77. Sendung am 30. Juni 2013

Wednesday, 06. Nov 2013

In der Nacht zum 1. Juli nimmt Unicato seine Zuschauer mit auf eine filmische Reise nach Halle an der Saale. Das Themenspezial zeigt unter dem Titel „Drehort Halle“ fünf kurze Dokumentarfilme, die vor Ort produziert wurden.

Im Jahr 806 wurde der Ort an der Saale als „Halla“ erstmals erwähnt. Viele Sprachwissenschaftler führen den Namen der Stadt auf die einstige Salzgewinnung zurück, der Halle seinerzeit großen Wohlstand verdankte. Heute, mehr als 1200 Jahre später, ist Halle an der Saale eine Stadt mit langer, ereignisvoller und immer noch sichtbarer Geschichte und Traditionen, die weit über die Stadtgrenzen bekannt sind. Von der alten Stadt ist trotz der turbulenten Vergangenheit, zahlreicher Kriege und der durch die regionale Industrie vorangetriebenen sozialistischen Bauprojekte viel erhalten geblieben, auch dank der Tatsache, dass die Stadt im Zweiten Weltkrieg weitestgehend vor der Zerstörung verschont war.

In der Stadt, um sie herum und für ihre Bewohner hat sich in der Vergangenheit jedoch vieles immer wieder verändert. Oft geschah das nicht zu ihrem Vorteil und prägte gleichermaßen das Leben und das Stadtbild in Halle. Auch in heutiger Zeit ist die Stadt zwischen den Lasten der Vergangenheit und den Herausforderungen der Gegenwart gespannt und kämpft mühsam um ihre Rolle. Die Region macht es ihr dabei nicht einfach. Leipzig liegt nur einen Steinwurf weit entfernt. Halle muss stets versuchen, Schritt mit dieser Metropole zu halten und gleichzeitig darum kämpfen, von der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg nicht überschattet zu werden.

Ein wichtiges Attribut hat die Stadt aber mit ihrer Hochschullandschaft als Trumpf in der Hand. In Halle befinden sich nicht nur die große Martin-Luther-Universität und die traditionsreiche Kunsthochschule Burg Giebichenstein, eine der größten Hochschulen für Kunst und Design in Deutschland. Halle ist darüber hinaus die Stadt der Musik, assoziiert mit Georg Friedrich Händel, und die zudem die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik beherbergt. Darüber hinaus ist Halle der Sitz der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, einer der ältesten Wissenschaftsakademien der Welt.

In den vergangenen Jahren sind um diese Institutionen weitere Einrichtungen und Initiativen mit einem verstärkten Fokus auf die neuen Technologien und insbesondere Medien entstanden. Dazu gehört das Mitteldeutsche Multimediazentrum (MMZ), ein Existenzgründerzentrum für die Medien- und Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt, das unter anderem mit der Universität kooperiert. Das MMZ ist Campus für fast 1.000 Studenten des Departement für Medien- und Kommunikation der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Es ist Halles wichtigstes Instrument auf dem Weg zum ersehnten Medienstandort mit nationaler und internationaler Ausstrahlungskraft. Allesamt tragen sie eine neu ausgerichtete Strategie und Hoffnung für die Stadt, die sich seit Jahren entlang des finanziellen Abgrunds bewegt und im Standortwettbewerb mit ihrer vielerorts unvorteilhaften Infrastruktur schwer punkten kann.

Zum Teil dieser Strategie gehören die Medienproduktionen der Martin-Luther-Universität sowie das von dem mit der Burg Giebichenstein eng kooperierenden Werkleitz Zentrum für Medienkunst. Das dort ins Leben gerufene Labor für Weiterbildung in der dokumentarischen Medienpraxis organisiert jedes Jahr eine Meisterklasse. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Professional Media Master Class haben einen großen Teil der Filme dieses Unicato-Programms produziert.

