GMU:Media Art Strategies/Leon-Etienne Kühr/Project

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[old project about telepresence]

Präsenz (Mensch + Prothese)

Entwurf für eine Installation von Leon-Etienne Kühr und Clemens Hornemann



Kurzbeschreibung

Die Installation "Präsenz (Mensch + Prothese)" befasst sich mit der Untrennbarkeit physischer und digitaler Präsenz in der heutigen Zeit.

Ein mittig im Raum installiertes Smartphone misst die Signale und Wellen, die wir und unsere digitalen Geräte ausstrahlen. In einem Becken voll schwarzer Farbe werden durch Interferenzmuster und Wellen die gemessenen Daten dargestellt und reagieren kurz und langfristig auf die Veränderungen im Raum — die Menschliche Präsenz als messbare Größe sichtbar gemacht.


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Hintergrund


Das Smartphone:

Moderne Smartphones bieten vielfältige sensorische Schnittstellen zur Wahrnehmung und Interaktion mit ihrer Umgebung. Zudem sind sie die am häufigsten genutzte und wohl intuitivste Mensch-Maschinen-Schnittstelle.

Durch ihre sensorische Vielfalt ist nicht nur die Vernetzung zu anderen Endpunkten des Internets, sondern auch zu ihrer physischen Umwelt möglich. Dabei werden sowohl physikalische Größen wie Temperatur, Ton, Erdbeschleunigung oder Lichtintensität als auch verschiedene digitale Schnittstellen wie Bluetooth, WLAN oder das Funknetz gemessen. Ein Großteil dieser Sensoren wurde im Laufe der Jahre zur Standartausstattung der Geräte, um bestimmte anwendungsspezifische Funktionen zu erfüllen, so in etwa ein Distanzsensor, um zu erkennen, ob das Smartphone gerade an die Ohrmuschel gehalten wird. Die Nutzung ist aber nichtmehr nur auf diese Funktionen beschränkt. So werden Sensordaten vom Gerät gesammelt, und auch Applikationen von Drittanbietern können auf die Sensoren zugreifen.

Manche dieser Schnittstellen zur Außenwelt wie WLAN oder Bluetooth arbeiten kontinuierlich und selbstständig im Hintergrund, beispielsweise, um nach Netzwerken in der Umgebung der Geräte zu suchen. Zu sehen ist dies am Beispiel der Corona-Warn-App; hier wird der Bluetooth-Standard verwendet, um von den in der Umgebung vorhandenen Smartphones auf die Präsenz anderer Menschen zurückzuschließen. Im Rückschluss bedeutet dies, dass in der gesellschaftlichen Wahrnehmung das Smartphone mittlerweile ein essentieller Teil unserer menschlichen Präsenz geworden ist. Das Smartphone wird als individueller Gegenstand untrennbar mit unserer Persönlichkeit verknüpft.


Über die Entität des Menschen:

Der Mensch ist, wenn es unter anderem nach dem französischen Philosophen Bernard Stiegler (1952-2020) geht, ein blindes, unvollständiges - ein frühzeitig geborenes Wesen – in der griechischen Mythologie nach Platon dadurch dargestellt, dass Epimetheus bei der Erschaffung der Lebewesen keine Gaben, keine Eigenschaften mehr für den Menschen übrig hatte. Erst durch den Diebstahl des Feuers und der Weisheit durch Prometheus, wurde der Mensch zu einer Entität, einem sehenden Wesen.

»Um einer zu werden, musste er negieren, was er war, indem er seinem Körper eine Prothese hinzufügte.« — Roberto Calasso (geb. 1941).

In der Frage nach der menschlichen Identität spielen demnach Bewusstsein und Zeitobjekte eine unbestreitbare Rolle. Vom Faustkeil über die Schrift zur Fotografie, bis zum Telefon und Internet: Prothesen, die das generationenübergreifende, kollektive Gedächtnis und damit die menschliche Geschichte darstellen — Werkzeuge, Gegenstände, Dinge.

