seminargruppe verschiedene Themen erarbeitet: Die Grundlagenphase galt hinführenden Fragen zum Thema Freizeitradverkehr, Wegweisung und Zielgruppen, die untermauert wurden durch einen Gastvortrag des Büros Folkersma, das in den Niederlanden Wegweisungskonzepte erarbeitet. In der anschließenden Analyse- und Konzeptionsphase begab sich die Gruppe auf Fahrradexkursion in den Ilm-Kreis, um sich die Situation in einem der wenigen Landkreise in Deutschland (und dem ersten in Thüringen) anzugucken, der bisher ein Knotenpunktsystem für den Radverkehr umgesetzt hat. Dort traf sie die dortige Radverkehrsbeauftragte des Landratsamtes, ebenso wie eine Mitarbeiterin der AGFK Thüringen (Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen). Als Übergang in die dritte Phase arbeitete die Gruppe in einem gemeinsamen Workshop mit dem Planungsbüro RV-K, das auf Radverkehrsplanung spezialisiert ist.
Dabei stand der eigentliche Kern dieses Bauhaus.Moduls im Fokus: Die Konzeption eines solchen Knotenpunktnetzes für den Landkreis Weimarer Land, als Erweiterung des bereits bestehenden Netzes im Ilm-Kreis. Und damit verbunden auch aufbauende Überlegungen, warum das System in Deutschland bisher nicht so weit verbreitet ist und ob es sinnvoll wäre, es flächendeckend umzusetzen, wie beispielsweise in den Niederlanden.
In verschiedenen Untergruppen arbeiteten die Teilnehmenden schließlich vertieft an einzelnen Schwerpunkten weiter. So entwarf eine Gruppe beispielsweise das Design der potenziellen Knotenpunkt-Wegweiser und eine andere begleitende Infoschilder. Zudem wurden die Kommunikation und internationale Beispiele betrachtet sowie die Netzplanung für das Weimarer Land weiter ausgearbeitet.
Das Fazit
Sowohl die Interdisziplinarität der elf Teilnehmer*innen als auch deren vielfältige Vorerfahrungen zum Thema Fahrrad- und Freizeitradverkehr ermöglichten in diesem Bauhaus.Modul ein gegenseitiges Voneinander-Lernen, das die beiden Dozierenden als sehr wertvoll einschätzen. Sie sehen sich nicht als Expert*innen für dieses Gebiet, sondern wollten vielmehr einen Raum öffnen, um gemeinsam zu lernen und das Thema in die Öffentlichkeit zu rücken.
Dafür eignet sich das Format des Bauhaus.Moduls sehr gut. Für Lena und Leonard war „Radeln nach Zahlen“ außerdem die erste Möglichkeit, im universitären Kontext Lehrerfahrung zu sammeln. Trotz des Zeit- und Energieaufwandes, der in die Planung und Umsetzung eines solchen Moduls fließt, sind beide froh um die Erfahrung und das erlernte Wissen. Sie sehen vor allem den intensiven Praxisbezug und Austausch mit Vertreter*innen aus Planungsbüros und Landratsämtern als großen Vorteil. Und die intensive Auseinandersetzung mit dem Radfahren konnte den regulären Inhalten des Studium für alle Teilnehmer*innen etwas hinzufügen:
„Bisher kommt Wegweisung im Freizeitradverkehr in keinem unserer Studiengänge regulär als Thema vor. Dabei ist es interessant zu betrachten, wie sich die Planung für die Freizeit von anderen Planungen unterscheidet: Im Freizeitverkehr geht es nicht um den schnellsten oder effektivsten Weg, sondern um eine gute Erfahrung. Neben einem neuen Verständnis für diese besondere Art der Verkehrsplanung nehmen wir einen veränderten Blick auf die Komplexität von Fahrradwegweisung und das Radfahren insgesamt mit.“ (Fazitplakat)
Setzen wir uns also am Ende hin und nehmen einen Stift zur Hand. Wir schauen auf den Netzplan und überlegen uns die Route, die wir fahren wollen. Jetzt schauen wir an dieser Route entlang die Knotenpunkte an und schreiben die Zahlen auf einen Zettel. Den kleben wir an den Lenker unseres Fahrrades und fahren am Knotenpunkt mit der ersten Zahl los. Von dort aus folgen wir an jeder Kreuzung den Wegweisern zur nächsten Zahl, bis alle Zahlen auf unserem Zettel abgefahren sind. Und so haben wir zum Schluss beides erledigt: Malen und Radeln.
Ganz so einfach funktioniert das alles natürlich nicht, insbesondere die Planung ist komplex und bedarf fachlicher Expertise, politischem Willen, finanziellen Möglichkeiten und einer bereits vorhandenen Fahrrad-Infrastruktur. Ist das Knotenpunktsystem aber einmal da, kommt einem das Radfahren fast vor wie das spielerische Malen. Also los: Radeln nach Zahlen!

Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines Interviews mit den studentischen Lehrendes des Moduls.
Titel: Radeln nach Zahlen – ein Knotenpunktsystem für den Freizeitradverkehr in Thüringen
Lehrende: Lena Becker (stud. BA Urbanistik) und Leonard Winter (stud. BA Urbanistik)
Mentoring: Tina Feddersen (BU)
Semester: Sommersemester 2025