In höchsten Tönen

Marie Blankenburg, Christopher Kunert | Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Halle kennt die Krisenzeiten all zu gut. Umso mehr müssen die altbewährten Traditionen und die Geschichte als fester Halt hinhalten und die Identität der Stadt gegen die allgegenwärtigen Turbulenzen und zu viel Unsicherheit verteidigen. Dass das keine Frage der Generation ist, zeigen die MLU-Studierenden Marie Blankenburg und Christopher Kunert mit ihrem Dokumentarfilm „In höchsten Tönen“. Sie eröffnen die Sendung in einer fast feierlichen Ankündigung von den Türmen der Marktkirche mit weitem Blick auf die Stadt.

Der Film blickt in die Proben und den schwindelfreien Auftritt des Posaunenchors aus Halle, der sich regelmäßig zum Musizieren auf der Brücke zwischen den Türmen der Marktkirche trifft. In der kurzen Dokumentation erzählt der Hauptprotagonist, ein Lehramtsstudent am Institut für Musik der Martin-Luther-Universität, der seit vier Jahren den Chor über den Dächern der Stadt leitet, vom Wert der musikalischen Tradition und dem vertrauensvollen Miteinander quer durch Generationen.

Gespielt wird die Musik von Händel und die Freude ist besonders groß, wenn günstiger Wind die Töne bis weit über den Hauptbahnhof trägt.

Am Brunnen

Valérie Madoka Naito, Peter Ziaja | Professional Media Master Class Halle
Auch der zweite Film verarbeitet die Geschichte der Stadt und ihre Ursprünge. Halle verdankt seinen früheren Reichtum den vier Salzquelle und den Hallensern, die das Salz anschließend verkauften und dem Ort damit große Bedeutung und wohlhabende Zeiten bescherten. Als die Menschen an der Saale eine Stadt bauen wollten, bekamen sie vom Kaiser die Erlaubnis – jedoch unter der Bedingung, nur nachts zu bauen, wenn Mond und Sterne leuchteten. Deshalb zeigt Halles Stadtwappen Mond und Sterne.

Valérie Madoka Naito und Peter Ziaja beginnen in ihrem Film „Am Brunnen“ einen nächtlichen Rundgang um den Brunnen mit provokanten Figuren am Hallmarkt und lassen die mythischen und die historischen Figuren aus Bronze unter Mond, Sternen und Kunstlicht die Entstehungsgeschichte der Stadt erzählen und in zweieinhalb Minuten auf den Punkt bringen. Doch am Morgen danach sieht alles ganz anders aus.

Ich Du Held

Denis Kacs, Sarah Schreier | Professional Media Master Class Halle
Um das Sein im Hier und Jetzt geht es im experimentellen Kurzfilm von Denis Kacs und Sarah Schreier. Ihr Film „Ich Du Held“ ist eine Collage aus gestellten, oft stark inszenierten Szenen, die als Ausschnitte wichtiger Momente einer exemplarischen Biografie stehen, und aus scheinbar freien Videoaufnahmen zu denen sie die Liedtexte zweier Hip-Hop-Sänger aus Halle narrativ einsetzen – ohne Musik und herkömmliche Rhythmik.

Rotation

Ginan Seidl, Clara Wieck | Professional Media Master Class Halle
Ebenso konsequent ohne Rhythmus und Musik, aber mit viel Körpernähe zur Kamera, geht es weiter im Film „Rotation“. Eine rhythmische Sportgymnastin und eine Pole-Tänzerin betreten und benutzen die Bühne der jeweils Anderen. „Rotation“ von Ginan Seidl und Clara Wieck ist eine ästhetische Studie aus Bildern und Umgebungsgeräuschen, die als eine aus künstlerischer Perspektive unternommene Interpretation der Idee hinter einem bekannten Doku-Soap-Fernsehformat verstanden werden kann.

Lou Ziffers Kaleidoskop

Ludwig Gundermann | Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Ludwig Gundermanns „Lou Ziffers Kaleidoskop“ verlässt Halle und infiltriert das Wave-Gothik-Treffen in Leipzig. Die Bilder, die im Film unabhängig von den Erzählungen des Protagonisten existieren, eröffnen Einblicke in die komplexe Welt der Wave- und Gothik-Fans, stellen aber auch Fragen an eine Generation, die keine existenziellen Ängste mehr hat. In einem Querschnitt durch das Festivalpublikum wird sichtbar, welche Phantasien existieren und öffentlich ausgelebt werden, wenn man es einfach kann.