Während Platon bereits die Schrift als problematische Gedankenprothese kritisierte, hat das Verhältnis von Mensch und Prothese (und die Kritik daran) mit den fortlaufenden Jahrhunderten der Kulturgeschichte nur an Komplexität gewonnen. Heute sind unsere Werkzeuge, Gegenstände, Maschinen, Konsumgüter längst nicht mehr nur Gedankenstützen, Verlängerungen und Verbesserungen menschlicher Organe und Gliedmaßen, sondern alles zusammen und noch viel mehr — Teile komplexer gesellschaftlicher Systeme. Unsere Prothesen haben sich zu (für den Einzelnen) immer unüberschaubaren Konstrukten mit Eigendynamik entwickelt, welche dennoch untrennbar und unverzichtbar mit unserem Leben verknüpft sind.

Besonders sichtbar geworden, ist diese komplexe, wechselseitig-elastische Beziehung zwischen Mensch und Prothese noch einmal in den letzten zwei Jahrzehnten. Smartphones, unsere immer greifbaren Universalprothesen zwischen Analogem und Digitalem, haben unser alltägliches Leben, unsere Gesellschaft maßgebend verändert. Immer mehr sind die Prothesen also auch Teil von uns geworden.

In unserer Arbeit wollen wir diese Entität der Präsenz aus Mensch und Prothese betrachten und betrachten lassen, doch nicht aus anthropologischer Sicht, sondern möglichst neutral, aus der Sicht unserer Prothesen auf uns. Ein Becken voller Farbe wird Behälter unserer Identität/Präsenz, bestehend aus Wellen, welche eine andere als die sichtbare Ebene der Wirklichkeit darstellen.



Installation

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Eine ein mal ein Meter große Metallwanne steht in der Mitte des Raumes. Auf Augenhöhe, durch ein Kabel verbunden mit der Wanne, schwebt ein Smartphone. Die Wanne ist gefüllt mit schwarzer, etwas dickflüssiger Farbe. Im Ausgangszustand ist die Oberfläche der Farbe glatt und ruhig. Betreten Menschen den Raum, reagiert die Installation.

Die Betrachter sind für das installierte Smartphone durch alle möglichen sensorisch messbaren Wellen wahrnehmbar: Licht/Schatten, Geräusche, Luftbewegung, Wärme etc. Auch die technischen Geräte der Betrachter, ihre Smartphones senden ununterbrochen Signale wie Bluetooth, UMTS oder WLAN aus.

Alle diese Signale und Wellen werden durch die Sensoren des Smartphones der Installation gemessen, in einer eigens programmierten App erfasst, auf unterschiedliche Audiofrequenzen und Steuersignale gemappt und an einen Raspberry Pi weitergegeben. Von dort laufen die Audiosignale durch einen Verstärker und speisen 8 Subwoofer-Konstruktionen unter der Wanne. Die Steuersignale regulieren zudem 4 Turbinen in der Farbe.

Die auf die Installation eintreffenden Signale sorgen für eine Reaktion in der Wanne. Die Subwoofer-Konstruktionen erzeugen über eine Membran Interferenzen und Wellenmuster, die Turbinen noch stärkere Wellen und Bewegungen. Bei wenigen Besuchern und wenig Input-Signalen gibt es feine Reaktionen — Interferenzmuster durchlaufen das Becken. Bei vielen Leuten und vielen Signalen wie etwa hoher Lautstärke oder Blitzlicht steigern sich die Reaktionen, die Turbinen drehen sich bis zu dem Punkt, dass die Farbe aus ihrem Becken in den Raum spritzt. Die Präsenz der Menschen manifestiert sich im Raum.


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Programmierung

Für die Installation werden die Daten der ein- wie auch multidimensionalen Sensoren und Schnittstellen wie WLAN und Bluetooth gesammelt und über acht Audiokanäle sonifiziert. Zusätzlich werden bei starken Veränderungen drei Propeller gesteuert, um die Farboberfläche stärker zu beeinflussen.

Um Grundrauschen und Fehler der Sensoren zu minimieren, wird pro Datenkanal zunächst ein Mittelwert aus einigen vorherigen Werten gebildet. Dadurch wird gewährleistet, dass sowohl kurzfristige wie auch langfristige Veränderungen abgebildet werden.

Dabei sind den Audiokanälen keine jeweils festen Datenkanäle zugewiesen, sodass pro Lautsprecherkonstruktion nicht nur ein Datenkanal dargestellt wird, sondern die generelle Wahrnehmung des Raumes gemischt, über alle Konstruktionen abgebildet wird.

