65. Sendung am 20. Mai 2012

Tuesday, 05. Nov 2013

Im Mai jährt sich die Kapitulation des NS-Staates zum 67. Mal. Kein besonders rundes Jubiläum, aber ein Bedeutendes. Große Beachtung fand dieses Gedenken in der alten Bundesrepublik seit der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vor dem Deutschen Bundestag zum 40. Jahrestag im Jahre 1985.

Seit dieser Rede wurde in der Bundesrepublik verstärkt darüber diskutiert, wofür der 8. Mai 1945 steht: für die militärische Niederschlagung Deutschlands oder für seine Befreiung vom Nationalsozialismus.

Drei außergewöhnliche Filme führen den Zuschauer nach Thüringen, in kleine Dörfer, aufs Land. Wie wurden Krieg, totaler Zusammenbruch und Neuanfang dort erlebt? Und was hallte nach?

So erzählt der Leipziger Andreas Hell von der allmählichen Machtergreifung der Nazis, die nicht nur die Schlüsselpositionen des Deutschen Reiches besetzten, sondern auch die Seelen der Deutschen. Exemplarisch dafür stehen die behutsam animierten Ton- und Bildfragmente, die der Filmemacher eindrucksvoll zu seinem Essayfilm „Vielleicht Biarritz“ über die Geschichte zweier deutscher Frauen in einem südthüringischen Dörfchen vor, während und nach dem Dritten Reich montiert hat.

Klassisch-narrativ und voller Spannung zeichnet Karsten Prühl ein unerhörtes Ereignis nach, das sich bei Mihla im Raum Eisenach im Herbst 1944 so zugetragen haben soll. Für zwei Brüder wird der Zweite Weltkrieg zu einer familiären Angelegenheit. Der Film „Im Herbst kein Lied“ basiert auf den Erzählungen des Großvaters des Filmemachers und wurde auf zahlreichen internationalen Filmfestivals ausgezeichnet.

Auch Janett Springer arbeitet mit den Zeugnissen der Großeltern, die aus dem heutigen Saale-Holzland-Kreis stammen. Ein Briefwechsel, entstanden im Jahre 1947, gibt einen bewegenden Aufschluss über die tiefen Wunden, die der Krieg bei diesem jungen Paar geschlagen hat.

Deutsche Geschichten aus der Geschichte. Von Studierenden aus Mitteldeutschland. Bei Unicato im Mai.

 

Vielleicht Biarritz

Andreas Hell, Leipzig | 19:33 Min.
Der Film erzählt auf ästhetisch ungewöhnliche Weise die Geschichte zweier deutscher Frauen zur Zeit des Nationalsozialismus. Fotografien aus Familienalben dokumentieren persönliches Erleben und die Gleichzeitigkeit von Routine und Gewalt. Andreas Hell gelingt es mit einer seltenen Kombination aus Animations- und Essayfilm sowohl die Stimmung der Zeit als auch die Zeugenschaft des Dokuments miteinander zu verweben.

Im Herbst kein Lied

Karsten Prühl, Bauhaus-Universität Weimar | 22 Min.
Westthüringen 1944. Zwei amerikanische Piloten werden in der Nähe eines Forsthauses abgeschossen. Der 14-jährige Alfred sieht in der Suche nach den kostbaren Fallschirmen die Chance, seinen Vater für sich einzunehmen. Nachdem dieser von Amts wegen eine Hetzjagd auf die Piloten mitmachen muss, schleicht sich Alfred unerlaubt in den Wald. Sein jüngerer Bruder Ludwig folgt ihm. Gemeinsam werden sie Zeugen einer Tat, die ihr Verhältnis zum Vater grundlegend verändert.

Obwohl das Drama „Im Herbst kein Lied“ in Thüringen spielt, entschied sich Filmemacher Karsten Prühl ausschließlich für Drehorte in Sachsen-Anhalt: den Eichenwald bei Emden, das Forsthaus Lübberitz sowie das Freilichtmuseum Diesdorf.

Heimkehr

Janett Springer, Bauhaus-Universität Weimar | 4:39 Min
Das anfänglich schwarze Bild löst sich allmählich im Postkartenmotiv einer Winterlandschaft auf. An Weihnachten 1947 versicherten sich die Großeltern der Filmemacherin durch Gedichte ihrer Liebe und verarbeiteten damit die erzwungene Trennung durch den Zweiten Weltkrieg. Den er „im Felde“ und sie „an der Heimatfront“ verbracht hat. Janett Springers Kurzfilm ist ein erschütterndes, doch gleichsam tief berührendes Zeugnis menschlichen Sehnens in einer barbarischen Zeit.