Beschreibung |
„Neben der Dekarbonisierung und Dekolonisierung ist die Deinstitutionalisierung ein weiteres großen Anliegen […]. Institutionen müssen den Mut aufbringen, ihre Funktionsweise zu überdenken.“ (Lesly Lokko)
Diesen Mut brachte 2021 die Ausstellung „documenta. Politik und Kunst“ im Deutschen Historischen Museum Berlin auf, indem sie die positivistisch erzählte Geschichte der ersten zehn documenten seit ihrer Gründung 1955 in Bewegung versetzte: Es habe weder eine Stunde Null nach der NS-Herrschaft noch eine Rehabilitierung vergessener, verfolgter oder ermordeter Künstler*innen und ihrer Werke stattgefunden; die erste documenta zeige eine perfides „Theoriegebäude, das nicht zuletzt darauf ausgerichtet war, den Holocaust und die Kriegsverbrechen aus der Kunstgeschichte auszuradieren“; dem Spiritus rector der documenta Werner Haftmann wurde wie der Hälfte derjenigen, die an der Organisation der ersten documenta mitwirkten, eine NSDAP- und SA-Mitgliedschaft nachgewiesen.
Sind Institutionen Instrumente, die erfunden wurden, um Veränderungen aufzuhalten (Lokko 2022)? Bedeutet deinstitutionalisieren, ein Spielverderber und/oder ein Institutionsmechaniker (Sara Ahmed 2021) zu werden? 2005 definierte Andrea Fraser die Institutional Critique als eine „Methodologie kritisch-reflexiver Ortsspezifizität“: kritisch wegen des ausgewiesenen Ziels, den Ort zu verändern, statt ihn zu bekräftigen; reflexiv wegen des Einschlusses unserer Beziehungen zu den Orten in die Verhältnisse des Ortes; ortsspezifisch wegen des Interesses an Herrschaftsformen. Kritik in diesem Sinne bedeutet immer, die Frage nach den Machtverhältnissen zu stellen und sich selbst inmitten dieser zu situieren.
Wir werden die bisherigen documenten wie auch die aktuelle documenta fifteen deinstitutionalisieren, um an ihren Beispielen dynamische Wissens-, Wahrheits- und Machtkomplexe im 20. und 21. Jahrhundert zu bestimmen, die Kunst, Kunst-/Geschichte und Politik zusammen denken lassen. Edward Said stellte 1997 zur dX fest, dass die Trennlinien nicht so eindeutig seien, wie sie behauptet würden, wenn wir zwischen Kunst und Politik, Kunst und Nichtkunst, Autonomie und Funktion, Zentrum und Peripherie unterscheiden. |