Neben einfachem Mapping der Daten auf geeignete Frequenzspektren, wird ein PID-Regler (proportional-integral-derivative controller) verwendet. Dieser Kontrollmechanismus nutzt das Feedback der Sensoren, um durch Gegenbewegung zu versuchen, ein Gleichgewicht wieder herzustellen. Anders als bei der industriellen Verwendung dieses Reglers wird dieser hier benutzt, um eine Balance zwischen kurzfristigen und langfristigen Inputs zu gewährleisten.

Die über eine Sensor-Programmierschnittstelle zur Verfügung gestellten Daten werden kontinuierlich gesammelt und verarbeitet, wodurch eine adäquate Abbildung der für das Smartphone messbaren Präsenz erreicht wird.


Tabelle der Verfügbaren Sensoren:

PMP Sensoren.png



Prototypen

Auf dem Weg zur fertigen Installation wurden mehrere unterschiedliche Prototypen und Studien zur Erzeugung von Wellen angefertigt; auch wurde mit verschiedenen Materialien experimentiert.

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Unter anderem wurde ein Prototyp mit einem Exciter (Körperschallwandler) an einer Holzplatte als schwimmender "Interferenz-Insel" angefertigt.

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Beim aktuellen Prototyp wird die Schallwellenübertragung mit Hilfe von Latex-Membranen realisiert, wie sie auch in der finalen Installation zur Anwendung kommen sollen.

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Einflüsse anderer KünstlerInnen

In der Vorbereitung haben wir uns mit Arbeiten zahlreicher KünstlerInnen des ausgehenden 20. sowie des angebrochenen 21. Jahrhunderts befasst. Zuallererst beschäftigten uns auf inhaltlicher Ebene Fragen nach Präsenz und dem Festhalten und Übertragen solcher. So behandelte eine erste Installations-Idee das Thema Telepräsenz. Diese Idee verwarfen wir aus künstlerischen und Skalierungs-Problemen jedoch wieder. In der Vorbereitung spielten folgende Werke eine wichtige Rolle für uns:

  • David Bowen - tele-present water
  • Christoph Kilian - Tuchfühler / touching silk
  • Rafael Lozano-Hemmer - Remote Pulse
  • Daniel Rozen - Mirrors


Mit zunehmender Konkretisierung unserer Ideen stellten wir Überlegungen über Materialitäten an und befassten uns mit kinetischer Kunst und ihren Anfängen, wobei uns nachfolgende Werke beeinflusst haben:

  • Rebecca Horn - Körperphantasien
  • Robert Rauschenberg - Mud Muse
  • Jean Tinguely


Für die technische Umsetzung/Planung sowie Verortung in der Medienkunst waren schließlich folgende Werke wichtig für uns:

  • Carsten Nicolai - Wellenwanne, Chroma actor
  • Hannes Kalk: - .fluid
  • Christina Kubisch - Werke über Elektromagnetische Induktion
  • Ryoji Ikeda - Dataverse
  • Olafur Eliason - Notion Motion

Umsetzung

Aufgrund der Corona-Lage hat es sich bis jetzt als schwierig erwiesen, einen geeigneten Rahmen für die Präsentation unserer Installation zu finden, besonders da die Arbeit von der Interaktion mit den Betrachtern lebt. Unser Ziel ist es dennoch, möglichst bis zum Sommer einen geeigneten Ausstellungsort sowie Fördergelder bzw. finanzielle Zuschüsse zu akquirieren, damit wir die Installation final umsetzen können.

Besonders beachten müssen wir bei der fertigen Installation bzw. dem Ausstellungsort die vorhandene Lichtsituation, da Spiegelungen und Reflektionen einen großen Einfluss darauf haben, wie die Wellen in der schwarzen Farbe wahrgenommen werden. Außerdem sollte der Boden möglichst weiß oder zumindest mit weißem Papier bedeckt sein, damit sich die Farbe außerhalb des Beckens manifestieren kann; hierbei ist auf den Schutz des Ausstellungsortes vor Schädigungen durch die Farbe zu achten. Auch die Transportlogistik, Lieferzeiten sowie der benötigte Arbeitsaufwand von mindestens zwei bis drei Tagen zum Bau der Installation sollten bedacht werden.

Die Materialkosten haben wir in der folgenden Tabelle festgehalten:

Kostenaufstellung: Preiskalkulation