Beschreibung |
Sehen wir uns die explosionsartige Entwicklung der populären Vergnügungskultur im Zuge des 19. Jahrhunderts an - die sich wesentlich in permanenten Einrichtungen etabliert, anders als die zuvor dominanten temporären Einrichtungen der Jahrmärkte, Feste oder Umzüge - so wird bald klar, dass diese auf den hart erkämpften und das Leben der arbeitenden Klassen neu strukturierenden rechtlichen, sozialen und kulturellen Infrastrukturen von Arbeitszeit und Freizeit beruht. Diese spezifisch moderne Artikulation der Freizeit in vielfältiger Vergnügungs- und Konsumkultur setzt sich ab von früheren Freizeitkulturen etwa der griechischen und römischen Antike und speist sich dennoch aus ihren Bildern und Traditionen. So ist auch das aktuelle Ensemble von realen und virtuellen Vergnügungen und kulturellen Angeboten nicht denkbar ohne eine parallel erfolgende Ausdehnung von Freizeit. Auch aktuelle politische Debatten zur Arbeitszeitreduktion und zum bedingungslosen Grundeinkommen berühren wesentlich die Frage nach einem demokratisierten, einkommens- und klassenunabhängigen "Anrechts auf Kultur".
Im Seminar werden anhand von medienwissenschaftlicher, kulturhistorischer und soziologischer Literatur, sowie anhand von historischen Fallstudien zur Verbindung von Freizeit und (medien-)kultureller Produktion und Rezeption die historisch je unterschiedlichen Definitionen und Ausgestaltungen von Freizeit in Europa diskutiert. |
Literatur |
Jean-Marie André: Griechische Feste, römische Spiele. Die Freizeitkultur der Antike, Leipzig 2002; Peter Paul Bänzinger: Die Moderne als Erlebnis. Eine Geschichte der Konsum- und Arbeitsgesellschaft, Göttingen: Wallstein 2020; Alain Corbin: L'avènement des loisirs.1850-1960, Paris: Flammarion (Champs histoire) 2020. |